Wie das Arbeitsverhältnis gelebt wird ist egal. Was im Vertrag steht gilt! Copyright by Adobe Stock/ Antonioguillem
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Die Klägerin hatte einen Grad der Behinderung von 40. Ihr ging es im Verfahren um die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach dem Sozialgesetzbuch IX.

Die Klägerin hatte mit ihrem Arbeitgeber einen Vertrag geschlossen, wonach sie 16 Stunden wöchentlich arbeitete. Tatsächlich war sie jedoch regelmäßig über 18 Wochenstunden tätig.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ab

Die Agentur für Arbeit lehnte deren Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen insbesondere mit der Begründung ab, das Gesetz fordere eine Mindestarbeitszeit von 18 Stunden in der Woche.

Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Im sozialgerichtlichen Verfahren wurde sie durch das Rechtsschutzbüro Saarbrücken vertreten. Leider blieb es jedoch bei der Entscheidung der Beklagten.

Der Gesetzestext verweist ausdrücklich auf 18 Wochenstunden

Das Gericht begründet seine Auffassung damit, der Gesetzestext verweise ausdrücklich auf eine Arbeitszeit von wenigstens 18 Stunden wöchentlich, damit eine Gleichstellung in Betracht käme. Abzustellen sei alleine auf die Arbeitszeit, die die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber vereinbart habe. Auf die gelebte Wirklichkeit komme es nicht an. Insoweit sei der Gesetzestext klar formuliert.

Dagegen bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere werde mit der Vorschrift nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 3 Grundgesetz verstoßen. Das Gericht erlaube durchaus differenzierte Regelungen. Dies gelte zumindest dann, wenn diese gerade dazu bestimmt seien, soziale oder sonstige Benachteiligungen auszugleichen.

Die gesetzliche Regelung bewegt sich im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums

Die gesetzliche Regelung in § 156 Abs. 3 SGB IX, die die Mindeststundenzahl festlege, bewege sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Es sei nicht erkennbar, dass Teilzeitbeschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden willkürlich benachteiligt würden.

Da die Klägerin somit keinen Arbeitsplatz im Sinne des Sozialgesetzbuch IX innehabe, komme eine Gleichstellung nicht in Betracht.

Weiteres zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen

LSG NRW 2008

Sozialgericht für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2020

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist kurz und knapp gehalten. Die Begründung ist wenig detailliert, dennoch muss man wohl davon ausgehen, dass sie richtig ist.

Bereits 2008 hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ausführlich zu der gesetzlichen 18-Stunden-Grenze entschieden. Es erläutert dabei, dass sich der Gesetzgeber hier nicht vertan haben kann. Es gehe nämlich im Sozialgesetzbuch IX grundsätzlich auch um die Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber. Dafür gebe es Regelungen zum Begriff des Arbeitsplatzes.

Die Bestimmungen zur Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber führten vor allem auch die Grundsätze an, unter welchen Arbeitsplätze berücksichtigt werden könnten. Dabei würden Stellen, auf welchen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich arbeiten, nicht berücksichtigt.

Es sei jedoch rechtlich nicht bedenklich, wenn an dieser 18-Stunden-Grenze dann auch in einem anderen Abschnitt des Sozialgesetzbuches IX im Zusammenhang mit der Gleichstellung festgehalten werde.

Rechtliche Grundlagen

§ 156 SGB IX

(1) Arbeitsplätze im Sinne dieses Teils sind alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.
(2) Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen, auf denen beschäftigt werden:

1.
behinderte Menschen, die an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Absatz 3 Nummer 4 in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen,
2.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften,
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt,
4.
Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen,
5.
Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden,
6.
Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehr- oder Zivildienst, Elternzeit, unbezahlten Urlaubs, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist.

(3) Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.