Wegen großer Schmerzen in den Beinen konnte sich der 46-Jährige kaum noch zu Fuß fortbewegen. © Adobe Stock: iammotos
Wegen großer Schmerzen in den Beinen konnte sich der 46-Jährige kaum noch zu Fuß fortbewegen. © Adobe Stock: iammotos

Zwei Jahre lang bestritt der Kläger des Verfahrens vor dem Sozialgericht Münster mit seiner Rentenversicherung um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nun gelang es Volker Bürger vom Rechtsschutzbüros Münster, seinen Anspruch durchzusetzen.

 

Eine Arbeitsleitung von wenigstens sechs Stunden täglich war noch möglich

 

Die schwere Gehbehinderung des Klägers gab letztlich den Ausschlag. Der Mann war zwar nach dem Ergebnis der eingeholten Gutachten noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten für wenigstens 6 Stunden täglich zu verrichten. Allerdings litt er an einer schweren Nervenschädigung der Beine und war infolgedessen nicht mehr in der Lage, längere Gehstrecken zu Fuß zurückzulegen. Das hatten die Gutachter im gerichtlichen Verfahren bestätigt.

 

Das Sozialgericht Münster schaute sich den Fall genau an. Im Urteil heißt es, volle Erwerbsminderung liege nach dem Gesetz vor, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein könnten. Wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne, sei auch nicht teilweise erwerbsgemindert.

 

Der Kläger sei voll erwerbsgemindert. Das ergibt sich aus den vorgelegten Befunden und den eingeholten Gutachten. Zwar könne der Kläger grundsätzlich noch körperlich leichte Arbeiten für wenigstens 6 Stunden täglich verrichten. Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus seien jedoch auch Versicherte voll erwerbsgemindert, die noch eine Erwerbstätigkeit von wenigstens 6 Stunden nachgehen könnten, für die der Arbeitsmarkt aber aufgrund einer aufgehobenen Wegefähigkeit verschlossen sei.

 

Die Wegefähigkeit schränkt den zumutbaren Arbeitsmarkt ein

 

Der Arbeitsmarkt gelte als verschlossen, wenn Versicherte den Weg zur Arbeitsstelle nicht zurücklegen könnten. Denn auch in diesem Fall fehle trotz möglicherweise sechsstündigen oder gar vollschichtigen Leistungsvermögens die Möglichkeit mit dem vorhandenen Restleistungsvermögen ein Erwerbseinkommen zu erzielen.

 

Maßgebend sei dabei nicht der konkrete Weg von der Wohnung zu einer Arbeitsstelle. Bei der Feststellung der Wegefähigkeit gelte ein generalisierender Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trage.

 

Versicherte müssten demnach noch in der Lage sein, täglich viermal eine Wegstrecke von etwas mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzen zu können. Für die Beurteilung der Mobilität seien alle tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel wie zum Beispiel Gehstützen und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

 

Ein Fahrzeug muss vorhanden sein

 

Das schließe auch die Nutzung eines (in der Regel eigenen) Kfz oder Fahrrads ein. Alternativ müsse ein Arbeitsplatz bzw. ein Angebot für einen Arbeitsplatz in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehen.

 

Nach den Feststellungen der Gutachter könne der Kläger die notwendige Strecke nicht mehr in der notwendigen Zeit bewältigen. Einen dementsprechenden Eindruck habe das Gericht auch während der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewinnen können. Er habe sich schlurfend und langsam bewegt.

 

Könne ein*e Versicherte*r die geforderte Wegstrecke nicht mehr zurücklegen oder öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen, reiche es alternativ, wenn an Werktagen ein Kfz zur Verfügung stehe. Das sei in der Regel der Fall, wenn es ihm*ihr selbst gehöre. Es genüge aber, wenn jederzeit der Zugriff auf das einem Dritten gehörende Kfz möglich sei und man nicht befürchten müsse, das Kfz nicht nutzen zu dürfen. Die Fähigkeit, ein Kfz zu führen, könne allerdings auch krankheitsbedingt eingeschränkt sein.

 

Ein kaputtes Auto zählt im Regelfall nicht

 

Dem Kläger stehe kein Fahrzeug zur Verfügung. Sein eigenes Auto sei beschädigt und nicht mehr fahrtauglich. Es könne das auch nicht mehr reparieren. Aufgrund dessen habe er einen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

 

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Münster.

Das sagen wir dazu:

Was ist, wenn der Pkw abgeschafft wird?

 

Nicht außergewöhnlich sind Fälle, in welchen zunächst ein eigener Pkw vorhanden ist, aber im Laufe eines Rentenverfahrens aus welchen Gründen auch immer abgeschafft wird. Ein Fahrzeug, mit dem bei eingeschränkter Wegefähigkeit ein Arbeitsplatz zumutbar erreicht werden könnte, ist dann nicht mehr vorhanden.

 

Mit dieser Frage hat sich das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in einem Urteil vom Oktober 2021 befasst. Lesen Sie dazu:

 

Erwerbsminderungsrente bei Abschaffung des eigenen Pkw?