Immatrikuliert und trotzdem Arbeitslosengeld – geht das? Copyright by Adobe Stock/ DragonImages
Immatrikuliert und trotzdem Arbeitslosengeld – geht das? Copyright by Adobe Stock/ DragonImages

  Arbeitslose müssen grundsätzlich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Deshalb verpflichtete die Agentur für Arbeit einen jungen Mann, der noch etwa einen Monat lang Arbeitslosengeld beziehen konnte, sich bei einer Firma für eine Tätigkeit als Helfer vorzustellen. Das machte er jedoch nicht. Stattdessen teilte er mit, er habe sich an einer Hochschule immatrikuliert und nehme dort im folgenden Monat ein Studium auf. Die Agentur für Arbeit stellte daraufhin die Zahlung seines Arbeitslosengeldes ein.
 

Der Betroffene war nicht damit einverstanden, dass die Zahlung seines Arbeitslosengeldes eingestellt worden war

Hiermit war der Betroffene nicht einverstanden und beschritt den Rechtsweg. Die DGB Rechtsschutz GmbH vertrat den Kläger im Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers wiesen dabei auch ausdrücklich darauf hin, dass dem Kläger keine Sperrzeit verhängt worden war. Üblicherweise geschehe dies nämlich, wenn ein Vermittlungsvorschlag abgelehnt werde.
 
Die Agentur für Arbeit habe das Arbeitslosengeld eingestellt, weil der Kläger ein Studium aufnehmen wolle. Diese Begründung rechtfertige die Entscheidung der Arbeitsagentur jedoch nicht. Das sah das Sozialgericht ebenso.
 

Der Kläger bewarb sich nicht auf eine Arbeitsstelle, die ihm angeboten worden war.

Dem Kläger sei zwar eine Arbeitsstelle ab sofort angeboten worden, auf die er sich nicht beworben habe. Das Angebot sei auch mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen. Allerdings  habe die Arbeitsagentur keine Sperrzeit festgesetzt. Damit sei es zunächst einmal bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes geblieben.
 
Habe die Agentur für Arbeit sich nun von dieser Bewilligung lösen wollen, so müsse sie diejenigen rechtlichen Bestimmungen einhalten, die das Gesetz für die Rücknahme von Bescheiden vorsehe.
 

Das Gesetz gibt genau vor, wie bestandskräftige Bescheide aufgehoben werden dürfen

Die Agentur für Arbeit könne einen Bescheid, der bereits bestandskräftig sei, nur dann aufheben, wenn sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse geändert hätten. Eine solche Änderung sei beim Kläger jedoch nicht eingetreten.
 
Der Kläger sei nämlich weiter arbeitslos gewesen. Arbeitslos sei derjenige, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und sich bemühe, diese Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Er müsse auch der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen.
 

Schüler und Studierende stehen der Arbeitsvermittlung nur für versicherungsfreie Beschäftigungen zur Verfügung

Für Schüler und Studierende werde vermutet, dass sie nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausüben könnten. Diese Vermutung sei jedoch widerlegt, wenn der*die Schüler*in oder der*die Studierende darlege und nachweise, dass der Ausbildungsgang es zuließe, versicherungspflichtig in einem Umfang von wenigstens 15 Stunden pro Wochen zu arbeiten. Insbesondere müssten dabei die vorgeschriebenen Ausbildung- und Prüfungsbestimmungen eingehalten werden.
 
Der Kläger habe mitgeteilt, er sei an einer Hochschule immatrikuliert. In dem Zeitraum, für welchen der Kläger noch Arbeitslosengeld beziehen konnte, habe es jedoch noch keine Vorlesungen gegeben. Das reiche aus, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, nur versicherungsfrei arbeiten zu dürfen.
 

Damit stand der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung

Damit habe der Kläger im Zeitraum zwischen seiner Einschreibung an der Hochschule und dem Ende seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Dies entspreche auch eigenen, internen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit.
 
Diese Weisungen nähmen nämlich an, dass Arbeitslose zwischen dem Datum der Immatrikulation und dem tatsächlichen Beginn der Lehrveranstaltungen verfügbar seien. Dies gelte zumindest, wenn sie glaubhaft machten, dass noch keine Beanspruchung durch das Studium gegeben sei.
 

Daran ändert nichts, dass der Kläger sich nicht beworben hatte

Dass der Kläger sich trotz des Vermittlungsvorschlages der Beklagten auf der angebotenen Arbeitsstelle nicht beworben habe, ändere daran nichts. Es möge zwar sein, dass die Beklagte dafür das Recht gehabt hätte, eine Sperrzeit zu verhängen. Das habe sie jedoch nicht getan.
 
Die Beklagte habe die weitere Zahlung des Arbeitslosengeldes mit der Begründung abgelehnt, der Kläger nehme ein Studium auf. Nur diese Entscheidung müsse im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Eine Sperrzeit stehe demgegenüber nicht im Streit.
 
Das Studium habe jedoch noch nicht begonnen. Die Beklagte wurde daher verpflichtet, dem Kläger das gewünschte Arbeitslosengeld zahlen.

Hier geht ves zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Auch in diesem Verfahren sieht man einmal mehr, wie wichtig es ist, auf formale rechtliche Bestimmungen zu achten. Gibt es einen bestandskräftigen Bescheid, dann kann dieser nur dann aufgehoben oder abgeändert werden, wenn sich an den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen etwas geändert hat. Das gilt zumindest für den Regelfall.

Dabei müssen die einzelnen Tatsachen und Sachverhalte streng voneinander getrennt geprüft werden. Es ist wichtig, darauf zu achten, worauf der Aufhebungsbescheid die Änderungen der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zurückführt. Nur das, was der Bescheid an Begründungen enthält ist auch Gegenstand eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens.

Das Gericht darf und muss sich auf diese Begründung des Sozialversicherungsträgers beschränken. Wichtig sind hierbei dann immer auch versierte Prozessbevollmächtigte, wie sie bei der DGB Rechtsschutz GmbH bundesweit zu finden sind.

Rechtliche Grundlagen

§ 48 SGB X

§ 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.