Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in den Bereichen Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Callcentern und Lotto- und Totogesellschaften nicht zulässig ist. Es verwarf insofern die angegriffene Norm der Hessischen Bedarfsgewerbeordnung.

BVerwG erweitert den Schutz der Sonntagsruhe

Soweit diese Verordnung eine Beschäftigung in den Bereichen Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein, Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis zulässt, hat das Bundesverwaltungsgericht keine abschließende Entscheidung über die Gültigkeit der Verordnung getroffen, weil es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz fehlte. Hier muss die Vorinstanz weiter aufklären, es ist nicht unwahrscheinlich, dass weitere Berufsgruppen zukünftig in den Genuss der Sonntagsruhe kommen.

Arbeitszeitgesetz verbietet Sonntagsarbeit grundsätzlich

Nach dem Arbeitszeitgesetz dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Das Arbeitszeitgesetz sieht hiervon jedoch zahlreiche Ausnahmen vor und ermächtigt zudem die Landesregierungen, weitere Ausnahmen zuzulassen, wenn dies zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist.

Schutz der Beschäftigten wiegt schwerer als spontane Bedürfnisbefriedigung

Dieses Erfordernis sah das Bundesverwaltungsgericht nicht für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken an Sonn- oder Feiertagen, weil DVDs, Computerspiele oder Bücher schon an Werktagen ausgeliehen werden können. Es stellt keinen erheblichen Schaden im Sinne des Gesetzes dar, wenn der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nicht hinter den Wunsch zurücktreten muss, spontan auftretende Bedürfnisse auch sofort erfüllt zu bekommen. Aus den gleichen Gründen ist eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Lotto- und Totogesellschaften zur elektronischen Geschäftsabwicklung nicht erforderlich.

Kommentar: ver.di hat einen wichtigen Anstoß gegeben

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes schlägt Pflöcke ein. Obwohl es formal nur um die Rechtmäßigkeit einzelner Normen einer hessischen Landesverordnung ging, dürfte die tatsächliche Wirkungskraft bundesweite Relevanz haben. 

Das Gericht nimmt die schutzwürdigen Belange der Arbeitnehmer ernst und stellt sie über das allgegenwärtige Verlangen der Konsumenten nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung. In einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt, stellt es fest, dass es keinen erheblichen Schaden darstellt, wenn der Verbraucher spontan auftretende Bedürfnisse nicht auch sofort erfüllt bekommt, weil der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe der Beschäftigten schwerer wiegt. 

Denkt man diesen Gedanken konsequent weiter, müsste auch der Gesetzgeber handeln und weitere Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit streichen. Das Gericht hat hier den Weg gewiesen, hin zu einem mündigen Verbraucher, der die spontane Bedürfnisbefriedigung nicht auf dem Rücken der Beschäftigten auslebt. Es ist ein Verdienst der Gewerkschaft ver.di, dass die Diskussion in diese Richtung angestoßen wurde.

Download:

Pressemitteilung Bundesverwaltungsgericht zum Urteil vom 26.11.2014, Az.: BVerwG 6 CN 1.13

 

Vorinstanz:

Pressemitteilung: Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) Aktenzeichen: 8 C 1776/12.N - Urteil vom 12. September 2013