Erst drohen Kündigung und Verlust des Arbeitsplatzes - und dann kommt noch eine Sperrzeit. Copyright by Adobe Stock/DDRockstar
Erst drohen Kündigung und Verlust des Arbeitsplatzes - und dann kommt noch eine Sperrzeit. Copyright by Adobe Stock/DDRockstar

Der vom DGB Rechtsschutz vertretene Kläger aus dem Raum Augsburg lief Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Das teilte ihm jedenfalls sein Chef mit. Gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden überlegten beide, wie sie die Nachteile für den Kläger möglichst gering halten können.
 

Der Chef war bereit, eine Abfindung zu zahlen

Man einigte sich schließlich auf einen Aufhebungsvertrag, nach dem der Mitarbeiter 5.500 € erhalten sollte. Damit lag die Abfindung etwa 120 € über der Regelabfindung von 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr. Die Kündigungsfrist hielten der Kläger und sein Chef ein.
 
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beantragte der Kläger Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit wies ihn darauf hin, er habe seine Arbeitslosigkeit selbst verursacht. Bei einer betriebsbedingten Kündigung wäre außerdem die Sozialauswahl zu berücksichtigen gewesen. Dies habe beim Aufhebungsvertrag keine Beachtung gefunden.
 

Die Sperrzeit betrug drei Wochen

Die Agentur für Arbeit verhängte deshalb eine Sperrzeit. Sie sollte zunächst zwölf Wochen betragen, wurde später aber auf drei Wochen herabgesetzt. Der Kläger war damit nicht einverstanden und klagte gegen den Sperrzeitbescheid.
 
Das Sozialgericht Augsburg gab der Klage statt. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe für die Dauer einer Sperrzeit, wenn ein versicherungswidriges Verhalten vorliege, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Das gelte auch für den Fall, dass das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt wird.
 

Auf das Ende des Arbeitsverhältnisses kommt es an

Die Dauer der Sperrzeit beträgt regelmäßig zwölf Wochen. Sie verkürzt sich auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen ohnehin geendet hätte.
 
Der Kläger habe sein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag aufgelöst. Durch seine Zustimmung habe er eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt, so das Sozialgericht.
 
Sein Verhalten sei also nicht rein passiv gewesen, sondern er habe durch eigenes Zutun das Ende seines Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführt. Von wem die Initiative ausgegangen sei, spiele keine Rolle.
 

Der Kläger hatte seine Arbeitslosigkeit selbst verursacht

Aufgrund dessen habe der Kläger seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Denn er habe keine konkrete Aussichten auf eine Anschlussbeschäftigung gehabt. Allerdings liege ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, der den Eintritt einer Sperrzeit verhindere.
 
Aus dem Ziel der Sperrzeitregelung im Gesetz beurteile sich, ob ein wichtiger Grund vorliege. Der Sperrzeitregelung liege der Gedanke zugrunde, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle werden müsse, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithelfe.
 

Der wichtige Grund muss sich auf den Zeitpunkt der Auflösung beziehen

Der wichtige Grund müsse nicht nur die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses als solches betreffen, sondern auch den Zeitpunkt der Auflösung. Als er den Aufhebungsvertrages unterschrieb, habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass sein Arbeitsverhältnis fristgemäß durch eine rechtzeitige arbeitgeberseitige und betriebsbedingte Kündigung enden würde.
 
Zwar sei ihm im Interesse der Versichertengemeinschaft grundsätzlich zuzumuten gewesen, diese Kündigung abzuwarten. Ein wichtiger Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses könne jedoch bestehen, wenn der Arbeitgeber eine fristgemäße, sozial gerechtfertigte Kündigung konkret androhe und der Kläger selbst keinen Anlass für die Kündigung gegeben habe. Die Hinnahme dieser Kündigung sei dann nicht zumutbar.

Das Kündigungsschutzgesetz hilft weiter

Außerdem seien die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes zu beachten. Danach könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in vor oder nach Ausspruch einer Kündigung eine Vereinbarung über die Zahlung einer Abfindung treffen.
 
Der Arbeitnehmer leiste damit zwar einen aktiven Beitrag zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Er verhalte sich auch versicherungswidrig. Dennoch stehe ihm nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein wichtiger Grund zur Seite.
 
Diese Person dürfe nicht schlechter gestellt werden, als jemand, auf den das Kündigungsschutzgesetz unmittelbar Anwendung finde.
 

Die Regelabfindung beträgt 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr

Das Kündigungsschutzgesetz sehe einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Beschäftigungsjahr vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf betriebliche Erfordernisse nach dem Kündigungsschutzgesetz kündige und dabei darauf hinweise, dass die Abfindung beansprucht werden kann, wenn die Frist für die Kündigungsschutzklage ohne Klageerhebung verstreicht.
 
Der Arbeitgeber könne Betroffenen den Arbeitsplatz damit nach festen Sätzen "abkaufen".
 

Der Arbeitgeber kaufte dem Kläger den Arbeitsplatz ab

Der Kläger habe eine Abfindung in Höhe von 5.500 € erhalten. Ausgehend von seinem Monatsverdienst liege der Betrag nur ca. 120 € über der Summe von einem Monatsverdienst je Beschäftigungsjahr.
 
Selbst in Fällen erheblicher Überschreitung der gesetzlichen Vorgaben würden Gerichte einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bejahen, solange keine Gesetzesumgehung durch die Arbeitsvertragsparteien im Sinne eines "Freikaufs" vom Kündigungsschutzgesetz feststellbar sei. Die Rechtmäßigkeit der drohenden betriebsbedingten Kündigungen seien in aller Regel nicht zu prüfen.
 

Eine Gesetzesumgehung liegt nicht vor

Von einer Gesetzesumgehung könne im Fall des Klägers nicht ausgegangen werden. Der Betriebsrat habe an dem Aufhebungsvertrag mitgewirkt. Darüber hinaus hätten neben dem Kläger weitere Beschäftigte eine Kündigung erhalten. Es liege auch keine maßgebliche Überschreitung der Abfindung nach den gesetzlichen Vorgaben vor.
 
Die Differenz betrage gerade einmal rund 120 €. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren werde in derartigen Fallgestaltungen ohnehin eher "aufgerundet". Die Abfindung von 5.500 €, wie sie im Aufhebungsvertrag vereinbart sei, halte sich daher im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
 
Eine Sperrzeit könne deswegen nicht eintreten.
 

Eigenkündigungen sind problematischer

Besonders problematisch sind Eigenkündigungen. Wer selbst kündigt, erhält regelmäßig eine 12-wöchge Sperrzeit.

Hier geht es zum Urteil
 
Lesen Sie dazu:
Sperrfrist nach Eigenkündigung
 
Allgemeines zur Stolperfalle Aufhebungsvertrag haben wir hier für Sie zusammengefasst:
Stolperfalle Aufhebungsvertrag

Rechtliche Grundlagen

§ 1a KSchG

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

§ 1a Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung

(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.