Der Beschäftigte der Werksfeuerwehr muss regelmäßig auch nachts arbeiten. Seine Zuschläge sind aber niedriger als die anderer Kollegen. Copyright by Adobe Stock/ Sergey Nivens
Der Beschäftigte der Werksfeuerwehr muss regelmäßig auch nachts arbeiten. Seine Zuschläge sind aber niedriger als die anderer Kollegen. Copyright by Adobe Stock/ Sergey Nivens

Der Kläger ist Mitglied der Werksfeuerwehr seines Arbeitgebers. Der Betrieb gehört zur Branche der Metall- und Elektroindustrie des Landes Rheinland-Pfalz. Im Arbeitsverhältnis gilt der dortige Manteltarifvertrag. Der Kläger verrichtet seine Arbeit in Wechselschicht. Für die von ihm geleisteten Nachtarbeitsstunden erhält er eine Nachtschichtzulage in Höhe von 20 %.
 

Der Kläger sieht einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, sein Arbeitgeber müsse ihm einen weiteren Zuschlag in Höhe von 30 % zahlen. Der Manteltarifvertrag unterscheide zwischen regelmäßiger Nachtarbeit oder unregelmäßiger Nachtarbeit. Das verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
 
Seine Zuschläge im streitgegenständlichen Zeitraum müssten auf insgesamt 50 % angehoben werden. Das Bundesarbeitsgericht habe nämlich schon entschieden, dass immer der höhere Zuschlag vom Arbeitgeber gezahlt werden müsse, wenn der Tarifvertrag verschiedene Arbeitnehmer zu Unrecht ungleich behandele.
 

Das Arbeitsgericht schließt sich der Auffassung des Klägers nicht an

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern sah das anders. Der Tarifvertrag unterscheide zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit sowie Nachtschichtarbeit im Rahmen von Wechselschicht. Diese Unterscheidung verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
 
Die Tarifvertragsparteien könnten Regeln aufstellen. Hierbei seien sie nicht unmittelbar an das Grundgesetz gebunden. Allerdings verpflichte das Grundgesetz die Arbeitsgerichte, die Durchsetzung von tariflichen Regelungen zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Unterschieden führten und deshalb das Grundgesetz verletzten.
 

Die Tarifvertragsparteien haben eine weiten Gestaltungsspielraum

Das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes fordere, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Da das Grundgesetz auch die Tarifvertragsparteien schütze, käme diesen im Rahmen dieser geschützten Tarifautonomie auch ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wenn sie tarifliche Regelungen aufstellen. Wie weit dieser Gestaltungsspielraum reiche, hänge vom Einzelfall ab.
 
Die Tarifvertragsparteien seien dabei allerdings nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Sie hielten sich an das Gesetz, wenn sie einen sachlichen Grund dafür hätten, zu differenzieren.
 

Die Arbeitnehmer müssen die Reglungen als gerecht empfinden

Gegen den Gleichheitssatz verstießen sie dabei nur, wenn sie tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede nicht berücksichtigt hätten. Dies sei dann der Fall, wenn die Bestimmungen des Tarifvertrages nicht als gerecht empfunden werden könnten. An diese Regeln halte sich der Manteltarifvertrag für die Metall-und Elektroindustrie in Rheinland-Pfalz.
 
Die Tarifvertragsparteien hätten ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Für die weniger günstige Zuschlagsregelung für Nachtschicht im Rahmen von Wechselschicht bestehe ein sachlicher Grund. Der Tarifvertrag behandele verschiedene Arbeitnehmergruppen zwar unterschiedlich. Die unterschiedliche Behandlung habe jedoch kein so großes Gewicht, dass dadurch gegen den Gerechtigkeitsgedanken in einer Weise verstoßen würde, die nicht mehr hinnehmbar sei.
 

Die Nachtschicht in der Wechselschicht ist planbar

Der sachliche Grund dafür, Nachtschichtarbeiter und Mitarbeiter in unregelmäßiger Nachtschicht ungleich zu behandeln, liege darin, dass die Nachtschichtarbeiter im Rahmen der Wechselschicht ihren Einsatz planen könnten. Dafür zahlten die Arbeitgeber dann niedrigere Zuschläge. Diejenige Gruppe, die höhere Zuschläge erhalte, könne demgegenüber nicht planen. Ihr Einsatz erfolge nicht regelmäßig in Nachtschicht. Sie könnten daher nicht vorhersehen, wann sie arbeiten müssen.
 
Arbeitnehmer, die generell Nachtschicht leisteten sowie diejenigen, die dies zumindest regelmäßig machten könnten ihren Einsatz ebenso wie die Arbeitnehmer in Wechselschicht vorhersehen und planen. Damit bestehe auch hier ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung.
 

Ungeplante Nachtschicht greift in das Familienleben und die Freizeit ein

Die Tarifvertragsparteien hätten mit der unterschiedlichen Behandlung der einzelnen Arbeitnehmergruppen in Nachtschicht der Tatsache ein höheres Gewicht eingeräumt, dass eine unregelmäßige und ungeplante Arbeit in der Nachtschicht viel mehr in das Familienleben und die Freizeit der Betroffenen eingreife.
 
Arbeitnehmer, die nach einem festgelegten Schichtplan arbeiteten, könnten sich auf diesen einstellen. Die sozialen Folgen würden hierdurch gemindert. Aus diesem Grund dürften die Tarifparteien berücksichtigen, dass Arbeitnehmer mit ungeplanten Nachtschichten höher belastet seien.
 

Der Tarifvertrag sieht unterschiedliche Zuschläge vor

Der Manteltarifvertrag sehe für regelmäßige Nachtschicht einen Zuschlag in Höhe von 25 % vor. Könne Nachtschicht nicht rechtzeitig angekündigt werden, müsse der Arbeitgeber einen Zuschlag von 50 % gewähren. Dies gelte für die erste Nacht. Daneben enthalte der Tarifvertrag Differenzierungen mit Zuschlägen von 40 %, wenn regelmäßige Nachtarbeit zugleich auch Mehrarbeit sei. Ab der 7. Stunde Mehrarbeit steige der Zuschlag dann auf 50 %.
 
Aus diesem System werde deutlich, dass die Tarifvertragsparteien zwischen regelmäßiger Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit unterschieden hätten. Die weiteren Konstellationen befassten ausschließlich Ausnahmen. Die jeweils höheren Zuschläge beruhten regelmäßig darauf, dass die Tarifvertragsparteien zwei Belastungen ausgleichen wollten.
 

Zuschläge kompensieren eine verspätete Ansage der Nachtschicht

Es gehe dabei zum einen um den Aspekt des Gesundheitsschutzes, zum anderen um die Kompensation dafür, dass die Nachtschicht nicht rechtzeitig vorher angesagt werden konnte. Der hohe Zuschlag für nicht angekündigte Nachtschicht beruhe darauf, dass diese nicht vorhersehbar bzw. planbar sei. Das hätten die Tarifvertragsparteien als besonders belastend empfunden. Insoweit bestünden keine rechtlichen Bedenken.
 
Allerdings ließ das Arbeitsgericht die Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz gesondert zu. Das Verfahren habe grundsätzliche Bedeutung. Dies sei dann der Fall, wenn sich die Entscheidung nicht nur auf den konkreten Fall beziehe, sondern darüber hinaus ein weiterer Personenkreis betroffen sei. Diese Voraussetzung liege hier vor, da allein beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eine Vielzahl an Verfahren zu dieser Rechtsfrage anhängig seien. Auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wird daher hierüber bald entscheiden müssen.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Daimler AG schuldet Nachtarbeitszuschläge in Millionenhöhe

Arbeitsgericht Berlin: Nachtzuschläge in unterschiedlicher Höhe sind gerechtfertigt
Die DGB Rechtsschutz GmbH führt derzeit bundesweit viele ähnliche Verfahren. Betroffen sind nicht nur Zuschlagsregelungen in der Metall- und Elektroindustrie, sondern auch in der Nahrungsmittelindustrie. Es besteht kein Zweifel daran, dass sich über kurz oder lang auch das Bundesarbeitsgericht mit den anstehenden Fragen zu den tariflichen Regeln befassen muss.