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Der fröhliche Rassismus des Herrn Zuck.

Eine juristische Fachzeitschrift hat den Aufsatz eines ehemaligen Rechtsanwalts mit eindeutig rassistischen Aussagen veröffentlicht. Das hat einen Sturm der Entrüstung auf allen digitalen Kanälen ausgelöst. Die Redaktion hat sich inzwischen zwar entschuldigt. Was bleibt ist aber das ungute Gefühl, dass Rassismus langsam wieder gesellschaftsfähig wird.

 Eine juristische Fachzeitschrift hat den Aufsatz eines ehemaligen Rechtsanwalts mit eindeutig rassistischen Aussagen veröffentlicht. © Kampagne - Hand in Hand gegen Rassismus
 http://hand-in-hand-gegen-rassismus.de/home/
Eine juristische Fachzeitschrift hat den Aufsatz eines ehemaligen Rechtsanwalts mit eindeutig rassistischen Aussagen veröffentlicht. © Kampagne - Hand in Hand gegen Rassismus http://hand-in-hand-gegen-rassismus.de/home/

Es gibt arbeitsrechtliche Fachzeitschriften, die eher „links“ sind und sich vorrangig um die Interessen der abhängig Beschäftigten kümmern. Und dann gibt es solche, die eher konservativ ausgerichtet sind und die nicht unbedingt gewerkschaftlich orientierte Artikel veröffentlichen. Zur letzteren Kategorie gehört die „Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht“ (NZA).

Auch Betriebsratsmitglieder sind von Rassismus nicht gefeit

Sie ist aber ein wichtiges Organ, das auch wir gewerkschaftlich orientierte Jurist*innen lesen. Die NZA steht auch fest auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates und würde „geistigen Brandstiftern“ aus dem rechten Spektrum keine Plattform bieten, so dachten wir bis zur dritten Ausgabe 2021. 

In dieser Ausgabe kommentierte ein ehemaliger Rechtsanwalt aus Stuttgart eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).  Das Gericht hatte die Verfassungsbeschwerde eines Betriebsratsmitgliedes nicht zur Entscheidung angenommen. Er hatte in einer ordentlichen Betriebsratssitzung ein weiteres Betriebsratsmitglied im Rahmen einer Auseinandersetzung über den Umgang mit einem EDV-System mit den Affenlauten "Ugah, Ugah" betitelt. Unter anderem aufgrund dieses Vorfalls erhielt er die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Hiergegen ging er gerichtlich vor.

Vor den Arbeitsgerichten haben Rassisten keine Chance

In sämtlichen Instanzen unterlag er indessen. Wir hatten darüber berichtet:

Das BVerfG ist zu der Auffassung gelangt, dass die Arbeitsgerichte eindeutig und zweifelsfrei verfassungsrechtlich korrekt entschieden hätten. Der Arbeitgeber habe dem Betriebsratsmitglied kündigen dürfen.

Auch über die Entscheidung des BVerfG hatten wir berichtet:

Die Entscheidungen erzürnten indessen jenen Stuttgarter Anwalt, einen gewissen Herrn Professor Dr. Rüdiger Zuck, von 1979 bis 1990 Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins und Mitglied im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Ein honoriger Herr, sollte man meinen. Dachte auch wohl die NZA und winkte einen Aufsatz durch, der rassistische Auffassungen offenbarte, die dem rechten Flügel der AFD alle Ehre gemacht hätte. Auch wenn Herr Zuck wohl glaubte, eine Satire zu schreiben.

Herrn Zuck können rassistische Äußerungen in Sportarenen gar nicht entgangen sein

Eher harmlos, aber im Kontext der Entscheidung unerheblich war die Belehrung des Autors, Affen würden gar keine Äußerungen von der Qualität des „Miao“ einer Katze von sich geben, insbesondere kein "Ugah, Ugah". Dass es darauf für die Beurteilung, ob die Äußerung beleidigend oder rassistisch war, gar nicht ankommt, ist ihm nicht aufgefallen. 

Eine Beleidigung ist eine Äußerung, mit der ein Mensch missachtet oder nicht geachtet wird. Der Täter muss zudem erkennen, dass er einen anderen beleidigt, und die hiermit verbundene Herabsetzung als Folge seines Handelns billigend in Kauf nehmen. Herrn Zuck kann gar nicht entgangen sein, dass insbesondere in Sportstadien in den letzten Jahrzehnten rassistische Krakeeler farbige Athleten mit Bananen beworfen hatten und ihnen eben jenes "Ugah, Ugah" zuriefen, wobei viele -der Krakeeler -- auch noch Affenmasken trugen. 

Spot ist ein Stilmittel, mit dem häufig Verachtung ausgedrückt wird

Das dem Herrn Professor dieser Umstand sicherlich bekannt war, offenbart er in einem Absatz, indem es jetzt richtig rassistisch wird:

„Wenn der mit einer weißen Frau verheiratete Farbige beim Frühstück für seinen Obstsalat nach weiteren Bananen ruft, und die Ehefrau darauf „Ugah Ugah" sagt, dann ist das eben in diesem Zusammenhang nicht mehr als harmloser Spott"

Einmal abgesehen davon, dass wir uns kaum vorstellen können, dass einer mit einem farbigen Menschen verheiratete Frau mit weißer Hautfarbe so etwas äußert: Spot ist ein Stilmittel, mit dem sich jemand mit Absicht über einen anderen Menschen oder eine Menschengruppe lustig macht. In der alltäglichen Verwendung ist er zumeist Ausdruck von Verachtung, auch wenn er vordergründig scherzhaft gemeint ist. Im Kontext der Geschehnisse in den Sportarenen ist der Ausdruck auch in diesem Beispiel nichts anderes als rassistisch.

Herr Zuck meint, dass „das Andersartige“ wird uns erhalten bleiben wird

Herr Zuck begnügte sich aber nicht damit, die von ihm nicht geteilte Rechtsauffassung der Gerichte zu kritisieren. Er legte gleich noch einen darauf und zeigte deutlich, wes Geistes Kind er ist: die Bundesregierung plant, dem Bundestag den Vorschlag zu machen, den Begriff „Rasse“ aus Artikel 3 GG zu streichen. Das hält Herr Zuck wohl für überflüssig und erklärt wörtlich:

„Aber Rasse hin oder her, das Andersartige wird uns erhalten bleiben, und nicht nur bei fremden Kulturen und unterschiedlichen Religionen. Wir stören uns weiterhin an anderen Körpermerkmalen wie etwa an wulstigen Lippen bei Afrikanern oder die den Chinesen zugeordneten Schlitzaugen."

Der genetische Code des Menschen bestimmt keine Rassen

Mehr Rassismus geht in so wenigen Sätzen kaum. Es ist schon verblüffend, dass jemand, der vorgibt Jurist zu sein und dazu noch promoviert hat, nicht einmal von wissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte Notiz nimmt, wenn er sich zu einem Thema meint äußern zu müssen: 

Der genetische Code des Menschen bestimmt keine Rassen, wie spätestens seit 2007 feststeht, als das menschliche Genom vollständig entschlüsselt wurde. 

Ein Ausdruck wie „Rasse hin oder her, das Andersartige wird uns erhalten bleiben“ stellt keine Meinung dar, sondern verkennt, dass das Konzept der „Rasse“ oder der „Ethnie“ beim Menschen etwas von Anfang an Politisches war: es diente stets dazu auszugrenzen und Herrschaft zu legitimieren. Wer die Existenz von etwas „Andersartigen“ in Bezug auf Menschen behauptet, kolportiert falsche Tatsachen und kann sich nicht auf Artikel 5 Absatz 1 GG berufen.

Auch Ernährungsgewohnheiten sind kein Indiz für „Andersartig“

Auch über andere Ernährungsgewohnheiten würden wir uns nach Meinung des Professors aufregen. Als nach dem Zweiten Weltkrieg Gastarbeiter nach Deutschland gekommen seien, seien ganze Bevölkerungsgruppen als Knoblauch(fr)esser diffamiert worden. 

Mir ist nicht bekannt, welche Essgewohnheiten Herr Zuck hat. Was er mit dem Hinweis darauf sagen will, erschließt sich nicht. Mir haben Pizza, Döner und Calamares von Anfang an geschmeckt. An Spätzle musste ich mich erst gewöhnen und den Pfälzer Saumagen werde ich mein Leben lang nicht anrühren. Und auch nicht den Bremer Kipp, eine in Norddeutschland beliebte fettige Grützwurst. Trotzdem rege ich mich weder über Saumagen noch Knipp auf.

Kleider machen Leute, meint Herr Zuck

Auch Kleidung würde nach Auffassung des umtriebigen Professors zu Streit führen:

"Das geschieht zwar nicht beim harmlosen schottischen Kilt, wohl aber bei der Verschleierung einer Muslima"

Leider gibt er nur zwei Beispiele. Was ist mit der bayerischen Krachledernen oder dem Tiroler Hut? Streiten wir uns über die in Hamburg beliebte „Prinz-Heinrich-Mütze“ oder den „Ostfriesennerz“? Oder das Kopftuch meiner Großmutter? Der Streit über die „Verschleierung einer Muslima“ hat hintergründig auch nichts mit Kleidung zu tun, sondern ist ein politischer Streit. Und ob etwa Richter*innen nicht doch befremdet wären, wenn Herr Rechtsanwalt Zuck einen Gerichtstermin in einem „harmlosen schottischen Kilt“ wahrnimmt, lassen wir einmal dahinstehen. 

Dass unterschiedliche Kleidung gelegentlich zu Streit führt, mag schon stimmen. Eltern streiten gerne mit ihren Kindern darüber, ob etwa Jogginghosen für den Kirchgang passend sind. Ein Ausdruck von „Andersartigkeit“ ist Kleidung jedenfalls nicht. Eher ein Ausdruck von Individualität.

Folgende Sätze des Herrn Zuck lassen wir unkommentiert, sie stehen für sich:

"Tierrassen mit ihren züchterischen Reinheitsgeboten sind bislang unbeanstandet geblieben. Es wird auch lange dauern, bis wir alle unsere Kinderbücher von Negern gereinigt haben."

Von Vernunft zeugen die Ausführungen des Herrn Zuck gerade nicht

Insgesamt hätte, so meint Herr Zuck zum Schluss, die aufgeheizte Rassismus-Debatte etwas mehr Vernunft und deutlich mehr Gelassenheit verdient. 

Gelassenheit produzieren seine Äußerungen nun wahrlich nicht. Und von Vernunft zeugen sie noch viel weniger. Vielmehr weisen Ausdrücke wie „wulstigen Lippen bei Afrikanern“ und „Schlitzaugen bei Chinesen“ eine Grundhaltung aus, von der wir glaubten, sie liege endlich auf dem Friedhof völkischen und deutschnationalen Ungeistes begraben. Leider werden wir in den letzten Jahren eines Schlechteren belehrt. Der Ungeist steckt nicht mehr nur in den Köpfen Unverbesserlicher, sondern hat sich wieder in die Mitte der Gesellschaft geschlichen, wovon die Wahlergebnisse der AfD Zeugnis geben.

Immerhin entschuldigt hat sich die Redaktion der NZA inzwischen

Wir wollen jetzt nicht unterstellen, dass die NZA von diesem Ungeist befallen ist. Die Redaktion hat sich inzwischen auch für den Beitrag entschuldigt: 

„Wir wollten aber gerade nicht sagen, der Kommentar von Zuck stehe auf dem Boden von Wissenschaftlichkeit und Meinungsfreiheit. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben es nicht rechtzeitig erkannt. …… Wir wollten und wollen bieten. Die Veröffentlichung eines solchen Beitrags darf einer juristischen Fachzeitschrift nicht passieren! Aber es ist passiert – und zwar ausgerechnet uns! Wir können es uns selbst nicht erklären, wie es dazu kommen konnte. Hierfür gibt es keine Rechtfertigung und wir können es nicht ungeschehen machen. Wir bitten alle Betroffenen, unsere Abonnent*innen und Leser*innen aufrichtig um Entschuldigung.“

Es ist aber seltsam, dass der Kommentar des Herrn Zuck abgedruckt worden ist, vermutlich ohne dass ihn ein Redakteur überhaupt gelesen hat. Erstaunlich ist auch, dass dem Lektorat nichts aufgefallen ist. 

Wir teilen aber die Auffassung der Redaktion, dass Rassisten und Rassismus keine Plattform geboten werden darf. Und zwar in keiner Ausprägung. Auch nicht in Gestalt der „moderneren“ Variante, die von „ethnischen Gruppen“ spricht, die sich nicht vermischen dürften. Rassismus ist keine Meinung und die dargestellten Kommentare des Herrn Zuck sind nicht durch die Meinungsfreiheit gestützt. 

Rassistische Äußerungen sind nicht durch Artikel 5 geschützt

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, ein Grundrecht, dass Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) jedem Menschen gewährt. Es ist, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont hat, eines der vornehmsten Grundrechte überhaupt.

Das Recht ist aber nicht schrankenlos. Es ist vielmehr begrenzt durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. 

Dem „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ steht eine eindeutige Schranke gegenüber. Und das ist die Würde des Menschen, die gemäß Artikel 1 GG unantastbar ist und die alle staatliche Gewalt achten und schützen muss. Das war den Müttern und Vätern des Grundgesetzes so wichtig, dass sie dieses Grundrecht mit der „Ewigkeitsgarantie“ versehen haben: Artikel 79 Absatz 3 GG verbietet, es auch nur zu „berühren“. 

Eine Wurzel des Übels Faschismus lag darin, Menschen in verschiedene Kategorien einzuteilen und ihnen unterschiedliche Werte zuzuweisen

Das Grundrecht Würde steht in keiner praktischen Konkordanz zu anderen Grundrechten. Selbst einstimmig könnte der Bundestag auch bei ebenfalls einstimmiger Zustimmung des Bundesrates den Grundsatz der Menschenwürde in irgendeiner Weise relativieren. Das BVerfG hat bereits in seinem „Elfes-Urteil“ von 1957 betont, dass Art. 1 GG zu den tragenden Konstitutionsprinzipien gehört, die alle Bestimmungen des Grundgesetzes beherrschen.

Die Freiheit, seine Meinung frei öffentlich zu äußern, hört jedenfalls dann auf, wenn sie anderen Menschen oder Menschengruppen die Würde raubt. Wenn sie dazu dient Menschen zu reinen Objekten zu degradieren und ihnen im Grunde das Menschsein abspricht. Das war eine Lehre aus den fürchterlichen Jahren des Faschismus, aus Holocaust und Vernichtungskriegen.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten erkannt, dass eine Wurzel des Übels darin lag, Menschen in verschiedene Kategorien einzuteilen und ihnen unterschiedliche Werte zuzuweisen. Das sollte nie wieder möglich sein. Niemand sollte sich das Recht herausnehmen, andere Menschen herabzuwürdigen oder zu beleidigen. 

„Rasse“ und „Andersartig“ in Bezug auf Menschen war stets ein politisches Konzept 

Rassisten geht es auch nicht nur darum, eine Auffassung zu äußern. Rassisten geht es um Ausgrenzung. Dabei war „Rasse“ in Bezug auf Menschen stets ein politisches Konzept. Es hat niemals einen wissenschaftlichen Nachweis gegeben, dass es unterschiedliche Menschenrassen gibt. Mehr noch: es gibt keine biologischen „Andersartigen“, von denen Herr Zuck spricht. 

Es gibt kleine, große, dicke, dünne Menschen und Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe. Und alle sind sie hervorgegangen aus einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich vor rund 65.000 Jahren von Afrika aus auf dem Weg machte und die ganze Welt besiedelte.

Rassismus ist ein Gift, das auch von geistigen Brandstiftern wie Herrn Zuck versprüht wird.

Vor etwa 45.000 Jahren kamen die ersten „homo sapiens“ nach Europa, das fortan immer eine Region der Migration und der Inklusion war. Das, was wir als deutsche Eigenarten verstehen, ist beeinflusst insbesondere von Migrationsbewegungen, die mit unterschiedlicher Intensität in Mitteleuropa immer schon stattgefunden haben, ob mit der sogenannten „Völkerwanderung“ oder die massenhaften Einwanderungen nach Deutschland im Zuge der Industrialisierung, insbesondere aus Osteuropa.

Dem Ungeist, der durch Aufsätze wie dem des Herrn Zuck im dritten Heft der NZA 2021 verbreitet wird, müssen wir entschieden entgegentreten. Rassismus ist ein Gift, das auch von geistigen Brandstiftern wie Herrn Zuck verbreitet wird. 

Zur Vertiefung insbesondere des Themas „Meinungsfreiheit und ihre Grenzen“ schlagen wir folgende unserer Artikel vor:

Hans-Martin Wischnath, Online-Redakteur
Autor*in:
Hans-Martin Wischnath
Rechtsschutzsekretär und Online-Redakteur
Frankfurt am Main