Der Kläger war laut Arbeitsvertrag mit zehn Stunden wöchentlich beschäftigt, aber nicht immer so eingesetzt. Copyright by Adobe Stock/ baranq
Der Kläger war laut Arbeitsvertrag mit zehn Stunden wöchentlich beschäftigt, aber nicht immer so eingesetzt. Copyright by Adobe Stock/ baranq

Ein junger Mann aus dem Raum Hamburg, nennen wir ihn Claas, hatte einen Masterstudiengang im Bereich Mediengestaltung absolviert, anschließend einige Jahre selbstständig und später als Online-Redakteur gearbeitet. Zuletzt verrichtete er Tätigkeiten als Webdesigner. Im Arbeitsvertrag waren wöchentlich zehn Arbeitsstunden vereinbart. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers.
 

Claas hatte unterschiedliches Einkommen

Claas meldete sich arbeitslos. Der Arbeitgeber stellte eine Arbeitsbescheinigung aus, aus der sich für mehrere Monate des Beschäftigungszeitraums unterschiedliche Einkommen ergaben. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Wochenstundenzahl habe sich während des Beschäftigungsverhältnisses nicht geändert.
 
Ausweislich einer Bescheinigung der AOK war Claas versicherungspflichtig beschäftigt. Die Agentur für Arbeit meinte jedoch, aus den vorgelegten Verdienstabrechnungen erkennen zu können, dass Claas zeitweilig von der Arbeit freigestellt gewesen war.
 

Der Kampf ums Arbeitslosengeld begann

Dennoch lehnte die Agentur für Arbeit die Zahlung von Arbeitslosengeld ab. Claas sei in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung für weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. In einigen Monaten habe er weniger als geringfügig gearbeitet. Die Anwartschaftszeit sei deshalb nicht erfüllt und deshalb bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.
 
Claas wandte sich an das DGB Rechtsschutzbüro Hamburg und erhob Klage beim Sozialgericht. Dort reichte Claas seinen Arbeitsvertrag ein. Ausweislich der Formulierung im Arbeitsvertrag orientierten sich die zeitliche Verteilung der Arbeitszeit und der tägliche Arbeitsbeginn an den betrieblichen Erfordernissen. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitszeiten jeweils spätestens am Ende einer Woche für die folgende Woche festzulegen.
 
Im Arbeitsvertrag stand außerdem, dass der Arbeitseinsatz variabel erfolgen, aber mindestens zehn Stunden in einer Kalenderwoche zu je 15 € pro Stunde betragen sollte.
 

Claas soll mindestens in einem Monat nicht gearbeitet haben

Während des Verfahrens wies die Agentur für Arbeit darauf hin, dass das Einkommen von Claas monatlich sehr unterschiedlich gewesen sei und zumindest für einen Monat festgestanden habe, dass der Kläger zwar bezahlt wurde, aber nicht gearbeitet hatte.
 
Das Sozialgericht Hamburg entschied zugunsten des Klägers. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe Claas die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Arbeitslosengeld erfüllt.
 

Claas war versicherungspflichtig beschäftigt

Die Anwartschaftszeit habe erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Rahmenfrist betrage zwei Jahre und beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine Versicherungspflicht bestehe, sofern Beschäftigte nicht wegen geringfügiger Beschäftigung versicherungsfrei seien.
 
Nach dem Gesetz liege eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung regelmäßig 450 € im Monat nicht übersteige. Der Kläger sei nicht nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen. Die AOK habe ihn als Pflichtversicherten aufgenommen.
 

Claas hatte einen Monatsverdienst von 600 €

Im Arbeitsvertrag habe Claas mit seinem Arbeitgeber vereinbart, wenigstens zehn Stunden wöchentlich eingesetzt zu werden. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich eine Vergütung von 15 € pro geleisteter Arbeitsstunde. Das ergebe einen Monatsverdienst von 600 €.
 
Der Arbeitgeber habe in der Arbeitsbescheinigung auch erklärt, dass die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit sich während des Beschäftigungsverhältnisses nicht geändert habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Kläger in den einzelnen Monaten tatsächlich in dem vertraglich vereinbarten Umfang beschäftigt worden sei.
 

Die Versicherungspflicht ist vorausschauend zu prüfen

Über das Vorliegen von Versicherungspflicht bestand bereits zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses Klarheit. Anders als die Beklagte meine, ergebe sich die regelmäßige Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze aus einer vorausschauenden und nicht aus einer rückschauend Betrachtung.
 
Vorausschauend betrachtet habe festgestanden, dass Claas zehn Stunden wöchentlich mit einer Vergütung von 15 € pro Stunde arbeiten sollte. Daran ändere auch nichts, dass die tatsächliche Arbeitszeitgestaltung variabel vereinbart war. Entscheidend sei nämlich, dass der Arbeitsvertrag von vorneherein von einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze ausging.
 
Die Agentur für Arbeit musste zahlen!
 

Gerichte schauen genau hin

Ähnlich war es einer Betreuungskraft bei der Arbeiterwohlfahrt ergangen. Bei ihr wollte der Arbeitgeber wohl die Versicherungspflicht umgehen. Er spaltete ihr Arbeitsverhältnis auf und zahlte für einen Teil ihrer Tätigkeit keine Vergütung, sondern eine Aufwandsentschädigung mit der Konsequenz, dass die Agentur für Arbeit keine Versicherungspflicht annahm und der Frau das Arbeitslosengeld versagte.
 
Aber auch hier schaute das Gericht genau hin: Die Umgehung der Versicherungspflicht hielt das Gericht für rechtswidrig mit der Konsequenz, dass die Betreuungskraft nach ihrer Meldung bei der Agentur für Arbeit ebenfalls Arbeitslosengeld erhalten konnte.

Hier geht es zum Urteil
 
Lesen Sie dazu:
Schulbetreuungskraft ist versicherungspflichtig tätig

Rechtliche Grundlagen

§ 137 SGB III,§ 142 SGB III

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594)
§ 137 Anspruchsvoraussetzungen bei Arbeitslosigkeit
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer

1.
arbeitslos ist,
2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594)
§ 142 Anwartschaftszeit
(1) Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Zeiten, die vor dem Tag liegen, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen ist, dienen nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit.
(2) Für Arbeitslose, die die Anwartschaftszeit nach Absatz 1 nicht erfüllen sowie darlegen und nachweisen, dass

1.
sich die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage überwiegend aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergeben, die auf nicht mehr als 14 Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet sind, und
2.
das in den letzten zwölf Monaten vor der Beschäftigungslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt das 1,5fache der zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches nicht übersteigt,

gilt bis zum 31. Dezember 2022, dass die Anwartschaftszeit sechs Monate beträgt. § 27 Absatz 3 Nummer 1 bleibt unberührt.