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ver.di-Bundeskongress 2015: Menschen sind bunt und nicht braun

Unter dem Motto Stärke. Vielfalt. Zukunft wurde der 4. ver.di Bundeskongress in Leipzig eröffnet. Zum Thema sprach auch die Kanzlerin.

Unter dem Motto Stärke. Vielfalt. Zukunft wurde der 4. ver.di Bundeskongress in Leipzig eröffnet. Zum Thema sprach auch die Kanzlerin.


Die musikalische Eröffnung am 20.9.15 gestaltete der Jugendchor St. Stephan in Köln mit schwungvollen Liedern gegen Fremdenfeindlichkeit. Das Lied „bunt nicht braun“ griff Frank Bsirske, der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di in seinen Einführungsworten auf. Bunt zu sein, kennzeichnet auch unsere Gewerkschaft, die aus 5 Gewerkschaften zusammengewachsen ist und seit dem Gründungskongress vor 15 Jahren um 1 Mio. Mitglieder gewachsen ist. Wir sind eine „Mitmach-Gewerkschaft“, die diskussionsfreudig, politisch und weiblich ist. Darauf können wir stolz sein, sagte er unter dem Beifall der Delegierten. 

An ver.di kommt man nicht vorbei

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Bsirske und der Vorsitzenden des Gewerkschaftsrats Monika Brandl sprach eine durch den Chor in Schwung gebrachte humorvolle Kanzlerin zu den Delegierten. „An Ihnen kommt man nicht vorbei“. Schon für diese Feststellung erntete sie viel Applaus. Aber nicht nur das, sie lobte auch den gewerkschaftlichen Einsatz für gute Arbeitsbedingungen und das Engagement für den gesetzlichen Mindestlohn. In Bezug auf Regelungen zur Leiharbeit und Werkvertrag sei man mit den Gewerkschaften in einem wichtigen und intensiven Dialog. 

Aufnahme und Integration von Flüchtlingen als europäische Herausforderung

Sie bedankte sich auch bei den vielen Gewerkschafter*innen für ihr Engagement und Hilfsbereitschaft für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge. Die, die Schutz brauchen, erhalten Schutz. Aber es bedürfe auch einer europäischen Asylpolitik, eine gemeinsame Verantwortung der EU, nicht nur Deutschland, Europa muss stark sein. So zu tun, als ob wir alle sozialpolitischen Probleme der Welt alleine lösen könnten, hält sie für realitätsfern. Aber die größte Herausforderung, nämlich die Aufgabe der Integration, vor allem auch in den Arbeitsmarkt stehe noch bevor. Hier bedankte sie sich ausdrücklich bei dem ehemaligen Vorsitzenden des DGB Michael Sommer für dessen früheren Integrationseinsatz ausländischer Arbeitskräfte, mit dem er der Politik weit voraus war. Sie wünschte sich, dass die Gewerkschaften auch bei den Flüchtlingen wieder ihrer Zeit voraus sind.

Konträre Meinungen beim Freihandelsabkommen und „schwarzer Null“

Mit Buhrufen wurde ihr Einsatz für das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) quittiert. Sie sicherte zu, dass mit dem Abkommen keine Absenkung europäischer sozialer und ökologischer Standards verbunden sei. Wer es nicht glaube, könne bei ihr vorstellig werden! 

Auch ihre Verteidigung der sog. „schwarzen Null“ im Haushalt stieß auf wenig Gegenliebe bei den Delegierten. Frank Bsirske wie auch Reiner Hoffmann (Vorsitzender des DGB) nahmen das Thema in ihrer Reaktion auf die Rede der Kanzlerin auf und betonten, dass die Ablehnung jeder Aufnahme neuer Kredite nicht einleuchtend sei. Denn Generationengerechtigkeit erfordere auch Investitionen in beispielsweise marode Infrastrukturmaßnahmen. 

Zukunftsthemen: Digitalisierung und Pflege

Zum Schluss griff die Kanzlerin Themen auf, die zukünftig immer wichtiger werden, so etwa die Digitalisierung der Arbeitswelt, die eine Sicherstellung von Arbeitnehmerrechten erforderten. Die Chancen der Digitalisierung müssten genutzt werden, was aber nicht dazu führen dürfe, dass man rund um die Uhr verfügbar ist, nur weil das Smartphone 24 Stunden am Tag bereit ist.


Schwerpunkt der Politik sei außerdem, die Leistung von Beschäftigten in der Pflege zu erhöhen. Unter Beifall betonte sie, wie wichtig es sei, dass gerade in der Pflegebranche Tarifverträge eingehalten werden. Mit Sympathie wurde sie von den Delegierten nach ihrem Auftritt verabschiedet.

Frank Bsirske: Zukunft gemeinsam gestalten

Frank Bsirske bedankte sich bei der Kanzlerin für ihr Kommen, das er als Signal für ihre Wertschätzung der Gewerkschaften sieht. Aber natürlich sei man nicht immer der gleichen Meinung. So stelle das Freihandelsabkommen mit der geplanten privaten Schiedsverfahren ein Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat dar. Aber es gibt viel, was wir zusammen angehen können. Zukünftige Herausforderungen, die gemeinsam bewältigt werden müssen, seien etwa die Stärkung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, die Aufwertung der Arbeit mit Menschen sowie die Gestaltung digitalisierter Arbeitswelten. 

Reiner Hoffmann blickt zurück und voraus

DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann blickte auf die Erfolgsgeschichte zurück, die die DGB-Gewerkschaften seit 1949 schreiben. Er nannte hier unter anderem die 5-Tage-Woche, die Verkürzung der Wochenarbeitszeit, die Erhöhung des Urlaubs und die Lohnfortzahlung bei Krankheit.


Nach einer Durststrecke in den 80er und 90er Jahren wurde die Erfolgsgeschichte mit dem Mindestlohn fortgesetzt. Dies ist der erste Durchbruch im Niedriglohnsektor, der - darauf wies Hoffmann ausdrücklich hin - mit 22%  nach wie vor zu hoch ist.


Was ist für die Zukunft wichtig? Eingriffe in das Streikrecht sind abzulehnen. Der Grundsatz ein Betrieb, ein Tarifvertrag müsse weiter gestärkt werden. Beim Thema Tarifbindung und Tarifeinheit bekomme grade ver.di das Vorgehen mancher Unternehmen wie der Deutschen Post und Amazon brachial mit.


Die Chancen der Digitalisierung müssten genutzt werden. Aber auf keinen Fall dürfte zugelassen werden, dass die Beschäftigten zu einer Ware degradiert werden. 

Auseinandersetzung um den Wert der Arbeit muss gemeinsam geführt werden

Der DGB-Vorsitzende hob die wertvolle Arbeit in den Sozial- und Erziehungsberufen und die Wichtigkeit dieser Auseinandersetzung hervor. Er bezeichnete diese als eine Auseinandersetzung um den Wert der Arbeit, die mit allen 8 Gewerkschaften unter dem Dach des DGB gemeinsam geführt werden muss.


Zuletzt forderte Hoffmann das Verbot der NPD und allen rechtsextremen Gruppen um ein deutliches Zeichen gegen menschenverachtendes Verhalten zu setzen.

Leipzigs Oberbürgermeister äußert sich auch zum Kita-Streik

Burkhard Jung (SPD) verwies in seiner Rede auf die ca. 1900 Flüchtlinge, die 200m  entfernt auf der Leipziger Messe untergebracht sind. Er betonte seine klare Haltung gegen Fremdenfeindlichkeit und seine Bereitschaft, Menschen in Not – egal aus welchem Grund – aufzunehmen, und erntet dafür von den Delegierten großen Beifall. Für deren Integration in den Arbeitsmarkt sei es notwendig, den Zugang zu erleichtern. 


Zum Kita-Streik machte er deutlich, wie wichtig ein Ergebnis am Verhandlungstisch sei. Dafür wolle er sich in seinen Gremien einsetzen.


Vom ver.di - Bundeskongress berichten:

Silke Clasvorbeck - Dorothee Müller-Wenner - Frank Ott - Hans-Martin Wischnath