Bei einer Abfindung muss man nicht auf jeden Euro schauen, ein wenig rechnen kann sich aber lohnen. Copyright by Adobe Stock/merklicht.de
Bei einer Abfindung muss man nicht auf jeden Euro schauen, ein wenig rechnen kann sich aber lohnen. Copyright by Adobe Stock/merklicht.de

Alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung sind sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt (§ 14 Abs.1 S.1 SGB IV).
 

Abfindungen sind sozialversicherungsfrei

Dennoch ist die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlte Abfindung sozialabgabenfrei. Denn sie ist dazu bestimmt, die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verbundene Nachteile auszugleichen. Sie wird also für den Wegfall der künftigen Verdienstmöglichkeiten gezahlt.
 
Das ist schon mal ein Vorteil. Denn Neumann kann auf seinem Gehaltszettel sehen, dass ein Fünftel des Bruttogehalts für die Sozialversicherung draufgeht (Arbeitnehmeranteil an Krankenversicherung 7,3 % plus Zusatzbeitrag, Pflege 1,525 % zuzüglich 0,25 % Kinderlosenbeitrag, Rentenversicherung 9,3 % und Arbeitslosenversicherung 1,2 % zusammen also etwa 20 %).
 

Was bedeutet Steuerprogression

Bei einer linearen Steuer würde man für jeden Euro Mehrverdienst den gleichen Steuersatz zahlen.
Unser Steuersatz verläuft aber in einer Kurve, progressiv. Das bedeutet, der Steuersatz ist umso höher, je höher der Verdienst ist. Höhere Einkommen werden mit höheren Steuern belastet.
Es soll Steuergerechtigkeit erreicht werden, wenn zur Finanzierung des Gemeinwesens jeder nach seinen Möglichkeiten herangezogen wird. Das erklärt, warum z.B. bei erheblichen Überstunden auf einmal die dafür gezahlte Steuer höher ist.
 

Fälligkeitsregelung

Gerade beim Ausscheiden aus einem Job zum Jahresende sollte man einen Blick in die Zukunft wagen.
Im Steuerrecht gilt das Zuflussprinzip. Die Abfindung wird also in dem Jahr besteuert, in dem sie ausgezahlt wird. Wie sehen die Verdienste im nächsten Jahr aus? Ist zu erwarten, dass das Einkommen erheblich sinkt, kann es sinnvoll sein, die Fälligkeit und damit die Auszahlung ins neue Jahr zu übertragen.
 
Das Bundesfinanzministerium gibt an, dass ab 2021 rund 90 % der Lohn- und Einkommensteuerzahler, die bisher mit Soli belastet waren, vollständig von der Zahlung befreit sind.  Weitere 6,5 % zahlen weniger. Bei den 40.000 von Neumann wird es davon abhängen, wieviel er insgesamt als Jahres-Brutto verdien. Unter 70.000 dürfte er als Single noch voll vom Wegfall profitieren. Bei Ehepaaren sind die Grenzen höher.
Eine Fälligkeit weit in die Zukunft zu verlegen, ist ein Risiko. Bei der Steuer zu sparen ist gut und schön, aber ist der Chef dann noch zahlungsfähig? „Was ich hab, das hab ich!“, sagt sich Neumann und vereinbart die übliche Fälligkeit mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses.
 

Steuerersparnis durch Fünftelregelung

Bereits seit 2006 sind Abfindungen in voller Höhe steuerpflichtig. Sie gelten als außerordentliche Einkünfte, wenn es zu einem Zusammenballen von Einkünften in einem Kalenderjahr kommt (§§ 24 Nr. 1a, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG).
Die Steuerprogression wird entschärft, in dem nur ein Fünftel der Abfindung sich progressiv auf die anzusetzende Steuer auswirkt. Neumann hat für sein normales zu versteuerndes Einkommen einen Steuersatz von 18 %. Kommen jetzt die 40.000 € dazu, klettert der Steuersatz beispielsweise auf 30 %. Da setzt die Fünftel-Regelung an: Es wird jetzt ermittelt, wie hoch der Steuersatz ist, wenn nur 8.000 € zum Einkommen hinzukommen. Dieser Steuersatz wird dann mal fünf genommen. Das deckelt das Ansteigen des Steuersatzes für die restlichen 32.000 €.
 
Der Arbeitgeber ist in der Regel dazu verpflichtet, die Fünftelregelung anzuwenden. Sollte sich eine Zusammenballung der Einkommen nur im Zusammenhang mit anderen Einkünften von Neumann ergeben, kann der Chef das nicht wissen und Neumann muss Versteuerung über die Fünftelregelung beim Arbeitgeber beantragen.
 

Steuerersparnis durch Einzahlung in die Altersvorsorge

Für den Arbeitnehmer besteht eine Möglichkeit Steuern zu sparen, wenn er die Abfindung oder Teilbeträge in die bestehende Altersvorsorge (Direktversicherung/ Pensionskasse /Pensionsfond) einzahlt. Der Höchstbetrag der steuerfreien Einzahlung beträgt 4 % der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung, multipliziert mit der Anzahl der Jahre, die das Arbeitsverhältnis bestand (maximal zehn Jahre).
 
Neumann scheidet zum 31. Januar 2021 aus. Er war neun Jahre beschäftigt.
4 % der Beitragsbemessungsgrenze West 2021 sind 85.200 € x 4 % = 3.408 € x 9 Jahre = 30.672 €.
Diesen Betrag könnte er also steuerfrei seiner Altersversorgung zukommen lassen.
 
Bei Bestehen einer Rürup-Rente kann der Arbeitnehmer Beiträge einzahlen, die im Jahr 2021 mit 92 % als Vorsorgeaufwendungen abzugsfähig sind. Die Abfindung wird besteuert und im gleichen Kalenderjahr kann der Arbeitnehmer einem Maximalbetrag in die Rürup-Rente einzahlen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG, §10 Abs. 3 EStG).  Für 2021 sind das 25.787 €, 92% davon sind dann rund 23.724 €. Auf den Maximalbetrag werden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet, abzüglich der steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse. Unter Berücksichtigung der Maximalbeträge könnte dann letztlich 92 % des eingezahlten Betrags steuerfrei belassen werden.
 

Steuerersparnis durch Ausgleich von Rentenabschlägen durch Neumann

Neumann ist Mitte 50. Ab dem 50. Lebensjahr können Arbeitnehmer*innen Abschläge, die durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente wegen Alters entstehen, ausgleichen. Eine Auskunft über die Höhe erteilt die Deutsche Rentenversicherung (DRV).
Neumann hat sich das ausrechnen lassen. Die DRV schreibt ihm, wenn er die Rentenabschläge komplett ausgleichen wolle, müsse er 30.000 € einzahlen.
 
Die Abfindung wird nach Versteuerung ausgezahlt. Neumann zahlt 20.000 € bei der DRV ein. Es gelten die gleichen Berechnungen wie eben, und durch die Absetzmöglichkeit bei hoher Steuerprogression durch die Abfindungszahlung ist die Einsparung erheblich.
 

50 % Steuerersparnis, wenn der Arbeitgeber die 20.000 € in die Rentenkasse zahlt

Noch besser ist jedoch Variante, dass der Arbeitgeber direkt die Abfindung zum Ausgleich von Rentenabschlägen nach § 187a SGB VI an die DRV zahlt. Diese Beitragszahlungen sind bis zu 50 % steuerfrei (§ 3 Nr.28 EStG).
 
Steuerfreie Beträge sind auch beitragsfrei in der Sozialversicherung. Die Beitragsfreiheit für die Sozialversicherung gilt auch für die restlichen 50 %. Das wurde durch das Bundesfinanzministerium klargestellt und gilt auch, wenn quasi in Raten gezahlt wird.
 

Nachteil: spätere Besteuerung der Rente

Die Steuerpflicht löst sich durch die Modelle nicht in Luft auf, sondern es gibt eine nachgelagerte Besteuerung. Geht Neumann in Rente, muss er die dann bezogenen Einkünfte versteuern.
Wenn seine Bezüge dann deutlich niedriger sind, ist der Steuersatz wieder niedriger, so dass unterm Strich eine Ersparnis eintritt. Das gilt dann, wenn eine höhere Abfindung gezahlt wird, wo die Steuerprogression zuschlägt.
 
Die Frage, ob sich grundsätzlich ein solches Vorgehen auszahlt, ist immer eine Spekulation auf das Lebensalter. Bekommt Neumann die höhere Rente für viele Jahre, rechnet sich das Modell. Verstirbt er unverheiratet und früh, ist das Geld für etwaige Erben weg. Bei Verheirateten wirkt es sich bei der Rente für Witwen und Witwer noch aus.
 
 
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