Wegen Corona haben viele Unternehmen ihre Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt. Jetzt wollen Arbeitgeber zusätzlich den Urlaub kürzen. Zu Unrecht, meint der DGB. Copyright by Adobe Stock/Danny
Wegen Corona haben viele Unternehmen ihre Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt. Jetzt wollen Arbeitgeber zusätzlich den Urlaub kürzen. Zu Unrecht, meint der DGB. Copyright by Adobe Stock/Danny

 Wegen der Ausbreitung des Coronavirus hatte die Bundesregierung im März 2020 ein Hilfspaket als Schutzschild für Arbeitnehmer*innen und Unternehmen auf den Weg gebracht. Teil des Paketes war, die Voraussetzungen für Kurzarbeit zu lockern. Das hat dazu geführt, dass viele Unternehmen dieses Instrument in Anspruch genommen haben. Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik waren mehr Beschäftigte in Kurzarbeit. Nach Berechnungen des Münchener Ifo-Instituts waren das im Mai 7,3 Millionen Arbeitnehmer*innen.

 

 

Arbeitgeber meinen, sie können den Urlaub kürzen, wenn Beschäftigte in Kurzarbeit sind

Nach dem Motto „machen wir das Beste daraus“ vertreten jetzt Arbeitgeber vermehrt die Position, sie könnten den Anspruch ihrer Beschäftigten auf Erholungsurlaub kürzen, wenn sie sich in Kurzarbeit befinden.
Die Anhänger dieser Rechtsauffassung sehen sich gestützt durch zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus den Jahren 2012 und 2018.  Der EuGH hatte vertreten, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nach dem Unionsrecht grundsätzlich anhand der Zeiträume der tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen seien. Ein Arbeitnehmer, der sich in „Kurzarbeit null“ befinde, könne Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nach dem Unionsrecht nur für die Zeiträume erwerben, in denen er tatsächlich gearbeitet habe.  Seine Bewertung stützte der EuGH auf der Annahme, Kurzarbeit sei mit der Teilzeitarbeit vergleichbar.

DGB: der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub ist zwingend und nicht tarifdispositiv

Der DGB wies jetzt in seinem Positionspapier darauf hin, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub ist zwingendes, nicht tarifdispositives Recht sei. Das Bundesurlaubsgesetz enthielte keinerlei Bestimmungen zu der Zulässigkeit der Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs bei Kurzarbeit.  
Dabei seien die Auswirkungen der Kurzarbeit auf das Urlaubsrecht im Bundesurlaubsgesetz geregelt. So blieben die aufgrund der Kurzarbeit entstandenen Verdienstkürzungen ausdrücklich ohne Auswirkung auf die Berechnung des Urlaubsentgelt. Diese Regelung seien auch nach dem Recht der Europäischen Union geboten: der EuGH habe bestätigt, dass Kurzarbeitszeiten die Höhe des Urlaubsentgelts nicht verringern dürften.
 

Eine Übertragung der Rechtsprechung zum „Sabbatical“ auf die aktuelle Situation verbietet sich

Zwar habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2019 entschieden, dass Arbeitnehmer für Zeiten, in denen sie zur Erbringung von Arbeit nicht verpflichtet seien, keinen Anspruch auf Erholungsurlaub hätten. Allerdings habe dieser Entscheidung ein Sonderurlaub, ein sogenanntes „Sabbatical“ zugrunde gelegen. Diese Fallkonstellation sei mit der konjunkturbedingten Kurzarbeit aus mehreren Gründen nicht vergleichbar. Eine Übertragung der Rechtsprechung auf die aktuelle Situation verbiete sich daher.  Dafür gibt es nach Auffassung des DGB gleich mehrere Gründe:

  1. anders als bei einem Sabbatical seien bei der konjunkturbedingten Kurzarbeit nicht verbindlich festgelegt, zu welcher Zeit und in welchem Umfang die Arbeitszeit reduziert wird. Die durch Kurzarbeit „gewonnene“ Freizeit sei daher nicht frei planbar.

  2. für das Bundesarbeitsgericht sei Kurzarbeitergeld ein staatlich angeordnetes Instrument zur Milderung des wirtschaftlichen Risikos des Arbeitgebers. Die Situation der Kurzarbeit sei damit ihrem Wesen nach eher mit dem Annahmeverzug des Arbeitgebers als mit Teilzeitarbeit oder Sabbatical vergleichbar.

  3. Kurzarbeiter*innen seien in ihrer Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt, weil sie zahlreiche Verpflichtungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit hätten.

  4. Wenn der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeiter*innen gekürzt werden könnte, seien sie insoweit schlechter gestellt als Arbeitslose.

  5. Beschäftigte, die ihren Erholungsurlaub nicht wie bisher vor der Kurzarbeit einsetzen müssen, sondern ihn später einsetzen dürfen, würden den noch vorhandenen Urlaubsanspruch aufgrund der Kurzarbeit verlieren. Sie würden damit schlechter gestellt als Beschäftigte, die ihren vollen Jahresurlaub vor dem Beginn der Kurzarbeit genommen haben. Das würde die politische Entscheidung konterkarieren, dass die Beschäftigten bei Kurzarbeit in Zusammenhang mit der Corona-Krise nicht verpflichtet seien, den Erholungsurlaub des laufenden Kalenderjahres zur Vermeidung des Arbeitsausfalls einzubringen.

  6. Diejenigen Zeiten, um die der Urlaub gekürzt würde, würden zu Lasten der Bundesagentur für Arbeit gehen, da sie ja für diese Zeit Kurzarbeitergeld zahlen müsste.

  7. Beschäftigte in den von Kurzarbeit betroffenen Bereichen, würden neben den reduzierten Einkünften zusätzlich Einschnitte beim Erholungsurlaub hinnehmen müssen und seien deshalb gegenüber den Beschäftigten, die nicht in Kurzarbeit geschickt würden, in doppelter Weise benachteiligt.

Die Möglichkeit von Kurzarbeit mildert das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers und darf die Beschäftigten nicht gleich zweifach benachteiligen

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind deshalb überzeugt, dass Arbeitgeber nicht berechtigt sind, den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch aufgrund der konjunkturbedingten Kurzarbeit zu kürzen, wie es aus Anlass der Corona-Krise vermehrt aufgetreten sei. Das werde nämlich weder vom deutschen Urlaubsrecht noch der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gedeckt.
 
Hier geht es zum Positionspapier des DGB

Lesen Sie zum Thema Kurzarbeit auch unsere Artikel:
„Corona: Leichterer Zugang zum Kurzarbeitergeld“

„Update Corona und Kurzarbeit“

„Gesetzliches Kurzarbeitergeld: Deutschland ist Schlusslicht in Europa“

„Keine Steuern auf Kurzarbeitergeld, aber höhere Steuern auf andere Einkünfte“
Für besonders Interessierte zum Thema Teilzeit und Kürzung des Urlaubs:

BAG, Urteil vom 19. März 2019  - 9 AZR 315/17  -, juris; Erholungsurlaub bei unbezahltem Sonderurlaub
EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2018  - C-385/17  -, juris