In mehreren Fällen hat die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di erfolgreich gegen erweiterte Ladenöffnungszeiten an Sonntagen geklagt und damit ihre Mitglieder vor übermäßiger Inanspruchnahme durch ihre Arbeitgeber bewahrt.

Ladenöffnung am Sonntag nur unter strengen Voraussetzungen möglich

Die Ladenöffnungszeiten richten sich nach den Ladenöffnungszeitgesetzen der einzelnen Bundesländer. Diese Gesetze enthalten wiederum die Möglichkeit, die Ladenöffnungszeit in einer Verordnung zu konkretisieren.

Auf Basis dieser Verordnungen können die Gemeinden dann Ausnahmegenehmigungen für die Ladenöffnung an Sonntagen erteilen, wenn hierfür ein besonderer Anlass vorliegt.

Seit einiger Zeit sind die Einzelhändler sehr erfinderisch, derartige Anlässe zu (er)finden und dadurch die Öffnungszeiten zu verlängern. Zu Lasten der Beschäftigten.

OVG Thüringen: Keine Sonntagsarbeit im Mai und Juni 2016

Auf Antrag von Ver.di hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht jetzt die Öffnung von Geschäftenin Erfurt an Sonntagen im Mai und Juni 2016 gestoppt. Es hat die „Verordnung über das Offenhalten der Verkaufsstellen in der Landeshauptstadt Erfurt aus besonderem Anlass im Jahr 2016“ vom 20. November 2015 teilweise vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Geplant war eine Öffnung der Läden am 1. Mai 2016 aus Anlass musikalischer Tanzveranstaltungen sowie am 8. Mai und am 5. Juni 2016 wegen des Japanischen Gartenfestes und des Kinderspielfestes im ega-Park.

In der Entscheidung hat das Gericht den im Grundgesetz verankerten Schutzes der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen höher gewichtet als das Umsatzinteresse der Händler und das Kaufinteresse möglicher Kunden. Ein besonderer Anlass läge nicht vor.

Veranstaltungen nur Vorwand für Ladenöffnung?

Ein besonderer Anlass im Sinne der Verordnung liege nur vor, wenn dieser unabhängig von der Ladenöffnung einen erheblichen Besucherstrom auslöse. Das Gericht fasst prägnant zusammen: „Die Ladenöffnung muss dem Ereignis folgen, und nicht das Ereignis der Ladenöffnung.

Und die Richter*innen gehen noch weiter: Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Veranstaltungen nur einen Vorwand liefern sollen, um den ortansässigen Gewerbetreibenden das Offenhalten der Läden am Sonntag zu ermöglichen.

Mit einer einstweiligen Verfügung konnte ver.di die grundrechtlich geschützte Sonntagsruhe gegen das reine Verkaufs- und Konsumstreben durchsetzen.

Verwaltungsgericht Hannover: was hat Tennis mit Shopping zu tun?

In einem ähnlichen Fall konnte sich Ver.di vor dem Verwaltungsgericht Hannover durchsetzen, vor dem die Gewerkschaft gegen eine Ausnahmegenehmigung der Stadt Isernhagen vorgegangen war.

Die Gemeinde im Speckgürtel von Hannover hatte den Händlern im Gewerbegebiet Altwarmbüchen erlaubt, am ersten Sonntag im März aus Anlass des Tennis Davis-Cups ihre Läden zu öffnen. Dieser fand jedoch nicht in Altwarmbüchen, sondern auf dem hannoverschen Messegelände statt.

Das Gericht wies darauf hin, dass es erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung habe, weil kein Bezug zwischen der Ladenöffnung und dem Tennisturnier bestehe. Das Turnier sei weit weg und es sei nicht zu erwarten, dass Menschen sich aus diesem Grund nach Altwarmbüchen begeben. Der Antrag auf Ladenöffnung wurde daraufhin zurückgenommen.

Dran bleiben – Kämpfen lohnt sich!

Die beiden Fälle zeigen, dass man als Gewerkschaft gute Chancen hat, sich im Sinne seiner Mitglieder gegen willkürlich verlängerte Ladenöffnungszeiten zu wehren. Den betroffenen Verkäufer*innen hat Ver.di das Wochenende gerettet.

Gleichwohl bleibt es ein zäher Kampf, da der Einzelhandel nicht müde wird, sich immer neue Anlässe auszudenken. So auch in Hannover. Die Einzelhändler hatten, nachdem sie den ersten Antrag zurückgezogen hatten, einen zweiten eingereicht, gegen den aufgrund der Kürze der Zeit nicht mehr geklagt werden konnte – die Läden blieben auf!

Es heißt also, weiter wachsam zu sein und sich nicht durch fadenscheinige Anlässe und krumme Tricks des Einzelhandels davon abbringen zu lassen. 

 

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Verdi erwirkt mehr Sonntagsruhe vor dem Bundesverwaltungsgericht


Im Praxistipp: § 10 Weitere Öffnungszeiten - Thüringer Ladenöffnungsgesetz (ThürLadÖffG)

Rechtliche Grundlagen

§ 10 Weitere Öffnungszeiten - Thüringer Ladenöffnungsgesetz (ThürLadÖffG)

Thüringer Ladenöffnungsgesetz (ThürLadÖffG)

§ 10 Weitere Öffnungszeiten

(1) An jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen dürfen Verkaufsstellen aus besonderem Anlass für die Dauer von bis zu sechs zusammenhängenden Stunden in der Zeit von 11 bis 20 Uhr geöffnet sein.

(2) Der Karfreitag, die Adventsonntage und die übrigen Sonn- und Feiertage im Dezember dürfen mit Ausnahme wahlweise des ersten oder zweiten Adventsonntags nicht freigegeben werden.

(3) Diese Öffnungstage werden durch die Landkreise und die kreisfreien Städte im übertragenen Wirkungskreis durch Rechtsverordnung freigegeben.

(4) Unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 können die Öffnungstage für die kreisangehörigen Gemeinden sowie die Ortsteile der kreisfreien Städte unterschiedlich sein. Für Ortsteile kreisangehöriger Gemeinden kann aus besonderem Anlass die Freigabe unterschiedlicher Öffnungstage erfolgen. Ortsteile werden nach § 4 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung bestimmt.