Konstituierende Vereinbarungen über die Eingruppierung lassen den Aufstieg auch schon mal ohne den Tarifvertrag zu. Copyright by Adobe Stock/Elnur
Konstituierende Vereinbarungen über die Eingruppierung lassen den Aufstieg auch schon mal ohne den Tarifvertrag zu. Copyright by Adobe Stock/Elnur

Der Kläger des ersten Verfahrens war bereits seit 1988 im beklagten Unternehmen beschäftigt. Dort sind die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, also zunächst der BAT und später der TVöD anwendbar.

Der Kläger erhielt wegen besonderer Leistungen eine höhere Vergütungsgruppe

Schon im Jahr nach seiner Einstellung erhielt der Kläger ein Schreiben seines Arbeitgebers, er werde nun in eine höhere Vergütungsgruppe des BAT eingruppiert. Dies sei möglich gewesen, da er in den letzten Monaten als Mitarbeiter der Personalreserve höherwertige Tätigkeiten verrichtet habe. Gleichzeitig würden damit auch seine Leistungen anerkannt.

Auch der zweite Kläger zeigte besonderes Engagement

Der zweite Fall war ähnlich gelagert. Der dortige Kläger arbeitete seit 1992 im Unternehmen. 1999 erhielt er seine Hörgruppierung. Dabei verwies der Arbeitgeber schriftlich ebenfalls auf dessen Leistungen, die gewürdigt werden sollten. Der Kläger erhielt Worte des Dankes und der Anerkennung für sein berufliches und persönliches Engagement.

2001 honorierte der Arbeitgeber die Leistungen des zweiten Klägers erneut. Mit dem damalige Schreiben an den Kläger bekräftigte der Arbeitgeber den Wunsch auf ein weiterhin verantwortungsvolles Wirken des Klägers. Dafür wünschte er ihm ausdrücklich alles Gute und viel Erfolg, auch hier verbunden mit einem Wort des Dankes für seine bisher erbrachten Leistungen, seine Kompetenz und Zuverlässigkeit.

Anfang 2018 überprüfte der Arbeitgeber sämtliche Stellenbewertungen

Anfang 2018 überprüfte die Beklagte im Zuge des Inkrafttretens des neuen TVöD sämtliche Stellenbewertungen. Hierbei stellte sie fest, dass beide Kläger ihrer Ansicht nach zu hoch eingruppiert waren.

Beiden wurde schriftlich mitgeteilt, sie würden eine „korrigierende Rückgruppierung“ erhalten; d. h. die vor vielen Jahren vorgenommene Hörgruppierung würde nun wieder rückgängig gemacht, da sie sich nach Ansicht des Arbeitgebers nicht an den Tarifvertrag halte.

Die Kläger erfüllten die Voraussetzungen der Tarifgruppe, in die sie eingruppiert waren, nicht

Der Arbeitgeber begründete dies damit, beide Kläger hätten die Voraussetzungen der Tarifgruppe, in die sie eingruppiert wären, nicht erfüllt. Damit waren diese jedoch nicht einverstanden. Gemeinsam mit ihren Prozessvertretern der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Heilbronn, zogen sie vor das Arbeitsgericht.

Der Arbeitgeber gab an, im öffentlichen Dienst sei die tarifliche Eingruppierung nach den jeweiligen Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe vorgegeben. Der Arbeitgeber wolle sich regelmäßig immer nur an den Tarifvertrag halten. Die frühere Eingruppierung der Kläger sei jedoch fehlerhaft gewesen. Deshalb sei es auch zulässig, deren Tarifgruppe nun wieder zu deren Nachteil abzuändern.

Das Arbeitsgericht gab den beiden Klägern recht

Das Arbeitsgericht gab den beiden Klägern recht. Ob die konkrete Eingruppierung dabei richtig gewesen sei, sich also an den Tarifvertrag halte oder nicht, sei jedoch ohne Bedeutung.

In seinem Urteil führte das Arbeitsgericht aus, die Arbeitsvertragsparteien hätten ursprünglich durchaus eine Vergütung ausschließlich nach dem Tarifvertrag vereinbart.

Das könnte sich aber ändern, wenn sie nämlich später eine eigenständige Entgeltregelung getroffen hätten. Dann habe die Entgeltgruppe, die die Parteien vereinbart hätte, Vorrang vor den Regelungen des Tarifvertrages.

Wird eine Eingruppierung vertraglich zugesagt, dann bleibt es bei dieser Tarifgruppe

In diesem Falle beruhe die Eingruppierung auf einer vertraglichen Zusage, sei also „konstitutiv“. Allein die vertragliche Zusage begründe die Eingruppierung in die betreffende Vergütungsgruppe. Bei dieser Tarifgruppe bleibe es dann grundsätzlich auch.

Anders liege der Fall, wenn die Eingruppierung der Kläger nur den Tarifvertrag nachvollziehen wolle. Dann sei die Tarifgruppe, die im Vertrag genannt werde, nur „deklaratorisch“.

Die „konstitutive“ Eingruppierung begründe einen Anspruch, die „deklaratorische“ Eingruppierung belasse es beim Tarifvertrag

Eine „konstitutive“ Eingruppierung begründe damit einen eigenständigen Anspruch, wohingegen es eine „deklaratorische“ Bezugnahme bei dem Tarifvertrag belasse. Was die Parteien des Arbeitsvertrages gewollt hätten, sei dabei maßgeblich.

Um den Willen der Vertragsparteien ermitteln zu können, sei zum einen der Wortlaut maßgeblich. Hier müsse beachtet werden, wie die Parteien die Äußerung verstehen mussten. Um den wirklichen Willen zu ermitteln, könnten aber auch Umstände berücksichtigt werden, die nicht vereinbart worden seien.

Wird in einem Vertrag eine Vergütungsgruppe genannt, so ist das grundsätzlich keine konstitutive Vereinbarung

Werde in einem Vertrag eine Vergütungsgruppe genannt, sei davon auszugehen, dass es sich hier nicht um eine konstitutive Vereinbarung handele. Dies gelte zumindest, wenn sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages hinreichend deutlich zeige, dass sich die Vergütung allein nach den Bestimmungen des Tarifvertrages richten solle.

In diesem Falle führe es ohne besondere weitere Umstände nicht zu einem höheren Entgelt, wenn eine unzutreffende, höhere Vergütungsgruppe angegeben werde.

Öffentlichen Arbeitgeber wollen grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung zahlen

Öffentliche Arbeitgeber würden grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung zahlen wollen. Es solle immer nur das gewährt werden, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zustehe. Dementsprechend sei die Bezeichnung der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag so zu verstehen, dass dem Arbeitnehmer dadurch kein eigenständiger Anspruch zustehe, der vom Tarifvertrag unabhängig sei.

Im Falle der beiden Kläger sei im ursprünglichen Arbeitsvertrag auch nichts anderes vereinbart worden. Das Arbeitsverhältnis sollte sich nach dem damals noch geltenden BAT richten. Damit habe es sich nur um eine deklaratorische Angabe der Vergütungsgruppe gehandelt.

Spätere Vereinbarungen bezogen sich bloß auf die ursprünglichen Arbeitsverträge

Betrachte man die späteren Änderungsverträge, so lasse sich hieraus nicht unmittelbar schließen, dass eine vom Tarifvertrag unabhängige Vereinbarung gewünscht gewesen sei. Die Änderungsverträge hätten sich nämlich zunächst bloß auf die ursprünglichen Arbeitsverträge bezogen.

Spätere Schreiben an die Kläger enthielten neue Vereinbarungen zur Vergütungsgruppe

Allerdings ergebe sich anderes aus den Schreiben, die die Kläger erhalten hätten. Mit diesen Schreiben sei die höhere Vergütungsgruppe konstitutiv vereinbart worden, auch wenn sie nicht zutreffe. Besondere Bedeutung habe da auch die Möglichkeit, wie die beiden Kläger die jeweiligen Schreiben verstehen konnten. Insofern trage derjenige das Risiko, der die Schreiben verfasst habe, hier also der Arbeitgeber. Er müsse nämlich genügend sorgfältig formulieren.

Es komme dabei auf das Gesamtverhalten der Beteiligten an. Neben dem Ergebnis etwaiger Verhandlungen, Besprechungen u.ä. lasse dies nämlich Rückschlüsse auf den Sinn und den Inhalt einer Erklärung zu.

Der Arbeitgeber hatte den Klägern Worte des Dankes und der Anerkennung ausgesprochen

Hier habe der Arbeitgeber einem der Kläger für sein weiteres verantwortungsvolles Wirken alles Gute und viel Erfolg gewünscht. Er richtete Worte des Dankes für die bisher erbrachten Leistungen, seine Kompetenz und Zuverlässigkeit an ihn.

Bei dem anderen Kläger sei dies ähnlich gewesen. Auch er erhielt Worte des Dankes und der Anerkennung für sein berufliches und persönliches Engagement.

Den Schreiben sei nicht zu entnehmen, dass die neue Eingruppierung auf dem Tarifvertrag beruhe

Den Schreiben sei an keiner Stelle auch nur ansatzweise zu entnehmen, dass die neue Eingruppierung auf dem Tarifvertrag beruhe. Insbesondere enthielten sie keinen Hinweis auf die Eingruppierungsvorschriften des damals noch anwendbaren BAT. Offensichtlich ging es darum, die „Leistungen“ der Kläger zu honorieren.

Dass der Arbeitgeber etwas anderes wollte, hätten beide Kläger nicht erkennen können. Mit der Unterzeichnung der jeweiligen Verträge sei daher eine vertragliche Vereinbarung über die neue Eingruppierung zustande gekommen.

Treten weitere Umstände dieser Art hinzu, könne auch ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der Angabe der Vergütungsgruppe die Bedeutung entnehmen, dass sein Arbeitgeber ihn dadurch übertariflich eingruppieren wolle. Das habe auch das Bundesarbeitsgericht schon einmal so entschieden.

Eingruppierung war durch das Schreiben des Arbeitgebers festgelegt

Nachdem auf Grund der persönlichen Schreiben des Arbeitgebers die Eingruppierung festgelegt worden sei, komme es nicht mehr darauf an, ob den Klägern das auch tarifvertraglich zustehen würde.

Allerdings könnten fehlerhafte Eingruppierung rückgängig gemacht werden. Dies geschehe im Wege der sog. korrigierenden Rückgruppierung. In dem Falle bedürfe es keiner Änderungskündigung. Diesen Weg der korrigierenden Rückgruppierung hatte der Arbeitgeber hier gewählt.

Korrigierende Rückgruppierung setz voraus, dass sich der Arbeitgeber in der Eingruppierung geirrt hat

Diese setze allerdings voraus, dass der Arbeitgeber sich bei der ursprünglichen Eingruppierung geirrt habe und die Tarifautomatik Anwendung finde, so das Arbeitsgericht.

Nur wenn die Vergütungsgruppe, die im Vertrag angegeben sei, lediglich deklaratorische Wirkung habe, könne eine korrigierende Rückgruppierung erfolgen. Das sei dann der Fall, wenn der Arbeitgeber sich an den Tarifvertrag halten wollte und sich im Vertrag eine Eingruppierung wiederfinde, die zuvor tarifrechtlich geprüft worden sei.

Ist eine übertarifliche Vergütungsgruppe vereinbart, ist nur eine Änderungskündigung möglich

Sei jedoch eine übertarifliche Vergütung vereinbart, folge der Anspruch auf diese Vergütung unmittelbar aus dem abgeschlossenen Vertrag. Eine Änderung sei dann einseitig nur durch Änderungskündigung möglich. So liege der Fall hier. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten die Eingruppierung in den Änderungsverträgen konstitutiv vereinbart.

Ohne Weiteres kommt der Arbeitgeber davon nun nicht los.

Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 09. Januar 2020 – 1 Ca 153/19
Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 09. Januar 2020 – 1 Ca 170/19

Das sagen wir dazu:

„Einfach mal so“ ist immer leichter, als Kündigungsschutzbestimmungen einzuhalten. Hier versuchte der Arbeitgeber von einer höheren, seiner Auffassung nach zu hohen Vergütungsgruppe runterzukommen. Sicher gefiel es ihm nicht, dass die beiden Kläger diesbezüglich vor Jahren schon eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hatten.Eine korrigierende Rückgruppierung orientiert sich nicht an kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen. Es gibt auch keine Sozialauswahl.Bei der korrigierenden Rückgruppierung sind Arbeitnehmer mithin wesentlich weniger geschützt. Es lohnt sich daher in jedem Einzelfall, nachzudenken, ob eine ausdrückliche Zusage einer Tarifgruppe konstitutiv vereinbart worden ist, d. h. unabhängig vom Tarifvertrag gelten sollte. Ist das der Fall, darf der Arbeitgeber nicht einfach für die Zukunft wieder die niedrigere Vergütungsgruppe ansetzen. Er muss zum Mittel der Änderungskündigung greifen und dann hier auch im Falle einer Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht den Nachweis erbringen, dass diese Änderungskündigung rechtswirksam erging.