Kein Arbeitsunfall: Der Weg vom Wohn- ins Arbeitszimmer unterliegt nicht dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Copyright by Adobe Stock/Brian Jackson
Kein Arbeitsunfall: Der Weg vom Wohn- ins Arbeitszimmer unterliegt nicht dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Copyright by Adobe Stock/Brian Jackson

Mit dem aktuellen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen setzt sich eine Rechtsprechung fort, die Arbeiten im Homeoffice für Beschäftigte gefährlich macht. Denn sie sind schlechter abgesichert, als ihre Kolleg*innen im Betrieb.
 

Kläger stürzt auf der Treppe ins Homeoffice

Geklagt hatte ein Außendienstmitarbeiter, der regelmäßig Arbeiten im Homeoffice ausübte. Im September 2018 war er auf dem Weg von den Wohnräumen in sein Büro eine Treppe hinuntergestürzt. Er hat dabei einen Brustwirbeltrümmerbruch erlitten.
 
Er beantragte daraufhin bei der zuständigen Berufsgenossenschaft, diesen Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Berufsgenossenschaft lehnte dies ab. Der Sturz habe sich im häuslichen Wirkungskreis und nicht auf einem versicherten Weg ereignet.
 
Nachdem das erstinstanzliche Sozialgericht dem Kläger noch recht gegeben hatte, lehnte das LSG nun den Anspruch ab.
 

Kein Wegeunfall im Homeoffice

Das Gericht sah die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles nicht als erfüllt an. Der Weg von den Wohnräumen zum Arbeitszimmer sei weder ein „Weg nach dem Ort der Tätigkeit“ noch als Betriebsweg anzusehen.
 
Ein Wegeunfall sei nur denkbar zwischen dem Durchschreiten der eigenen Haustür und der Ankunft im Betrieb. Das LSG schloss sich insofern der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, nach der es im Homeoffice keine Wegeunfälle geben kann BSG entscheidet: im Home-Office gibt es keinen Wegeunfall!
Ein Unfallversicherungsschutz ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Betriebsweges. Als Betriebswege werden Wege bezeichnet, die Beschäftigte während ihrer Arbeit im Betrieb zurücklegen. Sie gehören unmittelbar zur versicherten Tätigkeit. Ein solcher liege schon deshalb nicht vor, weil der Kläger erst auf dem Weg war, seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice aufzunehmen.

Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 9. November 2020
 
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Das sagen wir dazu:

Das Urteil des Landessozialgerichts fügt sich nahtlos in die Rechtsprechung zu Arbeitsunfällen im Homeoffice ein. Schon in seinem ersten Urteil vom Juli 2016 hat das Bundessozialgericht den Versicherungsschutz abgelehnt, weil die Klägerin einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen sei, als sie aus ihrem Homeoffice im Dachgeschoss in die Küche ging, um sich dort etwas zu trinken zu holen Bundessozialgericht zu Arbeitsunfällen im „Homeoffice“.

Arbeitsunfall im Homeoffice nur für unmittelbar dienstliche Tätigkeiten

Im Januar letzten Jahres – kurz vor Beginn der Pandemie – entschied das BSG außerdem, dass ein Wegeunfall im Homeoffice schon denklogisch ausscheide, da es ja keinen Weg zur Arbeit gebe BSG entscheidet: im Home-Office gibt es keinen Wegeunfall!
In dem Fall war eine Arbeitnehmerin, die im Teleworking im Homeoffice arbeitete, auf dem Weg nach Hause gestürzt, nachdem sie ihr fünfjähriges Kind mit dem Fahrrad zum Kindergarten gebracht hatte.

Den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung genießen Beschäftigte im Homeoffice daher nur, wenn sie unmittelbar bei dienstlichen Verrichtungen einen Unfall erleiden. Beispielsweise, wenn sie auf dem Weg vom Laptop zum Drucker stürzen.

DGB: Wer im Homeoffice arbeiten soll, muss auch gut geschützt sein

Damit stehen sie gegenüber ihren Kolleg*innen im Betrieb deutlich schlechter. Denn hier sind beispielsweise Gänge zur Essensaufnahme oder zur Toilette unproblematisch unfallversichert. Der DGB hat daher schon zu Beginn der Pandemie gefordert, Unfälle, die sich im Homeoffice ereignen, im Zweifelsfall als Arbeitsunfälle zu werten Corona: DGB fordert bessere Absicherung für Beschäftigte.
Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes die Beschäftigten derzeit massiv drängt, ihre Arbeit vom Betrieb ins häusliche Umfeld zu verlegen, wäre es nur angemessen, hier auch für einen gleichen Unfallversicherungsschutz zu sorgen.

Das vorliegende Urteil bietet daher Anlass, die Forderung nach besserer Absicherung der Beschäftigten im Homeoffice noch einmal zu bekräftigen.

Rechtliche Grundlagen

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII

§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.