Vom Schweißer bis zum Erzieher war es für den Kläger ein beschwerlicher Weg. © Adobe Stock: Pixel-Shot
Vom Schweißer bis zum Erzieher war es für den Kläger ein beschwerlicher Weg. © Adobe Stock: Pixel-Shot

Schweißer sind ständigen Expositionen von Schweißdämpfen ausgesetzt. Dass dies gesundheitliche Folgen haben kann, musste ein Mann aus dem Raum Hannover erfahren. Er erkrankte arbeitsunfähig, musste zur Kur, nahm anschließend an einer Arbeitserprobung teil und erhielt dann doch die Kündigung. Sein Arzt schrieb ihn durchgehend weiter krank.

 

Vor der Umschulung stand eine Qualifizierungsmaßnahme

 

Der Mann entschloss sich zu einer Umschulung zum Erzieher. Die Rentenversicherung stellte seine Eignung hierfür fest und erklärte sich bereit, die Kosten für diese Qualifizierungsmaßnahme unter der Voraussetzung zu übernehmen, dass er eine einjährige Ausbildung zum Sozialassistenten auf eigene Kosten durchführte.

 

Schon unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung meldete der Arbeitgeber den Mann bei der Krankenkasse ab. Das nahm die Kasse zum Anlass, ab dann auch das Krankengeld zu streichen. Durch die Aufnahme der Schulausbildung ende das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis. Danach sei Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die bisherige Tätigkeit als Schweißer, die der Mann zweifelsfrei nicht mehr ausüben könne, sondern dessen schulische Ausbildung. Dieser stehe aus ärztlicher Sicht nichts im Wege.

 

Der Arzt hatte durchgehend weitere Arbeitsunfähigkeit als Schweißer bescheinigt

 

Mit Unterstützung des DGB Rechtsschutz Hannover erhob der Mann Klage beim Sozialgericht. Zum einen sei zu diesem Zeitpunkt die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen, argumentierte er, zum anderen habe der Arbeitgeber ihn nicht unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Aufgrund seiner Erkrankung als Schlosser im bestehenden Arbeitsverhältnis dürfe die Kasse ihn auch nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen. Dass er sich schulisch fortbilde, stehe der Pflicht zur Zahlung von Krankengeld nicht entgegen. Krankenversicherungspflichtigen Mitgliedern stehe es während einer Arbeitsunfähigkeit frei, die Krankheitszeit individuell zu gestalten, sofern das der Genesung nicht entgegenstehe. Ob er eine Schule besuchen oder nur spazieren gehe, spiele keine Rolle.

 

So sah es auch das Sozialgericht. Aufgrund des Versicherungsschutzes aus dem Beschäftigungsverhältnis sei der Kläger mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert. Der Kläger habe noch für etwa ein halbes Jahr nach Ausspruch der Kündigung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Damit habe er die Arbeitsunfähigkeit auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus belegt. Das reiche für einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld aus.

 

Der Schulbesuch ändert an der festgestellten Arbeitsunfähigkeit nichts

 

Wolle der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Schweißer bereits mit Ausspruch der Kündigung enden lassen, müsse er zumindest eine unwiderrufliche Freistellung von der Arbeit ohne Fortbestehen der Entgeltzahlungspflicht erklärt haben.

 

Zwar würden die tatsächlichen Umstände hierfür sprechen, denn einen leidensgerechten Arbeitsplatz habe der Arbeitgeber nicht anbieten wollen. Das zeige der Ausspruch der Kündigung. Andererseits habe der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und der Kündigung damit widersprochen. Der Kläger habe im Gerichtstermin auch erklärt, die Umschulung wieder abzubrechen, wenn ihm ein leidensgerechter Arbeitsplatz angeboten worden wäre.

 

Der Kläger könne außerdem durchgehend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorweisen. Diese bezogen sich auf die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Schweißer. Versicherungspflichtig Beschäftigte seien arbeitsunfähig, wenn sie durch Krankheit daran gehindert seien, ihre arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten.

 

Für den Kläger bleibt der Beruf des Schweißers maßgeblich

 

Der Kläger habe zuletzt als Schweißer gearbeitet und könne diese Tätigkeit nicht mehr ausüben. Andere, leidensgerechte Tätigkeiten habe der Arbeitgeber nicht angeboten. Die Kasse hätte den Kläger nur auf eine gleich oder ähnlich geartete Tätigkeit „verweisen" dürfen. Der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten sei eng zu ziehen. Handele es sich wie bei der letzten Tätigkeit des Klägers als Schweißer um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheide eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufes liegende Beschäftigung aus.

 

Die Kasse dürfe sich nicht darauf berufen, dass der Kläger durch die Arbeitsunfähigkeit keine Einkommenseinbuße erlitten habe. Zwar solle das Krankengeld den Ausfall von Arbeitsentgelt ausgleichen. Einen Entgeltausfall habe der Kläger zumindest mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gehabt, denn er habe sich nicht arbeitslos gemeldet und auch keinen konkreten Anschlussarbeitsplatz in Aussicht gehabt.

 

Der Kläger erzielte einen Vorteil durch den Krankengeldbezug

 

Billige man dem Krankengeld zu, werde er im Ergebnis finanziell bessergestellt, als er ohne die Erkrankung gestanden hätte. Dennoch könne der Kläger das Krankengeld beanspruchen. Das Lohnersatzprinzip sei nach dem Gesetz nämlich keine uneingeschränkte Voraussetzung für die Zahlung von Krankengeld. Aus den Vorschriften über die Höhe und die Berechnung des Krankengeldes lasse sich lediglich ersehen, dass vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt bezogen worden sein müsse. Daran knüpfte das Gesetz für die Berechnung des Krankengeldes an.

 

Daraus habe das Bundessozialgericht in seiner höchstrichterlichen Rechtsprechung abgeleitet, dass der Lohnersatzfunktion nur bei der erstmaligen Berechnung von Krankengeld Bedeutung zukomme. Für das Schicksal eines einmal entstandenen Krankengeldanspruchs in der Zukunft solle es auf diesen Gesichtspunkt nicht mehr ankommen.

 

Der Schulbesuch verdrängt den Krankengeldanspruch nicht

 

Die Teilnahme an einer Qualifizierung könne nicht zu einer Beendigung der Arbeitsunfähigkeit führen. Denn eine Arbeitsunfähigkeit mit Bezug auf den zuletzt ausgeübten Beruf ende erst, wenn der*die Versicherte freiwillig ein neues Beschäftigungsverhältnis eingehe.

 

Der Kläger könne daher Krankengeld bis zum Datum der letzten Krankschreibung durch seinen Arzt beanspruchen.

 

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Hannover.