Streiks sind ein Mittel des Arbeitskampfes und bedeuten allgemein die kollektive Niederlegung der Arbeit zum Erreichen eines bestimmten Ziels. Seinen Ursprung hat dieses Kampfmittel in England. Arbeiter weigerten sich gemeinschaftlich, ihre Arbeit fortzusetzen, um überhaupt erst einmal eine Regelung ihrer Rechte zu erreichen. Auch im frühindustriellen Deutschland waren Rechte und Pflichten in einem Arbeitsverhältnis nicht durch ein eigenständiges Arbeitsrecht geregelt. Ein Arbeitsverhältnis wurde juristisch wie ein normales Dienstverhältnis zwischen zwei rechtlich gleichen Vertragspartnern betrachtet. Die Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber war also rechtlich die gleiche wie zwischen Arzt und Patient oder Rechtsanwalt und Mandant.
Während zwischen Arzt oder Rechtsanwalt und ihren Klienten aber ein etwa ausgeglichenes Kräfteverhältnis besteht, stellt sich die Situation in Arbeitsverhältnissen grundlegend anders dar: hier bestimmt der Arbeitgeber die Regeln, jedenfalls in der ganz überwiegenden Zahl der Arbeitsverhältnisse. Hinzu kommt, dass ein Arbeitsplatz für einen Arbeitnehmer etwas Existenzielles ist. Er bezieht die Mittel für seinen Lebensunterhalt und den Unterhalt seiner Familie allein aus den Einkünften aus einem Arbeitsverhältnis. Er ist „abhängig beschäftigt“.
Es bestand in der Industriegesellschaft schon früh die Erkenntnis, dass es gemeinsame Interesse derjenigen gibt, die ihren Lebensunterhalt mit Erwerbsarbeit bestreiten. Das hat zur Bildung von Gewerkschaften als kollektive Interessenvertretungen der abhängig Beschäftigten geführt.
Die Auseinandersetzung fand dabei nicht nur zwischen den Beschäftigten und ihrer Arbeitnehmer statt. Adressat von Arbeitskampfmaßnahmen war auch der Staat mit dem Ziel für gesetzliche Regeln zum Schutz der wirtschaftlich unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sorgen. Politischer Druck lässt sich ausüben, wenn das Bestreiken vieler großer Unternehmen negative Auswirkungen für die Volkswirtschaft hat. Ein sehr starkes Kampfmittel stellt der Generalstreik dar, bei dem im Grunde Betriebe in allen Bereichen bestreikt werden, sodass die wirtschaftliche Tätigkeit im Lande gleichsam völlig zum Erliegen kommt. Solche „politischen Streiks“ sind indessen in der Bundesrepublik Deutschland nicht erlaubt.
Die Bundesrepublik Deutschland wird zurecht als „streikarmes“ Land betrachtet. Zum einen wird im Verhältnis zu vielen anderen demokratischen Ländern sehr wenig gestreikt. Zum anderen ist durch die Rechtsprechung das Streikrecht sehr eingeschränkt.
Politische Streiks sind zwar nicht ausdrücklich durch Gesetz verboten. Sie werden aber in der Rechtsprechung als nicht legal angesehen. Dabei ist von Bedeutung, dass mit einem Streik immer auch Recht verletzt wird. Er stellt zunächst einmal eine Verweigerung der Arbeitsleistung durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar. Eine rechtswidrige Weigerung, die Arbeitsleistung zu erbringen würde zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber berechtigen. Durch Streikmaßnahmen können aber auch Straftatbestände wie Nötigung erfüllt werden. Das BAG hält einen rechtswidrigen Streik außerdem für einen unzulässigen Eingriff in den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ eines bestreikten Unternehmens. Das kann erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen, wenn eine Kampfmaßnahme in unserer Rechtsordnung nicht erlaubt ist. Für streikende Beschäftigte ist deshalb sehr wichtig, inwieweit die Rechtsprechung Arbeitskampfmaßnahmen für rechtmäßig oder rechtswidrig hält.
Das BAG hält Arbeitskämpfe dann für rechtmäßig, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:
- Der Arbeitskampf ist das letztes mögliche Mittel zum Erreichen der Ziele („Ultima Ratio-Prinzip“)
- Die Arbeitskampfmaßnahmen werden von Gewerkschaften eingeleitet und durchgeführt,
- Die Arbeitskampfmaßnahmen dienen der Erreichung rechtmäßiger Kampfziele, also tarifvertraglich regelbarer Ziele
- Die Arbeitskampfmaßnahmen sind für den nachfolgenden Arbeitsfrieden geeignet und sachlich erforderlich (Verhältnismäßigkeitsprinzip).
- Die Friedenspflicht wird nicht verletzt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält die Rechtsprechung des BAG für verfassungsgemäß. Insbesondere stellt die Beschränkung des Streikrechts durch die Rechtsprechung nach Auffassung des BVerfG keinen Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit dar. Auch im Fehlen gesetzlicher Regelungen sah das BVerfG kein Problem. Bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben müssten die Gerichte das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich seien.
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85
Damit ist ein legaler Streik in Deutschland im Grunde begrenzt auf die Unterstützung der Gewerkschaft bei der Verhandlung von tariflichen Abschlüssen. Das schließt aber nicht nur den politischen Streik aus, sondern auch den Streik von Beschäftigtengruppen, deren Arbeitsbedingungen nicht durch Tarifverträge geregelt ist. Ein Beispiel dafür sind Beamtinnen und Beamte, die nicht einmal Arbeitsverträge haben, sondern deren Arbeitsbedingungen durch Gesetz geregelt sind.
Unser Land hat sich indessen in internationalen Verträgen verpflichtet, grundlegende Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu beachten und zu wahren. Die Europäische Sozialcharta (ESC) von 1965 ist für die Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel ein verbindlicher völkerrechtlicher Vertrag. In Artikel 6 ESC ist unter anderem das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Fall von Interessenkonflikten geregelt. Hier findet sich die Beschränkung auf Tarifverhandlungen also nicht. Interessenkonflikte können auch bestehen außerhalb dessen, was tarifvertraglich regelbar ist.
Die BRD hat sich zudem völkerrechtlich verpflichtet, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) umzusetzen, die ebenfalls Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte garantieren. Außerdem ist Deutschland auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zur Gewährung grundsätzlicher Freiheitsrechte gebunden. Gemäß Artikel 11 Absatz 2 EMRK darf die Ausübung des Streikrechts nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind
- für die nationale oder öffentliche Sicherheit,
- zur Aufrechterhaltung der Ordnung,
- zur Verhütung von Straftaten,
- zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder
- zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Eine Beschränkung auf tarifvertraglich regelbare Ziele findet sich in keiner dieser Vereinbarungen. Dementsprechend gehört die Bundesrepublik auch zu wenigen Ländern innerhalb der Europäischen Union, die einen politischen Streik für illegal halten. Das betrifft ansonsten nur noch Österreich und England. In verschiedenen anderen Ländern wie etwa Frankreich werden politische Streiks jedenfalls dann geduldet, wenn sie die Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen betreffen.
Die deutschen Gerichte müssen bei der Auslegung deutschen Rechts die internationalen Übereinkommen beachten. Es stellt deshalb durchaus einen Verstoß gegen Sinn und Zweck dieser Übereinkommen dar, wenn das Recht zum Streik nur in Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen beschränkt wird. Der Interessenskonflikt zwischen Kapital und Arbeit zeigt sich weder allein im konkreten Arbeitsverhältnis noch dort lediglich in Bezug auf Tarifverträgen. Er besteht vielmehr darin, dass zwischen den Interessen der Arbeitgeber auf Gewinnmaximierung und den Interessen der Arbeitnehmer an einen krisenfesten Arbeitsplatz, der ihm eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft garantiert, ein kaum zu lösender Widerspruch besteht.
Ganz besonders deutlich wird das in Zeiten, in denen es die Politik weniger darauf ankommt, mit sozialstaatlichen Mitteln einen Interessensausgleich zu schaffen, als auf die „Reaktion der Märkte“. Der DAX ist wichtiger als soziale Gerechtigkeit. Politische Entscheidungen werden von den Entscheidungsträgern als „alternativlos“ bezeichnet, weil die Kapitalmärkte bei anderen Entscheidungen verrücktspielen würden. Wobei zu fragen wäre, aus welchem Grund wir dann noch politische Entscheidungsträger brauchen.
Es überzeugt auch nicht, wenn dem politischen Streik entgegengehalten wird, er würde die „Macht der Straße“ beflügeln und in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen in der Weimarer Republik verwiesen wird. Der politische Streik, gewerkschaftlich organisiert, hat wenig mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen jener Zeit zu tun. Er kann vielmehr ein Gegengewicht gegen die „Reaktion der Märkte“ auf Seiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.
Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Die Vorschrift schützt ausdrücklich Arbeitskämpfe, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dieser Vereinigungen geführt werden. Auch unsere Verfassung sieht also keine Beschränkung auf das konkrete Arbeitsverhältnis und Tarifvertragsbezogenheit vor. Zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zählen schließlich auch gesetzliche Regeln.
In Nr. 82 des Berichts des Regierungsausschusses der Europäischen Sozialcharta (ESC XIII-4) an das Ministerkomitee des Europarats werden denn auch Bedenken geäußert, ob die Beschränkung der Streikziele auf tarifvertraglich regelbare Ziele der Charta entspricht.
Eine weitere Beschränkung der Streikziele gibt es indessen nicht. Das gilt auch für Ziele, die auf einen gewöhnlich durch eine Betriebsvereinbarung geregelten Anspruch gerichtet sind. Den Koalitionen steht im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie bei der Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Ausübung der Tarifautonomie setzen insoweit lediglich der Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 GG und die Diskriminierungsverbote des Artikel 3 Absatz 2, 3 GG Grenzen. In Tarifverträgen darf also nichts geregelt werden, was etwa Männer und Frauen ungleich behandelt. Zudem verbietet das Grundgesetz die Benachteiligung oder Bevorzugung eines Menschen wegen des Geschlechtes, sexuellen Orientierung, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen.
Im Übrigen kann ein Tarifvertrag alles regeln, was gemäß § 1 Absatz 1 TVG an Regelungen insoweit zulässt. Danach kann ein Tarifvertrag Rechtsnormen enthalten, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. Das BAG hat das für Abfindungsregelungen in diesem Sinne auch entschieden. Diese betreffen ja die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Betriebsparteien eine solche Regelung zuweist. Das BetrVG enthält zwar die Vorschrift, dass durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt werden kann, was üblicherweise durch einen Tarifvertrag geregelt wird. Umgekehrt gibt es aber für Tarifverträge weder im TVG noch im BetrVG ein Verbot, Dinge zu regeln, die üblicherweise zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ausgehandelt werden.
Friedenspflicht bezeichnet die Pflicht der Tarifvertragsparteien, innerhalb einer bestimmten Frist keine Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen. Es gibt nach deutschem Recht keine absolute Friedenspflicht, weil das ja jeden Arbeitskampf ausschließen würde. Sie unterliegt vielmehr der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien. Sie kann für den jeweiligen Tarifvertrag ausdrücklich vereinbart werden. Ist insoweit im jeweiligen Tarifvertrag nichts geregelt, ist jedenfalls während der Laufzeit des Tarifvertrages jede Arbeitskampfmaßnahme untersagt, die den Regelungsinhalt des Tarifvertrages betrifft. Will die Gewerkschaft Forderungen durchsetzen, die noch nicht tariflich geregelt sind, ist die Friedenspflicht nicht betroffen. Insgesamt rechtswidrig sind aber Arbeitskampfmaßnahmen, wenn sie auch nur teilweise der Friedenspflicht unterliegende Regelungen betreffen.
Die Friedenspflicht gilt im Übrigen auch, wenn über einen Haustarifvertrag verhandelt wird, während Bindung an einem Flächentarifvertrag besteht. Der verbandsangehörige Arbeitgeber ist nach Auffassung des BAG durch die sich aus den Verbandstarifverträgen ergebende Friedenspflicht gegen die streikweise Inanspruchnahme auf den Abschluss von Firmentarifverträgen über dieselbe Regelungsmaterie geschützt. Das gilt aber nur, wenn mit dem Haustarifvertrag dieselben Dinge geregelt werden sollen wie mit dem Verbandstarifvertrag.
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. 12. 2002 - 1 AZR 96/02
Nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Streiks ist eine Urabstimmung. Es ist Sache der Gewerkschaft, inwieweit sie die erfolgreiche Urabstimmung zur Bedingung für die Durchführung eines Streiks macht. Für sogenannte „Erzwingungsstreiks“ sehen die gewerkschaftlichen Satzungen in der Regel eine qualifizierte Mehrheit für den Streik in Höhe von 2/3 der Stimmen vor.
Ein Streik beendet das Arbeitsverhältnis nicht. Es besteht vielmehr uneingeschränkt fort. Die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen aber. Sie werden suspendiert, wie es in der Rechtsprechung ausgedrückt wird. Die Arbeitnehmer sind von der Pflicht befreit, ihre Arbeitsleistung anzubieten. Der Arbeitgeber muss für die Dauer des Streiks kein Arbeitsentgelt zahlen.
Wegen des Streiks darf auch kein Arbeitsverhältnis gekündigt werden. Es gilt das normaler Kündigungsschutzrecht. Da die Beschäftigten während des Streiks nicht zur Arbeit verpflichtet sind, kann der Arbeitgeber ihnen insbesondere auch keine Arbeitsverweigerung vorwerfen.
Auch das sogenannte „sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnis“ wird nicht durch den Streik unterbrochen, was für einen späteren Arbeitslosengeldanspruch von Bedeutung sein kann.
Streiken dürfen grundsätzlich alle Beschäftigten des bestreikten Betriebes, die unter den Regelungsbereich des Tarifvertrages fallen. Dazu gehören in der Regel auch Beschäftigte, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind.
Außertarifliche Angestellte (AT-Angestellte) können sich ebenfalls beteiligen und auch Streikbrechertätigkeiten, also die Übernahme von Arbeiten streikender Kollegen, verweigern.
Leiharbeitnehmer darf der Arbeitgeber nicht für Tätigkeiten einsetzen, die ein streikender Arbeitnehmer normalerweise verrichtet. Aber auch darüber hinaus haben Leiharbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 11 Absatz 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), wenn in ihrem Einsatzbetrieb gestreikt wird. Der Leiharbeitnehmer muss allerdings seinem Entleiher mitteilen, dass er während des Streiks von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht.
Ungeklärt ist, ob sich Beschäftigte, die im bestreikten Betrieb mit Werk- oder Dienstleistungsverträgen an einem Streik beteiligen können. Denkbar wäre hier allein ein Unterstützungsstreik, zu dem aber aufgerufen werden müsste. Betroffene sollten sich nicht ohne vorherige Beratung mit der Gewerkschaft am Streik beteiligen.
Eine besondere Gruppe stellen die Auszubildenden dar. Gerade vor einer Prüfung könnte ein Streik das Ausbildungsziel gefährden. Deshalb wird bei längeren Streiks dafür gesorgt werden müssen, Notdienste einzurichten, damit genügend Ausbilder breitstehen. Grundsätzlich dürfen Auszubildende jedenfalls dann zu kurzfristigen Streiks aufgefordert werden, wenn in Tarifverhandlungen Forderungen der Gewerkschaft nach verbesserten Ausbildungsbedingungen verhandelt werden. Das wird bei Tarifverträgen, in denen es um eine höhere Vergütung geht, stets der Fall sein.
Auch Mitglieder des Betriebsrates dürfen sich am Streik beteiligen. § 74 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verbietet zwar Arbeitskämpfe zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Der Betriebsrat als Institution darf daher keinen Streikaufruf verfassen und ansonsten zu Arbeitskämpfen auffordern. In ihrer Eigenschaft als Beschäftigte und Gewerkschaftsmitglieder dürfen sie sich die Betriebsratsmitglieder aber an rechtmäßigen Arbeitskämpfen von Gewerkschaften beteiligen.
Auch wenn der Streik als solcher erlaubt ist, gibt es Aktionen, die verboten sein können. Glücklicherweise führen einzelne nicht erlaubte Maßnahmen nicht zur Unrechtmäßigkeit des Streiks als solchen. Aber auch einzelne Streikmaßnahmen müssen verhältnismäßig sein.
Verboten sind nach der Rechtsprechung Betriebsblockarden, mit denen Streikbrechern, Zulieferern und Handwerkern der Zutritt zum Betrieb verweigert werden soll. Die Rechtsprechung sieht darin einen nicht erlaubten Eingriff in den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ des Arbeitgebers. Dahinter steckt auch die Auffassung, dass es Sache der Gewerkschaft ist, für den nötigen Mobilisierungsgrad zu sorgen und es dem Arbeitgeber andersherum erlaubt ist, möglichst viele Beschäftigte zur Weiterarbeit zu bewegen, wenn er dabei keine unerlaubten Mittel einsetzt. Zudem stellen solche Blockarden auch einen Eingriff in die Freiheitsrechte derjenigen dar, die in den Betrieb wollen.
Erlaubt ist der Gewerkschaft allerdings, Streikunwillige davon zu überzeugen, dass es auch in ihrem eigenen Interesse ist, sich am Arbeitskampf zu beteiligen. In diesem Zusammenhang erlaubt die Rechtsprechung Zugangsbehinderungen zum Betrieb. Diese sollen allerdings nur dann angemessen sein, wenn sie nicht „einer Blockade gleichkommen“. Eine fünfzehnminütige Behinderung wird insoweit noch für verhältnismäßig gehalten. Sie soll ausreichen, um Streikunwillige aufzuhalten und anzusprechen, um Druck auszuüben und nicht nur passiv zu verharren.
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 06. Februar 2013 – 5 SaGa 1/12
Der Arbeitgeber muss auch Maßnahmen dulden, die auf dem Betriebsgelände, etwa auf dem Firmenparkplatz im Rahmen des Streiks stattfinden. Zwar hat der Arbeitgeber ein nach Art. 13 GG geschütztes Hausrecht und kann grundsätzlich entscheiden, wer den Parkplatz betreten darf. Im Wege der Abwägung zwischen dem Recht zum Arbeitskampf und dem Hausrecht sowie der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf aber nicht nur auf die Ausübung des abstrakten Hausrechts geblickt werden, das beim Betreten der PKW-Parkplätze nur formal verletzt wird.
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2016 – 2 SaGa 1/15
Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gewerkschaft angesichts der örtlichen Verhältnisse mit der Belegschaft nur auf dem Parkplatz kommunizieren und arbeitswillige Mitarbeiter zur Teilnahme an dem Arbeitskampf auffordern kann. Die betriebliche Tätigkeit wird hierdurch nicht beeinträchtigt und es müssen keine weiteren Betriebsmittel zur Unterstützung des Arbeitskampfes zur Verfügung gestellt werden.
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2017 – 24 Sa 979/16
Nicht erlaubt ist auch die Begehung von Straftaten wie Körperverletzung, Beleidigung oder Nötigung. Streikbrechen ist zwar eine ziemlich unsolidarische Handlung. Unerlaubt ist es allerdings nicht. Andersherum kann man sich auch nicht auf Nothilfe oder gar Notwehr berufen, wenn man einen Streikbrecher gewaltsam daran hindern will, den Betrieb zu betreten.
Warnstreiks und Erzwingungsstreiks
Warnstreiks sind kurze und zeitlich befristete Streiks mit dem Ziel, gewerkschaftlichen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Von einem Erzwingungsstreik unterscheiden sich Warnstreiks dadurch, dass ihnen kein endgültiges Scheitern der Verhandlungen und keine Urabstimmung vorausgegangen sind. Während der Erzwingungsstreik einen Tarifvertrag erzwingen soll, soll mit Warnstreiks lediglich die allgemeine Streikbereitschaft deutlich gemacht werden.
Dabei ist die Wahl der Streikform insoweit eher eine taktische Frage. Juristisch gibt es zwischen diesen Streiks keinen Unterschied. Mit der Entscheidung vom 21. Juni 1988 hat das BAG deutlich gemacht, dass Warnstreiks nicht privilegiert sind. Insbesondere gilt für sie auch das „Ultima-Ratio-Prinzip“, also der Grundsatz vom Streik als das letzte Mittel. Die Dauer der einzelnen Arbeitsniederlegungen, deren Häufigkeit in den einzelnen Betrieben oder die Höhe des durch Warnstreiks verursachten Schadens sind nach Auffassung des BAG keine verlässlichen Abgrenzungsmerkmale zwischen Warn- und Erzwingungsstreik. Ein kurzer Flächenstreik könne sogar zu einem geringeren Schaden führen als eine sich über längere Zeit hinziehende Warnstreikaktion. Zudem demonstriere ein Warnstreik nicht nur Kampfbereitschaft, sondern sei selbst schon Arbeitskampf. Es würde ja bereits konkreter ökonomischer Druck auf die Arbeitgeber ausgeübt.
Das „Ultima-Ratio-Prinzip“ ist bei Warnstreiks in der Regel dennoch gewahrt. Arbeitskampfmaßnahmen sind gemäß der Rechtsprechung des BAG nicht erst dann zulässig, wenn das Scheitern der Tarifvertragsverhandlungen "offiziell" erklärt oder festgestellt worden ist. Auf eine fortbestehende Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft der Tarifvertragsparteien kommt es nicht an. Die Tarifvertragsparteien können vielmehr selbst frei darüber bestimmen, wann die Verhandlungen gescheitert sind. Diejenige Tarifvertragspartei, die zu Arbeitskampfmaßnahmen greift, gibt damit gleichzeitig zu erkennen, dass sie die Verhandlungsmöglichkeiten für ausgeschöpft hält und keine Möglichkeit sieht, ohne den Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen noch zu einer Einigung zu kommen. Überhaupt keine Rolle spielt, ob diese Einschätzung zutreffend ist. Das würde nämlich zu der materiellen Prüfung führen, ob noch Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft besteht. Eine derartige Prüfung ist den Gerichten aber weder möglich noch steht sie ihnen zu.
- Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 21. Juni 1988 – 1 AZR 651/86 –, BAGE 58, 364-394
Aus gewerkschaftlicher Sicht stellen Warnstreiks dagegen eine eigenständige Kampfmaßnahme dar, die zudem einen Prüfstein für die Mobilisierungsfähigkeit bilden. Sie sind kein Ersatz für einen Erzwingungsstreik.
Solidaritätsstreiks bzw. Unterstützungsstreiks
Um einen Solidaritätsstreik oder Unterstützungsstreik handelt es sich, wenn in einem Tarifgebiet zur Unterstützung der Tarifforderungen in einem anderen Tarifgebiet gestreikt wird. Das BAG hat das für grundsätzlich zulässig gehalten, wenn der Streik die die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Das Grundrecht schütze alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Es überlasse deshalb den Koalitionen die Wahl der Mittel, mit denen sie die Regelung von Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge erreichen wollten. Zu diesen Mitteln gehöre auch der Unterstützungsstreik. Seine Zulässigkeit richte sich – wie bei anderen Arbeitskampfmaßnahmen – nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er sei daher rechtswidrig, wenn er zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfs offensichtlich ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen sei.
Nicht maßgeblich ist hingegen, ob hinsichtlich des eigenen Tarifvertrages noch Friedenspflicht besteht.
Eine generelle Beschränkung von Streiks auf das Tarifgebiet wäre auch mit der Streikgarantie des Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC schwerlich vereinbar. So sieht es auch das BAG und führt aus, wenn nach der Meinung des Sachverständigenausschusses und des Ministerkomitees des Europarats bereits das Verbot aller nicht auf den Abschluss eines Tarifvertrags gerichteten Streiks Bedenken begegneten, gälte dies erst recht für Streiks, die der Durchsetzung eines Tarifvertrags in einem anderen Tarifgebiet dienten.
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2007 – 1 AZR 396/06
Partizipationsstreiks
Der Partizipationsstreik ist ein Streik, der sich gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber richtet. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er zwar keinem Arbeitgeberverband angehört, trotzdem aber kein unbeteiligter Dritter ist. Merkmal und Wirksamkeitsvoraussetzung eines Partizipationsstreiks ist, dass beim Außenseiter die Übernahme des umkämpften Verbandstarifvertrags rechtlich gesichert ist. Diese Anforderung ist dann erfüllt, wenn ein mit dem Außenseiter vereinbarter Firmentarifvertrag auf näher bezeichnete Verbandstarifverträge dynamisch verweist. Im Firmentarifvertrag ist in einem solchen Fall etwa vereinbart, dass der Verbandstarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet. Der Arbeitgeber hat auf ein eigenständiges Aushandeln der Arbeitsbedingungen verzichtet und übernimmt stattdessen das durch den Arbeitgeberverband ausgehandelte Ergebnis.
Ein Streik gegen einen solchen Arbeitgeber ist rechtlich in Ordnung, wenn hinsichtlich des Verbandstarifvertrages die Voraussetzungen für einen Streik gegeben sind. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden.
Nicht ausreichend ist allerdings, dass der Außenseiter lediglich faktisch am Ergebnis eines Verbandsarbeitskampfes mehr oder weniger wahrscheinlich teilhat, er also nicht rechtlich insoweit gebunden ist.
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Juni 2012 – 1 AZR 775/10