Auch mit Morbus Bechterew darf man Ski fahren © Adobe Stock - Tobias
Auch mit Morbus Bechterew darf man Ski fahren © Adobe Stock - Tobias

Wieso hatte sich die Krankenkasse geweigert, Krankengeld zu zahlen, obwohl der Kläger noch arbeitsunfähig war? Sie war der Meinung, der damals 59 Jahre alte Mann, erkrankt an Morbus Bechterew, hätte seiner Gesundheit zu liebe gar nicht Skifahren dürfen.

 

Dabei spielten diese Dinge eine Rolle:

Der Mann war vor dem Unfall einige Wochen lang krankgeschrieben, da sich die Schmerzen wegen des Morbus Bechterew verstärkt hatten. Der Unfall passierte auf einer roten Piste in Österreich. Einen Aufenthalt im Ausland hatte die Kasse nicht genehmigt.  

 

Krankenkasse muss Krankengeld nachzahlen

 

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der DGB Rechtsschutz München Klage beim Sozialgericht. Die Vorsitzende Richterin entschied per Gerichtsbescheid zugunsten des Klägers.

 

Der Kläger hatte lediglich einen Tagesausflug in ein deutsch-österreichisches Skigebiet gemacht. Das Thema Auslandsaufenthalt konnte das Gericht damit schnell abhandeln. Für den Anspruch auf Krankengeld spielte es keine Rolle, dass der Kläger in Österreich gestürzt war.

 

Wann liegt ein Selbstverschulden vor?

 

Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich zugezogen, kann die Krankenkasse das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern (§ 52 SGB V). Auf diese Regelung berief sich die Krankenkasse.

 

Der Kläger habe die Obliegenheit verletzt, nur Tätigkeiten auszuüben, die seiner Gesundheit förderlich sind und keine risikobehafteten gefährlichen Aktivitäten. Das Befahren einer roten Piste in einem hoch frequentierten Skigebiet bringe eine hohe Unfallgefahr mit sich. Zudem sei es dem Kläger - anders als einem gesunden Skifahrer - nicht möglich, sich durch passende Bewegungsabläufe zu schützen. Er habe sich trotzdem bewusst und eigenverantwortlich diesem gesteigerten Risiko ausgesetzt.

 

Wer krankgeschrieben ist, habe alles zu unterlassen, was dem Gesundheitszustand abträglich sei, so die Meinung der Krankenkasse. Dem tritt die Vorsitzende Richterin hier deutlich entgegen und stellt klar:

 

  • Das Gesetz kennt eine allgemeine Pflicht zur Gesunderhaltung nicht.
  • Im Sozialversicherungsrecht gibt es kein Verbot der Selbstschädigung.
  • Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich unabhängig vom Verschulden.
  • Bei § 52 SGB V handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift.

 

Auch mit Morbus Bechterew darf man Ski fahren

 

Der Kläger hat sich nach Einschätzung der Richterin keinem erhöhten Risiko ausgesetzt. Sie stellte im Urteil klar, dass es sich bei einer roten Piste um eine mittelschwere Piste handelt und der Kläger ein geübter Skifahrer ist.

 

Außerdem hatte der Kläger den Skisport trotz der Erkrankung des Morbus Bechterew weiter ausgeübt und das - anders als die Krankenkasse es verstehen wollte - nicht gegen ärztlichen Rat.

 

Morbus Bechterew ist eine rheumatische Erkrankung, gekennzeichnet durch Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule. Tägliche Bewegungsübungen sollen die Wirbelsäule beweglich halten und einer Versteifung entgegenwirken. Der behandelnde Arzt hatte zu mäßiger, schonender Bewegung geraten. Seine Stellungnahme versteht das Gericht so, dass er den Skisport darunter einstuft, da der Kläger schon jahrzehntelang Ski fährt. 

 

Der Unfall geschah nicht vorsätzlich

 

Wer Sport treibe, setze sich zwar einem Verletzungsrisiko aus, er hoffe aber dennoch regelmäßig darauf, dass dessen Eintritt in seinem Fall vermieden werden kann. So die grundsätzliche Meinung des Gerichts zum Thema Selbstverschulden beim Sport.

 

Im Ergebnis habe der Kläger die Schulterverletzung infolge eines Sturzes nicht billigend in Kauf genommen. Aufgrund seiner Erfahrung, und, da er nicht zum ersten Mal im Laufe seiner Grunderkrankung Skifahren war, habe er davon ausgehen können und dürfen, dass keine weitere Erkrankung eintreten wird.

 

 

LINKS:

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München ist hier nachzulesen.

 

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Rechtliche Grundlagen

§ 52 SGB V Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden

(1) Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen, kann die Krankenkasse sie an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern.
(2) Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern.