Die Klägerin ist seit 2011 in Teilzeit als Verkaufshilfe in einem Betrieb der Systemgastronomie angestellt. Pro Kalenderjahr stehen ihr anteilig 14 Tage Urlaub zu. Das entspricht 28 Tagen bei einer Beschäftigung in einer 6-Tage-Woche.

Ab April 2020 galt für die Klägerin bedingt durch die Corona-Pandemie Kurzarbeit Null. Urlaubstage hatte sie bis dahin noch keine aus dem laufenden Jahr verbraucht.

Arbeitgeber rechnet den Urlaubsanspruch runter

Auf der Abrechnung für Mai 2020 standen dann als Basis für den anteiligen Urlaubsanspruch der Klägerin keine 28, sondern 23 Urlaubstage.

Mit Ihrer Klage beim Arbeitsgericht Essen wollte die Klägerin feststellen lassen, dass sie für das Jahr 2020 einen Urlaubsanspruch von 14 Tagen hat. Doch die Vorsitzende Richterin wies die Klage ab.
Entscheidend war dabei für die Richterin, dass für die Klägerin ab dem 01.04.2020 keine Arbeitspflicht bestand, da die Parteien Kurzarbeit Null vereinbart hatten. Da während der Kurzarbeit keine Arbeitsleistungen erbracht wurden, habe die Klägerin keine Urlaubsansprüche erworben.

Klägerin war von April bis Dezember 2020 wiederholt in Kurzarbeit Null

In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand die Kurzarbeit durchgängig. In den Monaten dazwischen hatte die Beklagte der Klägerin 11,5 Tage Urlaub gewährt und sah damit den Urlausanspruch für 2020 als erfüllt an.

Die Klägerin akzeptierte das abweisende Urteil aus Essen nicht. Die Kurzarbeit dürfe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche haben, da sie nicht auf ihren Wunsch erfolgte. Da sie während der Kurzarbeit Meldepflichten unterliege und die Arbeitgeberin die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden könne, habe die freie Zeit nicht als Freizeit geplant werden können.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Für Kurzarbeiter ist der Urlaub anteilig zu kürzen

Die Richter beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) beurteilen die Rechtslage genauso wie das Arbeitsgericht Essen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig zu, da er für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12 zu kürzen war.

Während der Kurzarbeit sind die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben. Das bedeutet, der Arbeitnehmer muss nicht arbeiten und der Arbeitgeber muss keinen Lohn zahlen. Das war für das LAG maßgeblich. Urlaub sei seinem Zweck nach zur Erholung zu gewähren, was jedoch eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraussetze. Kurzarbeit Null sei insbesondere nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen.

Corona-Pandemie ändere rechtlich nichts

Das LAG setzte sich auch mit Europäischen Recht auseinander. Dieses bestätige das Ergebnis, weil nach der Rechtsprechung des EuGH während einer Kurzarbeitsphase Null der europäische Mindesturlaubsanspruch nicht entstehe. Im deutschen Recht gebe es weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergebe sich etwas anderes aus dem Bundesurlaubsgesetz.

Dass die Kurzarbeit durch die Corona-Pandemie veranlasst wurde, ändere an der rechtlichen Wertung nichts.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

LINKS:
Das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Essen ist beim Justizportal Nordrhein-Westfalen nachzulesen

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DGB: Keine Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Kurzarbeit!
Unionsrecht: Jahresurlaub kann wegen vereinbarter Kurzarbeit gekürzt werden

Das sagen wir dazu:

Ein Thema mit großer Brisanz. Während der Corona-Pandemie haben zahlreiche Unternehmen Kurzarbeit eingeführt und für ihre Beschäftigten Kurzarbeitergeld beantragt. Eine höchstrichterliche Klärung zur Kürzung des Urlaubs steht noch aus und wird sicher für Viele von Interesse sein. 

Diejenigen, die der Ansicht sind, während der Kurzarbeit könnten Arbeitgeber die Ansprüche der Arbeitnehmer*innen kürzen, berufen sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
 

Ein Arbeitnehmer, der sich in einer Situation der „Kurzarbeit null“ befinde, könne Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nach dem Unionsrecht nur für die Zeiträume erwerben, in denen er tatsächlich gearbeitet habe. So sah die Bewertung des EuGH aus in einem Fall, in dem es um Transfer-Kurzarbeit aus einem Sozialplan ging. 

Kurzarbeit mit Teilzeitarbeit vergleichbar?

Der EuGH ging in seiner Beurteilung davon aus, Kurzarbeit sei mit Teilzeitarbeit vergleichbar. Nur so konnte er seine Rechtsprechung zur Berechnung von Urlaub bei Teilzeit anwenden. Ein Kurzarbeiter sei ähnlich wie ein Teilzeitbeschäftigter, gewinne eine vorhersehbare und frei gestaltbare Freizeit, die er nutzen könne, um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. 

Ein Gegenargument hierzu ist, dass die Kurzarbeit ihrem Wesen nach eher mit dem Annahmeverzug des Arbeitgebers vergleichbar ist als mit der Teilzeit. Denn das Kurzarbeitergeld soll als staatliches Instrument das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers mildern. 

Arbeitsfreie Zeit ist nicht gleich Freizeit

Die Klägerin hatte ihren ungekürzten Urlaubsanspruch auch damit begründet, dass Kurzarbeit nicht mit Freizeit gleichzusetzen sei. Für diese Ansicht gibt es gute Argumente. Die Beschäftigten müssen in Kurzarbeit stets damit rechnen, zurückgeholt zu werden, was nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt. Außerdem haben Beschäftigte in Kurzarbeit Meldepflichten gegenüber der Agentur für Arbeit.

Der DGB hat eine Bewertung zum Thema Urlaubskürzung und Kurzarbeit vorgenommen. In seinem Positionspapier begründet er auch, weshalb die Rechtsprechung des EuGH nicht übertragbar ist auf die konjunkturbedingte Kurzarbeit. Sein Fazit: Arbeitgeber, die konjunkturbedingt Kurzarbeit eingeführt haben, sind nicht berechtigt, einseitig Urlaubsansprüche ihrer Beschäftigten zu kürzen. 

Positionspapier DGB-Bundesvorstand vom 29. Juni 2020 HIER ZUM DOWNLOAD

Rechtliche Grundlagen

Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz)

Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz)
§ 3 Dauer des Urlaubs
(1) Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.
(2) Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.

RICHTLINIE 2003/88/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
Artikel 7 Jahresurlaub
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder
nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.