Als Maschinenbediener ist der Kläger durch seine Behinderung beim technischen Wandel im Nachteil. Copyright by Adobe Stock/panuwat
Als Maschinenbediener ist der Kläger durch seine Behinderung beim technischen Wandel im Nachteil. Copyright by Adobe Stock/panuwat

Der DGB Rechtsschutz in Berlin hat vor dem Sozialgericht einen bei der Bosch AG angestellten Maschinenbediener vertreten.

Antrag auf Gleichstellung wegen Gefährdung des Arbeitsplatzes

Der Mann hatte Ende 2018 bei der Agentur für Arbeit beantragt, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Es war ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Ein Angebot des Arbeitgebers, gegen eine Abfindung auszuscheiden, ließ ihn befürchten, dass nicht nur sein aktueller Arbeitsplatz gefährdet ist, sondern Arbeitslosigkeit droht.  

Die Arbeitsagentur hatte – wie es üblich ist - Arbeitgeber, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung befragt und den Antrag abgelehnt.

Sozialberater des Arbeitgebers stützt den Antrag

Im Widerspruchsverfahren holte die Arbeitsagentur noch eine Stellungnahme des Sozialberaters der Fa. Bosch ein. Dieser gab eine geplante Anpassung des Unternehmens an den technischen Wandel an, die schlechtere Chancen für Mitarbeiter*innen mit Einschränkungen und vielen Fehlzeiten bedeute.

Seitens des Agentur für Arbeit war es aber bei der Ablehnung geblieben. Der Mann habe einen behindertengerechten Arbeitsplatz, und eine Gleichstellung solle behinderte Menschen bei betriebswirtschaftlichen Vorgängen nicht begünstigen.

Es kam zur Klage beim Sozialgericht Berlin. Der Kläger verwies auf den anstehenden Verkauf des Unternehmens. Er habe zwar derzeit einen geeigneten Arbeitsplatz und falle deshalb nicht allzu oft krankheitsbedingt aus. Es sei jedoch ungewiss, welchen Einfluss die anstehenden Veränderungsprozesse darauf nehmen.   

Dem Kläger steht der Schutz der Gleichstellung zu

Der Sozialrichter und die zwei ehrenamtlichen Richterinnen entschieden zugunsten des Klägers.
Diesem stehe der Schutz der Gleichstellung zu, um einen bestehenden, leidensgerechten Arbeitsplatz zu behalten.

Die Sozialrichter*innen stimmten dem Sozialberater zu. Der Kläger habe wegen seiner Behinderungen schlechtere Chancen, seinen Arbeitsplatz zu behalten, wenn das Unternehmen an den technischen Wandel angepasst und sogar künftig verkauft wird.
Der Arbeitgeber habe in der Vergangenheit auch bereits eine Freisetzung angeboten und damit vermutlich versucht, den Kläger aus dem Unternehmen zu entfernen.

Kläger ist beim technischen Wandel im Nachteil

Zur Begründung berief sich das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Obwohl der Antragsteller im Rechtsstreit dort als Beamter unkündbar war, bestand ein Anspruch auf Gleichstellung. Denn maßgeblich war seine mangelnde Konkurrenzfähigkeit.

Die Situation beim Kläger sei wegen der im Unternehmen anstehenden Veränderungen entsprechend. Im Vergleich zu nicht behinderten Kollegen sei der Kläger wegen seiner verringerten Leistung und Anpassungsfähigkeit benachteiligt. Das gelte vor allem, für Arbeitstätigkeiten, die eine schnelle Auffassungsgabe erfordern, und für sich schnell wandelnde Arbeitsbedingungen durch Einsatz von Technik.

Hier geht es zum Urteil


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Allgemeine Informationen finden Sie hier: Die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen

Das sagen wir dazu:

Eine kurze und erfreuliche Entscheidung der Berliner Richter*innen. Nur allzu oft werden Anträge auf eine Gleichstellung abgelehnt, nachdem der Arbeitgeber geschrieben hat, der Arbeitsplatz sei nicht gefährdet. Dabei sind diese Angaben wenig aussagekräftig. Welcher Arbeitgeber gibt schon unverblümt zu, dass er einen Mitarbeiter loswerden möchte? Wir sehen oft Angaben vom Betriebsrat und von der Schwerbehindertenvertretung, die gut gemeint sind, aber den Antrag der Betroffenen nicht stützen.

Hier hatte die Arbeitsagentur noch nachgelegt und den Sozialberater der Fa. Bosch befragt, dann aber leider dessen unterstützende Worte als Bestätigung für ihre Ablehnung gewertet. Gut, dass die Sozialrichter*innen die Einschätzung des Sozialberaters für maßgeblich halten und seine Meinung teilen. Es wäre schön, wenn die Realität in unser Arbeitswelt eine andere wäre. Ist sie aber nicht, und insofern geht das Sozialgericht richtigerweise von einer Benachteiligung des Klägers im Vergleich zu nicht behinderten Kollegen aus, wenn technische Änderungen in den Arbeitsabläufen anstehen.

Vorteile einer Gleichstellung

Der Kläger erlangt mit der Gleichstellung auch nicht nur den besonderen Kündigungsschutz. Weitere Vorteile in seiner Situation sind Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung und die Betreuung durch spezielle Fachdienste. Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zählt indes nicht zu den Vorteilen einer Gleichstellung.

Rechtliche Grundlagen

§ 2 SGB IX
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).