Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses soll dem Arbeitgeber ermöglichen, den Zweck des Arbeitsvertrages zu sichern. Dieser Zweck besteht darin, dass Arbeit vertragsgemäß erbracht wird. Ist dieser Zweck aus Gründen der Person des Arbeitnehmers für mehr als zwei Jahre ausgeschlossen, ist regelmäßig eine ordentliche Kündigung möglich.
Über sieben Jahre Haft für einen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer
Die Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung bei längerer Dauer beurteilte jetzt das BAG. Ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer war zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Nach Haftantritt kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist.
Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung. Aus seiner Sicht lag ein wichtiger Grund nicht vor. Ihm könne in der JVA ein Telearbeitsplatz (»Jail-Office«) eingerichtet werden. Während der Haft sei zudem seine Vertretung aus dem Personalpool des Arbeitgebers möglich. Schließlich führe die Haft nicht zu einem Erfahrungsverlust. Der Arbeitgeber ging weiterhin von einem wichtigen Grund aus, sodass letztlich das BAG entschied.
Das BAG sah einen wichtigen Grund und beurteilte die Kündigung als wirksam. Bei der Haftdauer von 7,5 Jahren handele es sich um mehr als das Dreifache der Dauer, die für eine ordentliche Kündigung erforderlich sei.
Entfremdung von Betrieb und Arbeitsaufgaben
Auch wenn die Haft vorübergehe, seien diese Umstände einem endgültigen Zustand gleichzusetzen. Denn nach der langen Dauer könne das Arbeitsverhältnis nur noch in formaler Hinsicht fortgesetzt werden.
Wegen des typischerweise großen Verlusts an Erfahrungswissen, wäre eine lange Einarbeitung wie bei einem neu begründeten Arbeitsverhältnis erforderlich. Die lange Dauer bewirke eine Entfremdung des Klägers vom Betrieb und den Arbeitsaufgaben.
Ein Anspruch auf einen Telearbeitsplatz – wie vom Kläger angedacht – bestehe nach dem Strafvollzugsrecht in dieser Weise nicht. Personalreserven und befristete Vertretungen bezweckten zudem nicht die Überbrückung einer Strafhaft. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen langen Ausfall selbst verschuldet habe.
Praxistipp: Arbeitsverhinderung durch staatlichen Eingriff
Die Strafhaft ist ein staatlicher Zugriff auf die Freiheit des Einzelnen. Betroffen ist auch das Arbeitsverhältnis des Häftlings. Ein solcher Eingriff des Staates ist auch auf andere Weise möglich.
Zur Verhinderung von Nachteilen bestehen oft gesetzliche Regelungen, die der BR im Blick haben sollte: Für Wehrdienstleistende (früher Wehrpflichtige) und Reservisten ist das Arbeitsplatzschutzgesetz geschaffen worden. Danach darf die Ableistung des Wehrdienstes oder die Teilnahme an Wehrübungen nicht zu Nachteilen führen. Es besteht zudem Kündigungsschutz.
Auch für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr sehen die Landesgesetze ein Benachteiligungsverbot vor. Die Ladung eines AN als Zeuge vor Gericht ist nach § 616 BGB eine unverschuldete Verhinderung, die nicht zum Verlust der Vergütung führt. Auch einem Wahlhelfer muss bei Sonntagsarbeit Freizeit gewährt werden. Ist die Arbeitsverhinderung eines Arbeitnehmers also übergeordneten Interessen geschuldet, gibt es im Gegenzug meist staatlichen Schutz.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 12/2016 vom 25.05.2016.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
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