Kurzschluss mit Folgen: Auch wer aus Wut von einer Vereinbarung zurücktritt, tut dies rechtswirksam und vernichtet damit auch den eigenen Anspruch.
Kurzschluss mit Folgen: Auch wer aus Wut von einer Vereinbarung zurücktritt, tut dies rechtswirksam und vernichtet damit auch den eigenen Anspruch.


Mit seinem Urteil vom 31.01.2018 macht das Bundesarbeitsgericht deutlich, dass unbedachte Äußerungen durchaus erhebliche rechtliche Relevanz entfalten können.

Vereinbartes Wettbewerbsverbot

Der Kläger war von Februar 2014 bis Ende Januar 2016 bei der Beklagten als Beauftragter für die technische Leitung beschäftigt. Sein monatliches Gehalt betrug zuletzt rund 6.750 EUR brutto. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Kündigung des Klägers. 

Der Arbeitsvertrag enthielt ein Wettbewerbsverbot. Demnach war es dem Kläger nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von drei Monaten untersagt, für ein konkurrierendes Unternehmen der Beklagten tätig zu werden. Untersagt waren dem Kläger konkret alle selbstständigen, unselbstständigen oder sonstigen Betätigungen. 

Als Ausgleich hierfür verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger für die Dauer der drei Monate eine sogenannte Karenzentschädigung in Höhe von 50% des zuletzt gezahlten Bruttolohns zu zahlen. Die Karenzentschädigung war stets am Ende des jeweiligen Monats fällig. Ab Februar 2016 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von rund 2500 EUR monatlich.

Beklagte zahlt nicht

Die Karenzentschädigung für Februar 2016, fällig am 29. Februar 2016, zahlte die Beklagte nicht. Der Kläger wandte sich daraufhin per E-Mail an die Beklagte und forderte sie zur Zahlung auf. Hierzu setzte er eine Frist bis zum 4. März 2016, die jedoch ergebnislos verstrich.

Ein paar Tage später, am 8. März 2016 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten per E-Mail: 

„… möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle. Der abgeschlossene Arbeitsvertrag vom Dezember 2013 […] ist Bestandteil meiner E-Mail vom 1. März 2016 und der damit nicht eingehaltenen Karenzentschädigung.“  

Auch danach leistete die Beklagte keine Zahlungen an den Kläger. Der Kläger erhob daher Klage. Er verlangte von der Beklagten Zahlung eines Betrages in Höhe von rund 10.125 EUR brutto zuzüglich Zinsen, also 50% der letzten Gehaltszahlung für drei Monate. 

Kläger fordert Karenzentschädigung ein

Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie war der Meinung, der Kläger habe durch seine E-Mail vom 8. März 2016 den Rücktritt von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot erklärt. Zwar gab die Beklagte durchaus zu, für den Februar 2016 die Karenzentschädigung nicht rechtzeitig geleistet zu haben. 

Aber nachdem der Kläger wortwörtlich erklärt habe, dass er sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle, bestehe aufgrund der rechtsgeschäftlich relevanten Rücktrittserklärung kein Anspruch des Klägers mehr. 

Demgegenüber war der Kläger der Meinung, er habe keinen Rücktritt von dem Wettbewerbsverbot erklärt. Vielmehr habe er selbst sich an die Vereinbarung gehalten. Er habe in den drei Monaten lediglich vom Arbeitslosengeld gelebt.

Die E-Mail vom 8. März 2016 sei schlicht eine Trotzreaktion ohne Rechtsbindungswille gewesen. Er habe die Beklagte dazu bewegen wollen, endlich die Karenzentschädigung zu zahlen. Darauf habe er einen Anspruch, weil er sich selbst an das Wettbewerbsverbot gehalten habe.

Erfolg nur vor dem Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das das Urteil wurde jedoch vom Landesarbeitsgericht aufgehoben. Das Bundesarbeitsgericht schließt sich dem Landesarbeitsgericht an. Dem Kläger stehe lediglich ein Anspruch auf Karenzentschädigung für den Zeitraum 1. Februar 2016 bis 8. März 2016 zu.

Für die Zeit danach bestehe kein Anspruch - wegen des wirksam erklärten Rücktritts. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat der Kläger mit seiner E-Mail vom 08. März 2016 eine rechtsgeschäftlich wirksame Rücktrittserklärung abgegeben. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei mithin ab dem 9. März 2016 weggefallen. Damit entfalle auch der Anspruch auf die Karenzentschädigung.

Bundesarbeitsgericht geht von Wortlaut aus

Das Bundesarbeitsgericht nimmt den Wortlaut der E-Mail in den Blick: Das Gericht ist der Meinung, die Aussage des Klägers, wonach er sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot „gebunden fühle“ lasse ein Abrücken von der vertraglichen Vereinbarung erkennen. 

Der Kläger hat nach Ansicht des Gerichts deutlich gemacht, dass er die vertragliche Verpflichtung nicht mehr als verbindlich betrachte. Daraus ergebe sich auch für den Kläger die Freiheit, Wettbewerb gegenüber der Beklagten auszuüben oder dies ohne vertragliche Verpflichtung zu unterlassen.

In diesem Zusammenhang macht das Gericht deutlich, dass das Wettbewerbsverbot schlicht ein gegenseitiger Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten ist. Leistung und Gegenleistung sind klar definiert. Da die Beklagte die Hauptleistung in Form der Karenzentschädigung nicht erbracht hatte, stand dem Kläger ein Rücktrittsgrund zur Seite.

Motiv für Äußerung ist unbeachtlich

Deutlich äußert sich das Gericht auch zu dem Argument des Klägers, wonach seine Äußerung lediglich eine „Trotzreaktion“ gewesen sei. Maßgeblich sei hier das Verständnis der Beklagten. Auf ihren „Empfängerhorizont“ komme es an.

Diese habe nicht von einer nicht ernst gemeinten Erklärung des Klägers ausgehen müssen. Denn sowohl die erste E-Mail wie auch die E-Mail vom 8.März 2016 nahmen deutlich Bezug auf das im Arbeitsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot. 

So konnte die Beklagte nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die Äußerung des Klägers einzig als Lossagung von der vertraglichen Abmachung verstehen. Der Rücktritt sei eine nachvollziehbare Reaktion des Klägers auf die nicht erfolgte Zahlung gewesen.

Dagegen sei es irrelevant, dass der Kläger davon ausging, dass die vertragliche Vereinbarung weiterhin Bestand hätte und er sich auch an das Konkurrenzverbot gehalten hat. Der Kläger hätte sich nach seiner E-Mail vom 8. März 2016 nicht mehr an das Verbot halten müssen. 

Links:

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts


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Das sagen wir dazu:

Hätte der Kläger doch jemanden gefragt, der sich mit sowas auskennt! Dem Kläger hätte im Fall einer Gewerkschaftsmitgliedschaft der Weg zur juristischen Beratung durch den DGB Rechtsschutz offen gestanden, ganz ohne Zusatzkosten.

Klage auf Erfüllung wäre erfolgreich gewesen

Der Autor dieses Beitrages weiß aus eigener Erfahrung, dass oft schon ein Telefonat oder ein Anschreiben an die Gegenseite wesentlich zur Problemlösung beitragen kann. Und selbst wenn dies nicht geholfen hätte  - auch für ein Klageverfahren wären dem Kläger durch den gewerkschaftlichen Rechtsschutz keine Kosten entstanden. 

Eine Klage auf Zahlung, ohne die verhängnisvollen E-Mails, hätte kaum juristische Probleme mit sich gebracht. 

In der Sache selbst kann dem Bundesarbeitsgericht nur bedingt gefolgt werden. Was rechtsgeschäftliche Erklärungen angeht, so ist in der Tat Vorsicht geboten. Allerdings ist die Auslegung der Äußerung des Klägers, wie durch das BAG geschehen, keinesfalls zwingend. 

Entscheidung lebensfremd

Gemäß § 133 BGB ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und „nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“.

Bei lebensnaher Würdigung der Begleitumstände bleibt festzuhalten: Der Kläger hatte ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Karenzentschädigung. Seinen Teil der vertraglichen Abmachung konnte er relativ einfach erbringen  - durch pures Nichtstun. 

Denn er schuldete lediglich jegliche Unterlassung von Konkurrenztätigkeiten. Die wurde von dem Kläger so auch tatsächlich geleistet. Demgegenüber vorschnell eine wirksame Rücktrittsverklärung anzunehmen, ist lebensfremd. 

Rechtliche Grundlagen

§ 74 HGB

(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.

(2) Das Wettbewerbverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.