Kinder mit und ohne Behinderung sollen gemeinsam lernen – der Staat muss deshalb die Kosten einer angemessenen Schulbildung übernehmen. Copyright by WavebreakMediaMicro/Adobe Stock
Kinder mit und ohne Behinderung sollen gemeinsam lernen – der Staat muss deshalb die Kosten einer angemessenen Schulbildung übernehmen. Copyright by WavebreakMediaMicro/Adobe Stock

Das damals achtjährige Mädchen besuchte eine Inklusionsklasse an einer Bremer Grundschule. Wegen eines frühkindlichen Autismus und einer Verhaltensstörung erhielt es eine 1:1 Betreuung.
 

Sozialamt zahlt Autismustherapie nicht

Eine zusätzliche  - von den Eltern beantragte  - Autismustherapie wollte das zuständige Sozialamt nicht bezahlen, da es sich nicht um eine kostenprivilegierte Leistung handele. Die Eltern verfügten über ausreichend finanzielle Mittel, um die Kosten selbst zu tragen.
 
Außerdem gebe es eine interne Weisung, wonach das Sozialamt für die Schule keine zusätzliche Unterstützung durch das Autismus-Therapiezentrum gewährt.
 
Die Eltern dagegen hielten die Therapie für erforderlich. Dabei unterstützte sie die Klassenlehrerin und die behandelnden Ärzte ihrer Tochter. Denn die Therapie vermittele nicht nur soziale und lebenspraktische Fähigkeiten, sondern fördere auch das schulische Lernen.
 

Die Hilfe zur angemessenen Schulbildung

Die Hilfe zur angemessenen Schulbildung ist ein Fall der Eingliederungshilfe. Sie wird gewährt, damit behinderte Kinder gemeinsam mit gleichaltrigen Kindern lernen können.
 
Hintergrund ist, dass eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung sehr gut in Regelschulen gefördert werden können. Die zusätzliche Ausstattung und/oder eine intensivere Betreuung wird daher vom Staat übernommen. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sollen gleiche Entwicklungschancen und vor allem ein angemessenes Bildungsangebot bekommen.
 
Davon zu unterscheiden sind „Leistungen zur Sozialen Teilhabe", die vom Einkommen des Betroffenen abhängig ist. Hierunter fallen beispielsweise Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht.
 

Sozialamt muss Kosten für die Therapie zahlen

Das Landessozialgericht hat das Sozialamt verurteilt, die Kosten für die Therapie zu bezahlen. Die Leistung sei als „Hilfe zur angemessenen Schulbildung“ anzusehen und damit kostenprivilegiert.
 
Eine Autismustherapie fördere die Aufmerksamkeit und Konzentration, sowie die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten. Sie trage zu einem erfolgreichen Schulbesuch bei, da sie die Vermittlung von Unterrichtsinhalten, Sprachverständnis und Sozialverhalten verbessern könne.
 
Es sei nicht erforderlich, dass die Maßnahme allein auf den Schulbesuch ausgerichtet ist. Ausreichend sei schon, dass sie diesen nur erleichtert. Auf die interne Weisungslage der Behörde komme es nicht an.
 
Links
Pressemitteilung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
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Rechtliche Grundlagen

§ 54 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe

§ 54 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe

(1) Leistungen der Eingliederungshilfe sind neben den Leistungen nach § 140 und neben den Leistungen nach den §§ 26 und 55 des Neunten Buches in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung insbesondere

1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt,
2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule,
3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit,
4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56,
5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben.

Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.