Über zwei Instanzen hinweg hatte der Kläger gewonnen. Nun setzt das Bundesverwaltungsgericht einen Schussstrich – leider zu seinem Nachteil. Copyright by Adobe Stock/tiero
Über zwei Instanzen hinweg hatte der Kläger gewonnen. Nun setzt das Bundesverwaltungsgericht einen Schussstrich – leider zu seinem Nachteil. Copyright by Adobe Stock/tiero

Gesetzesimmanenter Rückforderungsvorbehalt  - eine Formulierung, deren Verständnis möglicherweise nur Juristen vorbehalten ist. Gemeint ist damit, dass eine gesetzliche Bestimmung einen Vorbehalt enthält, wonach etwas (meist Geld) immer und vor allem regelmäßig ohne Vertrauensschutz zurückgefordert werden kann.
 

Rückforderungen sind nicht immer möglich

Aber ist das eigentlich nicht immer so, wer zu viel bekommt, muss doch immer zurückzahlen? Nein, ganz so ist das nicht. Die Gesetze enthalten auch Regeln, die Vertrauen schützen. Es geht dabei um Vertrauen darauf, einen Geldbetrag, den man erhalten hat, auch verbrauchen zu dürfen ohne Gefahr zu laufen, ihn wieder zurückzahlen zu müssen.
 
Doch wie sieht das bei Beamten aus? Sie sind dem Dienstherrn zur Treue verpflichtet. Wenn sie zu viel Geld bekommen, resultiert aus dieser Treuepflicht immer auch die Pflicht, dem Dienstherrn das Geld zurückzuzahlen, das ihnen nicht zusteht. Aber auch im Beamtenverhältnis gibt es Regeln zum Vertrauensschutz.
 

Zehn Prozent dürfen verbraucht werden

Hat der Staat einem Beamten monatlich höchstens zehn Prozent zu viel an Bezügen gezahlt, kann er sich darauf berufen, das Geld verbraucht zu haben. Er genießt dann durchaus Vertrauensschutz und ist nicht mehr verpflichtet, das zu viel erhaltene Geld zurückzuzahlen. Aber auch bei höheren Beträgen kann die Pflicht entfallen, einen Geldbetrag zurückzahlen zu müssen.
 
So ging es einem saarländischen Bahnbeamten, der gegen seinen Dienstherrn klagte. Vertreten durch den DGB Rechtsschutz in Saarbrücken gewann er seinen Prozess über zwei Instanzen. Der Beamte war einer privaten Tochtergesellschaft des Bahnkonzerns zugewiesen. Diese zahlte ihm ein Gehalt, das sein Dienstherr nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen auf seine Bezüge anrechnete.
 

Der Beamte erhielt eine zusätzlich variable Sonderzahlung

Der Beamte war zunächst nach Ludwigshafen abgeordnet. Auf seinen Wunsch kehrte er in das Saarland zurück, sollte dort aber ein viel niedrigeres Gehalt bekommen. Mit dem privaten Arbeitgeber vereinbarte er daher, dass dieser ihm eine variable Sonderzahlung in Höhe von 500 € monatlich überwies. Diese Zahlung war weder im Gesetz für Beamte vorgesehen noch in den einschlägigen Tarifverträgen geregelt.
 
Der Dienstherr des Beamten vertrat die Auffassung, dieser müsse das Geld zurückzahlen. Es handele sich dabei um ein Einkommen, das nach dem geltenden Besoldungsrecht und auch nach den speziellen Bestimmungen für Bahnbeamte generell zurückgefordert werden dürfe.
 

Der Dienstherr berief sich schon von Beginn an auf einen gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt

Auch wenn der Beamte den Betrag schon verbraucht habe, könne er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es bestehe nämlich ein „gesetzesimmanenter Rückforderungsvorbehalt“, der dem Vertrauensschutz entgegenstehe. Der Beamte hafte somit verschärft, d. h. selbst wenn das Geld verbraucht sei, müsse er es zurückzahlen.
 
Zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (OVG) hatten wir bereits berichtet:
Bahnbeamter muss zu viel erhaltenen Sachbezug nicht zurückerstatten
 

Das Oberverwaltungsgericht ließ die Revision zu

Einen gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt sah das OVG nicht. Damit gewährte es dem Beamten Vertrauensschutz. Dieser sollte nicht zurückzahlen müssen. Allerdings verwies das OVG in seinem Urteil bereits deutlich darauf, dass es zu den speziellen gesetzlichen Regelungen im Beamtenrecht noch keine höchstrichterliche Entscheidung gab. Es ließ deshalb die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu.
 
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden. Leider fiel die Entscheidung nicht so aus wie sich der Beamte das erhoffte.
 

Beamten des DB-Konzerns wird anderweitiger Verdienst aus einer Zuweisung immer angerechnet

Es ging dabei um eine Vorschrift im Bundesbesoldungsgesetz, wonach Beamten ein Einkommen auf die Besoldung angerechnet werden kann, wenn sie es in einem Zeitraum erzielt haben, in welchem sie keinen Dienst erbringen mussten. Für den DB-Konzern gibt es dazu eine spezielle Vorschrift, wonach anderweitige Bezüge, die ein Beamter aus einer Zuweisung erhält, auf die Besoldung grundsätzlich und immer angerechnet werden.
 
Hier gibt es keinen Vertrauensschutz, sagt das Bundesverwaltungsgericht. Der Gesetzgeber habe für den Bahnkonzern eine Regelung treffen wollen, die Vorteile ausgleichen solle. Damit werde verhindert, dass ein Beamter für die Zeit, in der er keinen Dienst für den Dienstherrn leiste, besser stehe, als er im Fall der Dienstleistung für den Dienstherrn gestanden hätte.
 

Die oberste Dienstbehörde kann Vereinbarungen mit dem Ministerium des Inneren treffen

Das Gesetz über die Gründung einer Deutschen Bahn AG sehe dazu vor, dass nur die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren in besonderen Fällen davon absehen können, anderweitige Bezüge auf die Besoldung ganz oder teilweise abzusehen. Eine solche Vereinbarung gebe es nicht. Beim Kläger sei auch kein Ausnahmefall gegeben, der es rechtfertige, seine Situation anders zu werten.
 
Der Anrechnungsvorschrift für den DB Konzern sei damit ein gesetzlicher Rückforderungsvorbehalt immanent. Der Kläger genieße deshalb keinen Vertrauensschutz und hafte verschärft. Der Dienstherr sei auch nicht verpflichtet gewesen, von der Rückforderung abzusehen. Die dem Kläger eingeräumte Möglichkeit der Ratenzahlung sei ausreichend.
 

Der Dienstherr trägt keine Schuld an der Überzahlung

Den Dienstherrn treffe nämlich keinerlei Verschulden daran, dass zu viel Geld gezahlt worden sei. Das habe der Kläger allein zu vertreten. Nebenbezüge eines Beamten müsse dieser dem Dienstherrn melden, insbesondere wenn diese im Rahmen des privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses erzielt würden.
 
Dabei sei die Größe des Personalkörpers der DB AG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den dadurch entstehenden Verwaltungsaufwand und die nötigen Erkundigungen bei dem jeweiligen DB-Unternehmen müsse der Dienstherrn eine gewisse Zeit der Prüfung erhalten.
 

Der Dienstherr hat die Meldung der Nebenbezüge ausreichend überwacht

Im Überzahlungszeitraum habe der Dienstherr deshalb nicht grob fahrlässig gehandelt. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass der Beklagte die Meldung der Nebenbezüge nicht hinreichend überwacht habe. Der Grund für die Verfahrensdauer liege darin, dass das entsprechende Verfahren rund 20.000 Beamte betreffe.
 
Die Prüfkriterien seien rein schematisch. Wäre die Prüfung nicht stimmig, könne das erst geklärt werden, wenn man zum Teil mehrmals beim jeweiligen DB-Unternehmen nachfrage. Das nehme eine gewisse Zeit in Anspruch.
 

Der Kläger hätte die Rückzahlungspflicht durch einfaches Nachdenken erkennen können

Demgegenüber habe der Kläger persönlich eine Vereinbarung mit dem Privatarbeitgeber geschlossen. Er hätte dabei durch einfaches Nachdenken erkennen können und müssen, dass diese Vereinbarung den Mechanismus von Regel und Ausnahme umkehre und dass es dafür einer Entscheidung der obersten Dienstbehörde bedurft hätte.
 
Nachdem diese Entscheidung jedoch zweifelsfrei nicht vorlag, habe der Kläger kein Recht darauf, den anderweitigen Bezug aus dem privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis behalten zu dürfen.
 

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Den gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt gibt es übrigens auch im Sozialversicherungsrecht, wenn es um die Anrechnung verschiedener Renten oder von Versorgungsbezügen auf Renten geht. Hier sind Sozialversicherungsträger auf Angaben anderer angewiesen und müssen dann selbst gegebenenfalls umfangreiche Berechnungen durchführen.

In diesen Fällen ist Versicherten von vorneherein klar, dass Anrechnungen vorgenommen werden. Da gibt es dann regelmäßig auch keinen oder nur einen eingeschränkten Vertrauensschutz. So soll es auch bei dem anderweitigen Bezug eines Beamten des Bahnkonzerns sein, der einer Tochtergesellschaft zugewiesen ist und dort ein Einkommen hat.

Vertrauensschutz gibt es weiterhin

Anders sieht es aus, wenn Sozialversicherungsträger oder auch Dienstherren selbst Überzahlungen verursachen. Dann ist den betreffenden Stellen von vorneherein aufgrund eigener Berechnungen klar, dass etwas nicht stimmt. Hier greift der Vertrauensschutz weiter. Zwar enthalten die Gesetze Bestimmungen darüber, dass solche Überzahlungen auch zurückgefordert werden dürfen. Hier ist dann aber Vertrauen durchaus schützenswert.

Rechtliche Grundlagen

§ 9a BBesG, § 12 DBGrG

§ 9a Anrechnung anderer Einkünfte auf die Besoldung
(1) Haben Beamte, Richter oder Soldaten Anspruch auf Besoldung für eine Zeit, in der sie nicht zur Dienstleistung verpflichtet waren, kann ein infolge der unterbliebenen Dienstleistung für diesen Zeitraum erzieltes anderes Einkommen auf die Besoldung angerechnet werden. Der Beamte, Richter oder Soldat ist zur Auskunft verpflichtet. In den Fällen einer vorläufigen Dienstenthebung auf Grund eines Disziplinarverfahrens gelten die besonderen Vorschriften des Disziplinarrechts.
(2) Erhält ein Beamter oder Richter aus einer Verwendung nach § 29 des Bundesbeamtengesetzes anderweitig Bezüge, werden diese auf die Besoldung angerechnet. In besonderen Fällen kann die oberste Dienstbehörde von der Anrechnung ganz oder teilweise absehen, soweit die im Kalenderjahr gezahlten anderweitigen Bezüge den Betrag eines Anfangsgrundgehaltes der jeweiligen Besoldungsgruppe nicht übersteigen. Darüber hinaus kann die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in besonderen Fällen von der Anrechnung ganz oder teilweise absehen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für Soldaten.

§ 12 Beamte
(1) Beurlaubungen von Beamten des Bundeseisenbahnvermögens zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft dienen dienstlichen Interessen.
(2) Beamte des Bundeseisenbahnvermögens, die nicht aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden oder nicht beurlaubt werden, sind ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft in das Handelsregister dieser Gesellschaft zugewiesen, soweit sie nicht auf Grund einer Entscheidung im Einzelfall beim Bundeseisenbahnvermögen oder anderweitig verwendet werden. Ein Beamter des Bundeseisenbahnvermögens kann der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft auf Dauer zugewiesen werden, wenn er es beantragt und ein dienstliches Bedürfnis besteht.
(3) Beamte der bisherigen Bundeseisenbahnen, die im Zeitpunkt der Eintragung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft beurlaubt sind, sind mit Ablauf der Beurlaubung ebenfalls der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft zugewiesen, sofern nicht vor Ablauf der Beurlaubung vom Bundeseisenbahnvermögen eine andere Entscheidung über die weitere Verwendung getroffen wird.
(4) Die Rechtsstellung der nach den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten sowie die Gesamtverantwortung des Dienstherrn bleiben gewahrt. Die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft ist zur Ausübung des Weisungsrechts befugt, soweit die Dienstausübung im Betrieb der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft es erfordert.
(5) Die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft ist verpflichtet, dem Bundeseisenbahnvermögen die zur Wahrnehmung der Dienstherrnaufgaben erforderliche Unterstützung zu leisten und alle hierzu notwendigen Auskünfte zu erteilen.
(6) Die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft kann den ihr gemäß den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten im Einvernehmen mit dem Bundeseisenbahnvermögen eine höher zu bewertende Tätigkeit übertragen. Im übrigen wird das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in bezug auf die gemäß den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten zu bestimmen, welche weiteren beamtenrechtlichen Entscheidungen sowie sonstigen Entscheidungen und Maßnahmen, die mit der Dienstausübung des Beamten im Betrieb der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft in unmittelbarem Zusammenhang stehen, der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft zur Ausübung übertragen werden.
(7) Erhält ein Beamter aus einer Zuweisung gemäß den Absätzen 2 und 3 anderweitige Bezüge, werden diese auf die Besoldung angerechnet. In besonderen Fällen kann die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat von der Anrechnung ganz oder teilweise absehen.
(8) § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes gilt für die nach den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten und die Ruhestandsbeamten des früheren Sondervermögens Deutsche Bundesbahn entsprechend.
(9) Das Bundeseisenbahnvermögen kann die Zuweisung im Einzelfall im Einvernehmen mit der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft aufheben oder eine anderweitige Verwendung vorsehen. Voraussetzung für die Aufhebung einer Zuweisung ist, daß beim Bundeseisenbahnvermögen eine Planstelle zur Verfügung steht.