Es ist kein Betriebsübergang, wenn bei einer Massenentlassung fast alle Beschäftigten zu demselben Arbeitgeber überwechseln. Copyright by Adobe Stock/beeboys
Es ist kein Betriebsübergang, wenn bei einer Massenentlassung fast alle Beschäftigten zu demselben Arbeitgeber überwechseln. Copyright by Adobe Stock/beeboys

Das DGB Rechtsschutzbüro Heilbronn vertrat gleich mehrere Beschäftigte eines Reinigungsunternehmens. Dabei ging es um Zahlungen aus einem Sozialplan. Der Arbeitgeber hatte den Reinigungsauftrag eines Großunternehmens verloren. Deswegen musste der Standort der Reinigungsfirma schließen. Die Beschäftigten erhielten eine betriebsbedingte Kündigung.
 

Den Reinigungsauftrag bekam eine andere Firma

Die Reinigung beim Großunternehmen übernahm ein anderes Unternehmen. Dieses stellte fast alle gekündigte Arbeitnehmer*innen des früheren Auftragnehmers ein, wenn auch nur befristet.
 
Um dort vertragsgemäß anfangen zu können, kündigten die betroffenen Arbeitnehmer*innen dann selbst ihre bisherigen Arbeitsverhältnisse, die damit früher endeten als vom Arbeitgeber vorgesehen. Der Sozialplan ließ Eigenkündigungen zu einem früheren Zeitpunkt ausdrücklich zu.
 

Der Arbeitgeber pochte auf einen Betriebsübergang

Der bisherige Arbeitgeber weigerte sich dennoch, die im Sozialplan festgelegten Beträge zu zahlen. Fast alle Mitarbeiter*innen hätten bei demselben Unternehmen einen Arbeitsplatz gefunden. Genau dieses Unternehmen habe auch den Reinigungsauftrag erhalten, der ihm gekündigt worden sei.
 
Sogar das Führungspersonal arbeite nun dort. Die alten Telefonnummern existierten immer noch weiter. Ebenso würden diverse Büros samt Möbeln, Räume und Garagenstellplätze weiter genutzt. Die neue Firma verfüge auch über dieselben Revierschlüssel. Das stelle einen Betriebsübergang dar.
 

Bei einem Betriebsübergang sollte es keine Abfindung geben

Der Arbeitgeber bezog sich auf eine Regelung im Sozialplan, wonach er bei einem Betriebsübergang keine Abfindung zahlen muss. Mit diesem Argument konnte er das Arbeitsgericht nicht überzeugen.
 
Das Gericht hielt dem Arbeitgeber vor, dass er allen Betroffenen betriebsbedingt gekündigt habe. Damit werde die im Interessenausgleich genannte Betriebsänderung umgesetzt. Der Sozialplan sehe diese Vorgehensweise vor. Das führe zur Pflicht des Arbeitgebers, die Abfindung zu zahlen.
 

Der Sozialplan ließ Eigenkündigungen ausdrücklich zu

Der Sozialplan enthalte für die Beschäftigten ausdrücklich die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen. Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Eigenkündigung müsse der Arbeitgeber sogar eine noch höhere Abfindung zahlen.
 
Es liege kein Betriebsübergang vor. Die Kläger*innen hätten nämlich nicht mehr in einem bestehenden Arbeitsverhältnis gestanden, das im Wege des Betriebsübergangs auf die neue Reinigungsfirma hätte übergehen können.
 

Der Sozialplan sah eine Ausnahme vor

Der Sozialplan habe nur für solche Arbeitsverhältnisse eine Ausnahme schaffen wollen, die nicht infolge der Betriebsänderung endeten.
 
Vorliegend habe der Arbeitgeber jedoch betriebsbedingt gekündigt. Die vorzeitige Beendigungskündigung der Kläger*innen hätten das Arbeitsverhältnis zwar früher beendet. Das führe nach dem Sozialplan auch zu einer höheren Abfindungszahlungen.
 
Allerdings habe aufgrund der vorher vom Arbeitgeber ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung überhaupt kein Arbeitsverhältnis mehr übergehen können.
 

Die Kündigung des Arbeitgebers hatte die Arbeitsverhältnisse beendet

Auch ohne die vorzeitige klägerseitige Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis nämlich aufgrund der ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers mit Ablauf der Kündigungsfrist geendet. Eine Kündigungsschutzklage sei nicht erhoben worden.
 
Der Sozialplan habe im Übrigen den Sinn und Zweck gehabt, soziale Härten infolge des Umsatzrückgangs beim Arbeitgeber zu vermeiden. Deshalb sollte eine Abfindung gezahlt werden. Im Falle eines Betriebsübergangs hätte es keine sozialen Härten gegeben.
 

Die Ausnahme sollte nur für einen Betriebsübergang gelten

Mit der Ausnahmeregelung des Sozialplanes könnten deshalb nur Arbeitsverhältnisse gemeint sein, deren Bestand nicht angegriffen sei. Gehe ein Arbeitsverhältnis auf einen Erwerber über, minimierten sich die wirtschaftlichen Nachteile für die Betroffenen aufgrund der geplanten Betriebsänderung. Für die Dauer eines Jahres ab dem Betriebsübergang sei das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand weiter geschützt.
 
Genau diesen Schutz hätten die betroffenen Arbeitnehmer*innen aber nicht. Ihre Arbeitsverhältnisse wären befristet und würden vor Ablauf der Jahresfrist enden, die im Fall eines Betriebsübergangs gegriffen hätte.
 

Sozialplanleistung sollte es nur bei gekündigten Arbeitsverhältnissen geben

Der Sozialplan solle die wirtschaftlichen Nachteile der Kündigung abfedern. Deshalb stelle er ausdrücklich darauf ab, dass die Abfindung nur bei gekündigten Arbeitsverhältnissen gezahlt würde.
 
Da der Arbeitgeber hier jedoch die Arbeitsverhältnisse sämtlicher betroffener Kläger*innen selbst schon gekündigt hatte, konnte es zu einem Betriebsübergang nicht kommen. Die Abfindung musste er deshalb zahlen.

Hier geht es zum Urteil
 
Lesen Sie hier mehr zur Auslegung von Sozialplänen