Tipp: Bei Kündigung immer die restlichen Urlaubsansprüche geltend machen
Tipp: Bei Kündigung immer die restlichen Urlaubsansprüche geltend machen


Zulässig ist eine Vereinbarung, wonach Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit der Forderung geltend machen müssen. Tarifverträge können auch kürzere Fristen vorsehen. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch verfallen, gleich ob er besteht oder nicht.

Verfallklausel erfasst auch Urlaubsabgeltungsansprüche

Unter dem Begriff Urlaubsabgeltungsansprüche wird die Auszahlung von Urlaubsansprüchen verstanden. Das ist während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich aber der Urlaubsanspruch in einen finanziellen Anspruch um, weil der Urlaub ja nicht mehr tatsächlich genommen werden kann.

Dieser Anspruch verfällt, wenn er nicht innerhalb der im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag enthaltenen Fristen geltend gemacht wird.

Arbeitnehmer verlangte Urlaubsabgeltung zu spät

Das Bundesarbeitsgericht hatte über folgenden Fall zu entscheiden (Urteil vom 17.10.2017, 9 AZR 80/17): Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer zum 31.10.2014. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage. 

Vor dem Landesarbeitsgericht einigten sich die Parteien am 13.11.2015 auf einen Vergleich. Danach sollte das Arbeitsverhältnis zum gekündigten Termin, also 31.10.2014, enden. Bis dahin sollte das Arbeitsverhältnis noch ordnungsgemäß abgewickelt werden. Im Termin wurde auch über noch offene Urlaubsansprüche gesprochen. Die Arbeitgeberin teilte auf Nachfrage mit, dass noch 30 Urlaubstage offen seien. In der Schlussabrechnung vom 25.11.2015 waren auch noch 30 Tage Urlaub ausgewiesen. 

Der Arbeitnehmer verlangte in einem weiteren Prozess Urlaubsabgeltung für 30 Tage in Höhe von 3.669 €. Die Klage erreichte die Arbeitgeberin am 23.12.2015.

Verfallklausel verstößt nicht gegen das Mindestlohngesetz

Seit dem 1.1.2015 gilt das Mindestlohngesetz. Darin ist die Regelung enthalten, dass Ansprüche auf den Mindestlohn nicht durch Vereinbarungen eingeschränkt werden dürfen. Verfallklauseln, die also dazu führen, dass Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Mindestlohn nicht durchsetzen können, sind unwirksam.

Das Mindestlohngesetz galt aber im Fall des Bundesarbeitsgerichts noch nicht. Denn das Arbeitsverhältnis endete bereits am 31.10.2014 und damit noch vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1.1.2015. Das Mindestlohngesetz schützt erst, wenn Entgeltansprüche und Mindestlohnansprüche zeitlich nebeneinander bestehen. 

Frist beginnt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitnehmer musste nach der vertraglichen Verfallklausel seine Ansprüche innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit der Forderung schriftlich bei der Arbeitgeberin geltend machen. Fälligkeit meint den Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist und vom Arbeitgeber erfüllt werden muss.

Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zu diesem Zeitpunkt erst können Arbeitnehmer eine Auszahlung von restlichen Urlaubsansprüchen verlangen.

Frist beginnt trotz Kündigungsschutzprozess

Erhebt der Arbeitnehmer Klage gegen die Kündigung, steht damit zwar noch nicht endgültig fest, ob es dabei bleibt, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Die Kündigung ist jedoch ein einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitgebers, das unmittelbare Rechtswirkungen hat. Es führt rechtlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Deshalb ist nach Ansicht der Richter des Bundesarbeitsgerichts der Urlaubsabgeltungsanspruch bereits zum Kündigungszeitpunkt fällig. Er muss vom Arbeitgeber erfüllt werden und kann vom Arbeitnehmer bereits zu diesem Zeitpunkt verlangt werden.

Frist beginnt nicht mit dem Vergleichsabschluss

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist es ohne Bedeutung, dass Arbeitgeberin und Arbeitnehmer sich erst später in einem Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben. Dieser Vergleich sah den gleichen Beendigungszeitpunkt wie die Kündigung vor. Damit habe der Arbeitnehmer  - so die obersten Arbeitsrichter  - seine Rechtsposition aufgegeben und in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt eingewilligt.

Der Vergleich enthielt auch keine Regelung zur finanziellen Abgeltung von Urlaubsansprüchen. Es reicht nicht, dass die Parteien in der Verhandlung nur über den Anspruch gesprochen haben. Er muss auch Gegenstand des gerichtlichen Vergleiches werden.

Die Kündigungsschutzklage wahrt die Frist nicht

Das Bundesarbeitsgericht hat wie bereits in früheren Entscheidungen (Urteil vom 21.2.2012, 9 AZR 486/10) festgestellt, dass Arbeitnehmer nicht mit der Kündigungsschutzklage die vereinbarte Verfallfrist einhalten. Mit einer Kündigungsschutzklage verlangten sie nicht ohne weiteres Urlaubsabgeltungsansprüche vom Arbeitgeber.

Denn der Urlaubsabgeltungsanspruch setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird. Mit der Kündigungsschutzklage verlange der Arbeitnehmer aber gerade das Gegenteil, nämlich den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. 

Urlaubsansprüche in der Abrechnung reichen nicht

Es nutzte dem Arbeitnehmer auch nichts, dass die noch offenen Urlaubsansprüche in der Schlussabrechnung ausgewiesen waren. Sie waren offensichtlich nicht als Zahlungsposition aufgeführt. Daraus schloss das Bundesarbeitsgericht, dass die Arbeitgeberin nicht auf Einwendungen gegen Forderungen des Arbeitnehmers verzichten wollte. 

Deshalb konnte sie gegen den Urlaubsanspruch nach wie vor einwenden, dass dieser nicht fristgerecht geltend gemacht worden ist.

Frist nicht eingehalten  - keine Urlaubsabgeltung mehr

Da das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2014 beendet war, musste der Arbeitnehmer spätestens 3 Monate danach, also am 31.1.2015, Urlaubsabgeltung von seiner Arbeitgeberin schriftlich verlangt haben. Die der Arbeitgeberin erst am 23.12.2015 zugegangene Klage, in der der Anspruch enthalten war, war also zu spät. 

Links:

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.2017 kann hier nachgelesen werden


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Bundesarbeitsgericht: Klageerhebung allein reicht nicht, um die tarifliche Ausschlussfrist zu wahren

Geltendmachung rettet Urlaubsanspruch


Es ist seltener, aber auch dem Arbeitgeber kann die Verfallfrist zum Verhängnis werden:

Ausschlussfrist gilt auch für Arbeitgeber

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung zeigt erneut, wie gefährlich Verfallfristen sind und wie leicht sie dazu führen können, dass eigentlich bestehende Ansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können.

Man sollte sich also folgendes merken und berücksichtigen:

  • Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt, sollten Arbeitnehmer vorsorglich Bezahlung ihrer restlichen Urlaubsansprüche schriftlich verlangen. Das sollten sie auch tun, wenn sie sich noch gegen die Kündigung wehren wollen.
  • Es ist auch möglich, die Abgeltung von Urlaubsansprüchen in die Klageschrift, mit der die Kündigung angegriffen wird, aufzunehmen. Dann muss darin allerdings konkret stehen, dass noch restliche Urlaubsansprüche (möglichst wie viele) bestehen und vorsorglich deren Vergütung (Abgeltung) geltend gemacht wird.


Je nachdem, wie kurz z. B. tarifliche Verfallfristen sind, empfiehlt es sich in diesem Fall, die Klageschrift zur Geltendmachung dem Arbeitgeber vorab zuzuschicken bzw. wegen des Nachweises zu faxen. Denn es nicht gesichert, dass das Gericht dem Arbeitgeber die Klageschrift rechtzeitig zukommen lässt.

  • Ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht rechtzeitig geltend gemacht worden, ist das Versäumnis noch bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches möglicherweise zu „retten“. Dann aber muss in den Vergleich ausdrücklich aufgenommen werden, dass sich der Arbeitgeber zur Urlaubsabgeltung verpflichtet.

Verfallfristen zum Mindestlohn sind seit dem 1.1.2015 unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht konnte in der vorliegenden Entscheidung noch offenlassen, ob die arbeitsvertragliche Verfallfrist gegen das Mindestlohngesetz verstößt und daher unwirksam ist. Wenn gerichtlich über Ansprüche aus der Zeit nach dem 1.1.2015 gestritten wird, müssen die Bundesrichter in Erfurt Farbe bekennen. Werden Mindestlohnansprüche von einer Verfallklausel erfasst, ist die Klausel jedenfalls insoweit unwirksam. Es liegt ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz vor. Der Mindestlohn kann durchgesetzt werden, obwohl die Frist verstrichen ist.

Fristenvereinbarung kann unklar sein

In vielen Arbeitsverträgen erfasst die Verfallklausel pauschal alle Ansprüche und nimmt solche auf Zahlung des Mindestlohns nicht aus. Das könnte dazu führen, dass die Verfallklausel, weil sie sich zumindest auch auf Mindestlohnansprüche bezieht, vollständig unwirksam ist, also auch in Bezug auf andere Ansprüche, die nicht Mindestlohn sind. 

Das hat das Bundesarbeitsgericht bislang noch nicht entschieden. Zu Recht wird aber die Ansicht vertreten, dass der Klauseltext in diesem Fall missverständlich und daher intransparent ist. Denn für die Arbeitnehmer ist dann nicht klar, ob sie trotz der Verfallklausel den Mindestlohn noch verlangen können, wenn sie die Fristen verpasst haben. Das führt dazu, dass sie möglicherweise davon abgehalten werden, ihre Rechte wahrzunehmen.