Dauerhafte Kreuzschmerzen können Probleme für die Polizeidienstfähigkeit mit sich bringen. Copyright by Adobe Stock/Krakenimages.com
Dauerhafte Kreuzschmerzen können Probleme für die Polizeidienstfähigkeit mit sich bringen. Copyright by Adobe Stock/Krakenimages.com

Der Kläger wollte Polizist werden. Er trat deshalb bei der Bundespolizei eine Ausbildung zum Polizeimeister an. Während der Ausbildung war er Beamter auf Widerruf. Bereits im ersten Sportunterricht traten gesundheitliche Probleme auf. Nach einem Sprint schlief ihm das linke Bein ein und kribbelte.
 

Über 200 Fehltage im ersten Ausbildungsjahr

Im ersten Jahr seiner Ausbildung zum Polizisten war er über 200 Tage dienstunfähig erkrankt. Die Fehlzeiten änderten sich auch danach nicht. Wegen seiner Beschwerden befreite ihn der Dienstherr von körperlichen Aktivitäten wie Sport und Einsatztraining. Der Beamte nahm deshalb auch am Unterricht und der sonstigen Ausbildung nicht teil.
 
Der Dienstherr ordnete schließlich eine amtsärztliche Untersuchung an. Grund dafür waren dabei vor allem die beim Kläger bestehenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule. Der beauftragte Amtsarzt war Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er stellte nach einer Untersuchung des Klägers eine körperliche Beeinträchtigung des Klägers fest, mit welcher er den Anforderungen des Polizeidienstes dauerhaft nicht gewachsen sei.
 

Der Amtsarzt legte die Polizeidienstvorschrift 300 zugrunde

Der Kläger leide an altersvorzeitigen Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates und weise eine wiederkehrende Schmerzsymptomatik auf, so der Amtsarzt. Die Untauglichkeit für den Polizeidiensts beruhe auf der Polizeidienstvorschrift 300, die die ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit regele, so der Amtsarzt.
 
Daraufhin entließ der Dienstherr den Betroffenen aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Der Kläger hielt dem entgegen, dass er gesundheitlich wiederhergestellt sei. Er habe eine Verschiebung des Gelenkskopfes gehabt. Einseitige Belastung habe diese hervorgerufen. Die Zeiten seiner Dienstunfähigkeit führe er darauf zurück, dass seine Ausbilder keine Rücksicht auf seine vorherigen Ausfallzeiten genommen hätten. Er habe sich daher erhöhten Belastungen aussetzen müssen. Das sei seinem Gesundheitszustand nicht zuträglich gewesen.
 

Die Auswertung der MRT-Befunde im Gutachten erfolgte nicht durch einen Facharzt

Im Übrigen sei es fragwürdig, ob der beauftragte Psychologe in der Lage gewesen sei, die vorliegenden MRT-Bilder fachgerecht auszuwerten. Der Kläger legte auch eine Bescheinigung seiner behandelnden Ärztin vor. Diese bestätigte, dass der Kläger sich bei ihr in orthopädische Behandlung befinde und keine chronischen Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule aufweise. Er sei seitens der Wirbelsäule komplett beschwerdefrei. Die Befunde aus dem MRT „sollten“ demnach auch langfristig keine Einschränkung der körperlichen Belastung hervorrufen.
 
Insbesondere zu dem Attest wurde der Amtsarzt noch einmal gehört. Er verblieb allerdings bei seiner Auffassung, wonach der Betroffene nicht mehr polizeidienstfähig war. Es sei selbsterklärend, dass der Kläger bei weitestgehender Sportbefreiung auch keine Beschwerden habe. Sobald er sich wieder körperlicher Belastung aussetze, müsse er mit erneuten Beschwerden rechnen.
 

Der Amtsarzt hatte radiologische und orthopädische Befunde beigezogen

Er habe sich bei seiner Bewertung auch nicht nur auf die MRT-Befunde, sondern auf vorliegende Befundberichte der erst diagnostizieren Radiologen und Orthopäden gestützt. Diese Fachärzte hätten die MRT-Aufnahmen ihrerseits bereits bewertet. Diese Bewertung habe er zugrunde gelegt.
 
Der Kläger schloss sich weder den Ausführungen des Amtsarztes an noch war er mit der Entscheidung des Dienstherrn, ihn aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, einverstanden. Nun entschied das Verwaltungsgericht Koblenz dazu.
 

Ein sachlicher Grund reicht für die Entlassung aus

Ein Dienstherr dürfe seine Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen, sofern er hierfür einen sachlichen Grund habe. Dabei genügten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits berechtigte Zweifel, ob der Beamte oder die Beamtin die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt besitzen.
 
Die Entlassung dürfe aber nur aus solchen Gründen erfolgen, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf in Einklang stünden. Gebe es ernsthafte Zweifel, dass der*die Betroffene das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Beamtenlaufbahn, erreichen könne, dürfe der Dienstherr sie entlassen.
 

Gesundheitliche Gründe berechtigen zur Entlassung

Eine Entlassung des Beamten auf Widerruf sei aber auch dann gerechtfertigt, wenn begründete Zweifel an der gesundheitlichen und persönlichen Eignung für die angestrebte Beamtenlaufbahn bestünden.
 
Der Dienstherr müsse die gesundheitliche und persönliche Eignung nicht nur an den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes messen, sondern auch an denjenigen des auf Dauer zu übertragenden Amtes. Diese Anforderungen rechtfertigten eine Entlassung, wenn der*die Beamte*in auf nicht absehbare Zeit aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert sei, die Prüfung abzulegen. Gleiches gelte wenn die Erkrankung zu Unterbrechungen des Vorbereitungsdienstes geführt habe und eine sinnvolle Fortführung des Vorbereitungsdienstes ausschließe.
 

Der Kläger hatte am Unterricht und der Ausbildung nicht teilgenommen

So liege der Fall hier. Die Entlassungsverfügung beruhe auf einem sachlichen Grund. Der Kläger weise über 200 Fehltage auf. Er stehe auch noch nicht kurz vor der Abschlussprüfung und habe bislang weder am Unterricht noch an der Ausbildung teilgenommen. Er sei deshalb auf nicht absehbare Zeit daran gehindert, seine Prüfung abzulegen. Er sei damit aus gesundheitlichen Gründen für den Vorbereitungs- und Polizeivollzugsdienst ungeeignet.
 
Das Gericht habe auch keinen Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes, der das Gutachten erstellt habe. Dieser sei zwar Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und nicht wie vom Kläger behauptet nur Psychologe. Inhaltlich habe der Kläger das Gutachten nur pauschal angegriffen. Demgegenüber enthalte das Gutachten überzeugende Ausführungen zu der Auswertung der MRT-Bilder. Der Gutachter habe dazu nicht nur die eigene Expertise herangezogen, sondern sich auf Befundberichte der erstdiagnostizierenden Radiologen und Orthopäden gestützt.
 

Das Gutachten des Amtsarztes genießt generell Vorrang

Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Tatsachen unzutreffend seien, die der Amtsarzt seiner Bewertung im Gutachten zugrunde gelegt habe. Daran ändere auch das Attest der Privatärztin des Klägers nichts.
 
Das Gutachten eines Amtsarztes genieße generell Vorrang, solange keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestünden. Die medizinische Beurteilung müsse auch auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen. Sie müsse außerdem stimmig und nachvollziehbar sein.
 

Der Amtsarzt darf Fachärzte einschalten

Diese Grundsätze würden auch dann gelten, wenn der Amtsarzt einen Facharzt einschalte. Dessen Bewertung sei Teil der Beurteilung des Amtsarztes. Der Vorrang des amtsärztlichen Gutachtens im Konfliktfall habe seinen Grund in der Neutralität und in der Unabhängigkeit des Amtsarztes.
 
Im Gegensatz zum behandelnden Arzt habe der Amtsarzt nämlich nicht die Aufgabe, ein Vertrauen zum Patienten aufzubauen. Er nehme seine Beurteilung unbefangen und unabhängig vor. Er stehe deshalb dem Dienstherrn und dem Beamten gleichermaßen fern.
 

Amtsärzte sind neutral und unabhängig

Neben dieser Neutralität und Unabhängigkeit weise der beamtete Arzt auch eine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit von Beamten auf. In Gutachten müsse der Amtsarzt Fragen des Dienstrechts aus medizinischer Sicht beurteilen. Dafür benötige er speziellen Sachverstand. Dieser Sachverstand beziehe sich einerseits auf die Kenntnisse der Belange der öffentlichen Verwaltung, andererseits jedoch auch auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich oder ähnlich liegenden Fällen.
 
Unter Berücksichtigung dessen genieße im Fall des Klägers das amtsärztliche Gutachten Vorrang. Es bestünden keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Arztes. Die Tatsachen, die der Gutachter seiner Beurteilung zugrunde gelegt habe, seien auch zutreffend. Die abweichende medizinische Beurteilung der behandelnden Ärztin werde dadurch abgeschwächt, dass diese geschrieben habe, die Beschwerden des Klägers „sollten“ keine Auswirkungen für die Zukunft haben.
 
Die Entlassung des Klägers hielt das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung dessen für sachlich begründet.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Die Entlassung eines Beamten auf Widerruf ist - ebenso wie eine Kündigung im Ausbildungsverhältnis - ein einschneidender Eingriff in die geplante Lebensführung. Im Gegensatz zu einem Arbeitgeber ist der Dienstherr im Beamtenverhältnis aus Fürsorgegründen aber dazu verpflichtet, seine Beamten sowie deren Familien auf Lebenszeit zu besolden und zu versorgen.

Hohe Besoldungs- und Versorgungslast bei dauernder Dienstunfähigkeit

Im Laufe eines Lebens kommt da ein hoher Geldbetrag zusammen. Ergibt sich bereits im Ausbildungsverhältnis, in dem die Betroffenen schon Beamte auf Widerruf sind, dass die Ableistung des Dienstes in der geplanten Laufbahn bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze nicht wahrscheinlich erscheint, muss das auch ins Verhältnis zu den Leistungen gesetzt werden, die der Dienstherr dann erbringen muss, ohne eine Arbeitsleistung dafür zu erhalten.

Eine krankheitsbedingte Kündigung gibt es nämlich für Beamte auf Lebenszeit nicht.

Polizisten müssen im Übrigen polizeidienstfähig sein. Das beinhaltet eine stark erhöhte körperliche Leistungsfähigkeit. Bestehen hieran schon in der Ausbildung Bedenken wie bei dem Kläger hier, der keinerlei Sport machen konnte und auch in der Ausbildung fehlte, dann erscheint es auch für den betroffenen Beamten von Beginn an empfehlenswert, darüber nachzudenken, ob der Beruf des*der Polizisten*in die geeignete Wahl ist.