Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten von der Arbeitsagentur gefördert werden. Copyright by Gajus/Adobe Stock
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten von der Arbeitsagentur gefördert werden. Copyright by Gajus/Adobe Stock

Der Kläger hat eine von der Agentur für Arbeit geförderte Umschulung zum Kfz-Mechatroniker gemacht. Während dieser Maßnahme zur beruflichen Eingliederung bezog er Arbeitslosengeld.
 
In dieser Zeit zog der Kläger um. Seine neue Adresse teilte er der Arbeitsagentur etwa acht Monate später mit. Daraufhin verlangte diese Arbeitslosengeld von fast 9.000 € zurück. Wer postalisch nicht erreichbar sei, habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das gelte auch während einer Maßnahme zur Weiterbildung.

Klage und Berufung erfolglos

Das Sozialgericht Trier und das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz teilten die Meinung der beklagten Agentur für Arbeit. Arbeitslose in einer Weiterbildung stünden zwar den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur während der Maßnahme nicht zur Verfügung. Das Gesetz verzichte aber für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht auf die Verfügbarkeit im Ganzen. Bei dem Erfordernis der Erreichbarkeit verbleibe es.
Und nicht die geförderte Weiterbildungsmaßnahme habe dazu geführt, dass der Kläger nicht erreichbar war, sondern, dass er umgezogen sei, ohne dies der Beklagten mitgeteilt zu haben.
 
Der Kläger verfolgte sein Ziel, das Arbeitslosengeld nicht zurückzahlen zu müssen, weiter. Es sei unschädlich, dass er durch seinen Umzug nicht erreichbar war. Denn ohnehin habe er während der Umschulung keine Vermittlungsvorsachläge bekommen und musste damit auch nicht rechnen.
 

Revision erfolgreich: Arbeitslosengeld bei Weiterbildung erfordert keine Erreichbarkeit

Das Bundessozialgericht (BSG) hat eine andere rechtliche Einschätzung als die Vorinstanzen. Von Arbeitslosen in einer Weiterbildungsmaßnahme sei nicht zu fordern, dass sie Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten können.
 
Das BSG schaute dafür auf die Regelungen zum Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (§ 138 SGB III) und zum Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung (§ 144 SGB III). Schon die unterschiedliche Bezeichnung der Leistungen lege nahe, dass während einer Weiterbildung nicht alle Voraussetzung für eine "Arbeitslosigkeit" erfüllt sein müssten.
Dafür spreche auch der gesetzliche Sinn und Zweck. Der Gesetzgeber habe das Leistungsrecht vereinfachen und nicht Nachteile für die Betroffenen schaffen wollen.
 
LINKS:
Lesen Sie zum Thema postalische Erreichbarkeit auch: Gnadenlose Agentur für Arbeit

Das sagen wir dazu:

Gut, dass es zu der Thematik „Arbeitslosengeld und Erreichbarkeit“ mal eine positive Entscheidung vom BSG gibt. Denn die Rechtsprechung ist bei verspätet mitgeteilten Umzügen zum Teil unerbittlich. So spielt es für eine Rückforderung des Arbeitslosengeldes keine Rolle, ob die Agentur für Arbeit in der Zeit zwischen Umzug und Info über die neue Adresse überhaupt versucht hat, einen Job zu vermitteln. Die Rechtslage ändert sich auch nicht durch einen Nachsendeantrag.

Trotz der Entscheidung verbleibt es dabei, dass strenge Maßstäbe für die Erreichbarkeit gelten, wenn man regulär Arbeitslosengeld bezieht. Es ist aber richtig, wenn das BSG für Arbeitslosengeld während einer Maßnahme zur beruflichen Bildung anders an die Sache herangeht. Die Förderung erfolgt in diesen Fällen schließlich, damit die Betroffenen nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und nicht länger arbeitslos sein müssen. Während der Maßnahme müssen sie weder damit rechnen, Jobvorschläge zu erhalten, noch – wie das BSG ergänzt – zeit- und ortsnah auf Post aus dem Hause der Arbeitsagentur reagieren können.  

Es ist verständlich, dass der Kläger sich nichts dabei dachte, die Agentur für Arbeit erst viel später über seine neue Adresse zu informieren. Welchen Sinn es haben soll, einen arbeitslosen Menschen zu fördern und ihm dann im Prinzip wegen einer Formalität den Lebensunterhalt zu entziehen, vermögen vielleicht nicht mal die Mitarbeiter bei den Arbeitsagenturen zu erklären. Sie berufen sich auf die Gesetze. Die Klarstellung des Bundessozialgerichts ist deshalb wichtig.

Rechtliche Grundlagen

§ 144 SGB III Anspruchsvoraussetzungen bei beruflicher Weiterbildung

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.
(2)…

§ 138 Arbeitslosigkeit
(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und
1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
(2) (3) (4) …
(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.