Manch ein Arbeitnehmer hangelt sich von Befristung zu Befristung. Copyright by ARochau/Adobe Stock
Manch ein Arbeitnehmer hangelt sich von Befristung zu Befristung. Copyright by ARochau/Adobe Stock

Prognosen sollte man vermeiden, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, bemerkte einmal Mark Twain. Im Arbeitsrecht gibt es allerdings häufig Situationen, in denen es darauf ankommt, zu beurteilen, was voraussichtlich einmal sein wird. Entscheidend ist eine Prognose etwa immer, wenn es um Kündigungen und Befristungen geht.
 

Ein sachlicher Grund: der Arbeitgeber benötigt nur vorübergehend Arbeitskräfte

Ein Arbeitsverhältnis, das länger als zwei Jahre besteht oder bestehen soll, darf nur befristet werden, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Was ein solcher Grund ist, regelt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Eines diese Sachgründe ist der vorübergehende Bedarf an Arbeitskräften. Der Arbeitgeber muss zu dem Zeitpunkt, an dem er den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer abschließt, voraussehen können, dass er ihn nur für eine bestimmte Zeit benötigt.
 
Insbesondere im Bereich der Hochschulen und Universitäten gibt es häufig sogenannte „Projektbefristungen“. Die Arbeitgeber möchten für eine gewisse Zeit Arbeiten ausführen lassen, die im Betrieb nicht ohnehin regelmäßig erfolgen. Dazu werden Projekte konzipiert, die von Anfang an nur eine gewisse Zeit laufen sollen und die gesondert finanziert werden.  Für ein solches Projekt benötigt der Arbeitgeber eine gewisse Zahl an zusätzlichen Arbeitskräften, die er nicht mehr braucht, wenn das Projekt angeschlossen ist. Das stellt einen typischen sachlichen Grund für eine Befristung nach dem TzBfG dar.
 

Manchmal hangeln sich Beschäftigte von Projekt zu Projekt

In der Praxis werden häufig Arbeitnehmer, die für das Projekt eingestellt worden sind, nicht ausschließlich in diesem Projekt beschäftigt. Sie erledigen vielmehr auch andere Arbeiten, die ohnehin im Betrieb regelmäßig anfallen. Es kommt oft vor, dass Arbeitgeber  Arbeitnehmer lange Zeit für immer wieder neue Projekte befristet beschäftigen. Die Betroffenen hangeln sich gleichsam von Projekt zu Projekt, ohne dass sie jemals unbefristet beschäftigt werden. Einen solchen Fall vertraten kürzlich die Kolleg*innen des Büros Nürnberg vor dem Arbeitsgericht.
 
Die Klägerin ist seit 15 Jahren beim Freistaat Bayern an einer Kunstakademie beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lagen elf Arbeits- bzw. Änderungsverträge zugrunde. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) musste das Gericht nur überprüfen, ob das Arbeitsverhältnis gemäß des Vertrages wirksam befristet worden ist, den die Parteien zuletzt vereinbart hatten.
 

Seit 15 Jahren fast dieselbe Tätigkeit, aber immer neue Projekte

Bei der Kunstakademie wurde für die Zeit vom 15.02.2016 bis zum 31.08.2018 ein Projekt „Bildhauerische Praxis/Ausbildungspraxis“ gebildet. Mit diesem Projekt begründete das Land die Befristung des letzten Arbeitsvertrages. Dort vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis für die Dauer des Projektes befristet und spätestens am 31.08.2018 beendet sei.
 
Tatsächlich hat die Klägerin aber all die Jahre im wesentlichen dieselbe Tätigkeit verübt. Sie war durchgängig künstlerische Assistentin am selben Lehrstuhl. Zudem hat sie regelmäßig Lehrveranstaltungen abgehalten.
 
Mithilfe der DGB Rechtsschutz GmbH hatte die Klägerin die letzte Befristung angegriffen. Das Arbeitsgericht Stuttgart (ArbG) gab ihr nunmehr Recht und stellte fest, dass die letzte Befristung unwirksam ist.
 

Die Prognose selbst ist ein Teil des sachlichen Grundes

Das Gericht stellte klar, dass es für einen Befristungsgrund nicht ausreiche, wenn der Arbeitgeber den Bedarf an Arbeitskräften nicht absehen könne. Wenn er sich insoweit nicht sicher sei, gehöre das zum Risiko eines Unternehmers, das er nicht einfach auf den Arbeitnehmer abwälzen dürfe. Vielmehr müsse zudem Zeitpunkt, an dem der letzte Arbeitsvertrag geschlossen worden sei, hinreichend sicher sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende die Arbeitsleistung des betroffenen Arbeitnehmers nicht mehr bedürfe.
 
Zum Zeitpunkt, an dem die Parteien das Arbeitsverhältnis begründet hätten, müsse der Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte für eine solche Prognose haben. Diese sei nämlich selbst Teil des Sachgrundes. Insoweit könne ein Projekt durchaus einen Grund für einen vorübergehenden Mehrbedarf an Arbeitskräften darstellen. Voraussetzung sei aber, dass es dabei um zusätzliche Arbeiten ginge, die nicht zu den Arbeiten gehörten, die der Arbeitgeber ohnehin dauerhaft wahrnehme. Auch müsse der Arbeitgeber diese zusätzlichen Aufgaben zeitlich von den Tätigkeiten abgrenzen können, die er auf Dauer verrichte.
 

Der zusätzliche Bedarf an Arbeitskräften muss am Ende des Projektes wegfallen

Es müsse daher beim Abschluss des Arbeitsvertrages schon klar sein, dass die durch das Projekt anfallenden Arbeitsleistungen nach Ende des Projektes wegfielen.
 
Der Arbeitgeber müsse jedoch nicht beabsichtigen, den Arbeitnehmer ausschließlich mit Arbeiten in dem Projekt zu betrauen. Sei aber bereits beim Abschluss des Arbeitsvertrages klar, dass der Arbeitnehmer nicht mit dem wesentlichen Teil der Arbeitszeit in dem Projekt arbeiten werde, bestünde kein anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers am Abschluss eines nur befristeten Arbeitsvertrags.
 

Der Arbeitgeber muss im Prozess konkret darlegen, mit welchem Anteil seiner Arbeitszeit der Arbeitnehmer am Projekt mitarbeitet

In unserem Fall hatte der Freistaat Bayern im Prozess nicht konkret dargelegt, welche Arbeiten die Klägerin im Rahmen des Projektes ,,Bildhauerische Praxis/Ausstellungspraxis“ verrichtet hat. Unstreitig war indessen, dass die Klägerin während der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit in der Kunstakademie in erheblichem Umfang als künstlerische Assistentin und als Unterrichtskraft beschäftigt gewesen ist. Und das unabhängig davon, welchem Projekt sie gerade zugewiesen war.
 
Es sei dabei nicht erheblich, dass es das fragliche Projekt auch gegeben habe, so das Gericht.  Das Land habe aber nicht dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin für Arbeiten vorgesehen gewesen sei, die in Zusammenhang mit dem Projekt gestanden hätten. Das Gericht habe somit nicht abgrenzen können, inwieweit das Land beim Vertragsabschluss die Klägerin für Daueraufgaben und für Arbeiten im Rahmen des Projektes vorgesehen habe. Das würde aber zu Lasten des Freistaates Bayern gehen.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Arbeitsgerichts Nürnberg
 
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