Zum Sachverhalt:
Die kaufmännische Angestellte ist seit über 20 Jahren bei dem international führenden Unternehmen für Gebäudebeleuchtung am Standort in Lemgo beschäftigt. Die Mitarbeiter dort erhalten ein tarifliches Weihnachtsgeld (metallverarbeitende Industrie). Zudem gab es ab dem Jahr 2000 eine übertarifliche Zahlung als zusätzliches Weihnachtsgeld. Ab dem fünften und jedem weiteren vollen Beschäftigungsjahr wurde zusätzlich 1% vom Monatsentgelt gezahlt.
Die Zahlung ging in den Jahren 2000 bis 2014 einher mit Aushängen in denen erklärt wurde, dass die Leistung freiwillig erfolgt.
Österreichischer Leuchtenkonzern streicht übertarifliches Weihnachtsgeld
Im Jahr 2015 zahlte das beklagte Unternehmen an seine Mitarbeiter nur das tarifliche Weihnachtsgeld. Die Geschäftsführung habe entschieden, das Weihnachtsgeld auf das tarifliche Niveau zu beschränken. Begründet wird dies mit dem harten globalen Wettbewerb.
Durch IGM und DGB Rechtsschutz wurde die kaufmännische Angestellte bei der Geltendmachung des zusätzlichen Weihnachtsgeldes unterstützt. Das Arbeitsgericht Detmold gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung.
Anspruch aus betrieblicher Übung nach dreimaliger Zahlung
Der Anspruch der Klägerin wird dabei auf betriebliche Übung gestützt. Darunter wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen soll eine Leistung auf Dauer gewährt werden.
Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon nach einer mindestens dreimaligen vorbehaltlosen Gewährung der Leistung auszugehen.
Und an diesem Punkt gehen dann die Meinungen von Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin auseinander.
Aushänge zur Freiwilligkeit
Das beklagte Unternehmen meint, ein Anspruch auf die Sonderzahlung sei schon gar nicht entstanden. Man habe sich nicht zu einer regelmäßigen Zahlung verpflichten wollen. Gegen einen Rechtsbindungswillen spreche die unterschiedliche Höhe der Leistungen. Zudem ginge dies aus den jährlichen Aushängen hervor. Mit diesen wurde verkündet, dass es sich um eine „freiwillige, die tarifliche Absicherung übersteigende Weihnachtsgratifikation“ handelt.
Für die Klägerin vertrat der DGB Rechtsschutz die Auffassung, dass ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden ist und der Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam ist, da nicht klar und verständlich.
Mitarbeiter durften von dauerhafter Leistung ausgehen
Das Arbeitsgericht Detmold schloss sich der Argumentation der Klägerseite an und bejahte den Anspruch aus betrieblicher Übung. Es stellte auf Rechtsprechung ab, wonach eine vertragliche Bindung anzunehmen ist, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer*innen begründen. Aus der Zahlung des übertariflichen Weihnachtsgeldes in den Jahren 2000 bis 2014 durften die Mitarbeiter schließen, dass diese Leistung auf Dauer gewährt wird.
Arbeitsgericht hält Freiwilligkeitsvorbehalt für unwirksam
Die Richter*innen sahen im zusätzlichen Weihnachtsgeld keine freiwillige Leistung. Denn der Vorbehalt sei nicht wirksam erklärt worden.
Das Bundesarbeitsgericht verlangt einen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt um einen Rechtsanspruch auszuschließen. Diesen Anforderungen hielt die Formulierung in den Aushängen nicht stand.
Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Kombination eines Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalts aus mangelnder Transparenz unwirksam. Denn Freiwilligkeit bedeutet, dass erst gar kein Anspruch auf die Leistung entsteht. Wenn etwas widerrufen werden kann bedeutet dies entgegen, dass dem Arbeitnehmer eine Leistung zugesagt wird, der Arbeitgeber diese Zusage aber wieder zurück nehmen darf. Dies sind unterschiedliche Dinge und da die Mitarbeiter nicht wissen, was davon gilt, gilt letztlich gar nichts davon. Oder rechtlicher gesprochen: Die komplette Klausel zur Freiwilligkeit ist intransparent nach § 307 BGB und damit unwirksam.
Anmerkung der Redaktion: Freiwillig gibt`s (fast) nicht mehr
Nach der Rechtsprechung der letzten Jahre muss man sagen, dass es so gut wie nicht mehr möglich ist, eine Leistung wirksam unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen.
Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen. Mit der Bezeichnung als „freiwillige Leistung“ wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - jedenfalls unmissverständlich - nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist. Der Hinweis genügt für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen.
Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht die Aushänge aus allen Jahren genau angesehen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vorbehalt unwirksam war. Wichtig war dabei auch: In den Aushängen wurde erklärt, wie sich das Weihnachtgeld zusammensetzt und dabei wurde nicht zwischen tariflichen und übertariflichen Weihnachtsgeld unterschieden.
Das Urteil vom Arbeitsgericht Detmold ist noch nicht rechtskräftig, kann also noch mit der Berufung angegriffen werden. Angekündigt wurde dies bereits durch die Zumtobel GmbH.
In ähnlichen Verfahren zu „freiwilligen Weihnachtsgratifikationen“, die der DGB Rechtsschutz in Bielefeld vor dem dortigen Arbeitsgericht gewonnen hat, wird es eine Überprüfung durch das Landesarbeitsgericht in Hamm geben. Wir gehen aufgrund der BAG-Rechtsprechung aber nicht davon aus, dass das Ergebnis ein anderes sein wird.
Das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Detmold kann hier nachgelesen werden.
Exemplarisch haben wir zwei wichtige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Freiwilligkeitsvorbehalt für Sie rausgesucht:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.Februar 2013 -10 AZR 177/12
Rechtliche Grundlagen
§ 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Inhaltskontrolle
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.