Kaum war der Urlaub vorbei, begann die Quarantäne © Adobe Stock: TheVisualsYouNeed
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Wenn der zweite Strich eines Corona-Schnelltests durchschimmert und spätestens wenn auch der PCR-Test eine Corona-Infektion bestätigt, müssen Infizierte sich in die häusliche Quarantäne begeben. Beschäftigte können dann nicht zur Arbeit, müssen jedoch in der Regel nicht um ihren Arbeitslohn bangen. Treten Krankheitssymptome auf und sind Beschäftigte deshalb arbeitsunfähig, erhalten sie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Verläuft die Infektion ohne Symptome und kann die Arbeitsleistung allein wegen der verhängten Quarantäne nicht erbracht werden, gibt es Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz.

 

Für Beschäftigte ändert sich bei diesen Entschädigungsleistungen erstmal nichts: Arbeitgeber*innen müssen den regulären Lohn weiterzahlen und können sich die Zahlungen nachträglich vom Staat wiederholen. Einzige Ausnahme: Sind Beschäftigte für ihre Infektion selbst verantwortlich, etwa durch eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet, können Arbeitgeber*innen die Auszahlung der Entschädigung verweigern.

 

Doch wann liegt ein solcher Zusammenhang vor? Damit hatte sich das Arbeitsgericht Herne in einem Verfahren zu befassen.

 

Lohnabzug für Quarantäne acht Tage nach Rückkehr aus Türkei-Urlaub

 

Der Kläger reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern für einen vierwöchigen Familienurlaub in die Türkei. Zur Zeit der Einreise wurde die Türkei vom Robert-Koch-Institut wegen eines hohen Inzidenzwertes als „Risikogebiet“ eingestuft. Im Land herrschte eine Inzidenz von 165,5, während der Inzidenzwert in Deutschland bei 18,4 lag.

 

Vor dem Rückflug machte der gegen Covid-19 geimpfte Kläger einen PCR-Test, der negativ ausfiel. Zwei Tage nach Rückkehr ging der Kläger wie gewohnt zur Arbeit. Drei Tage später wurde bei der Ehefrau des Klägers eine Corona-Infektion nachgewiesen – und auch der Test des Klägers war einige Tage später, am achten Tag nach der Rückreise, positiv. Als Folge ordnete das Gesundheitsamt eine vierzehntägige häusliche Quarantäne an.

 

Als der Kläger seine Lohnabrechnung für den betreffenden Monat in den Händen hielt, kam die negative Überraschung: Sein Arbeitgeber hatte ihm insgesamt 2.126,55 Euro vom Gehalt abgezogen und als „Fehltage“ ausgewiesen. Auch ein Aufforderungsschreiben blieb erfolglos, da sich der Arbeitgeber im Recht sah. Seine Argumentation: Die Quarantäne sei auf eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet zurückzuführen. Insofern liege bei dem Kläger ein „Verschulden gegen sich selbst“ vor und ein Anspruch auf Entschädigung bestehe nicht.

 

Gemeinsam mit den Kollegen vom DGB Rechtsschutz aus dem Büro Herne klagte der Arbeitnehmer den fehlenden Lohn vor dem Arbeitsgericht ein und gewann. Der Arbeitgeber musste dem Kläger die Differenz ausbezahlen.

 

Verweigerung der Entschädigungsleistung nur bei ursächlichem Zusammenhang

 

Das Gericht sah zwischen der Urlaubsreise des Klägers und seiner Infektion keinen ausreichenden Zusammenhang. Das Infektionsschutzgesetz erlaube es zwar, eine Entschädigungszahlung zu verweigern, wenn ein Beschäftigter eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet unternimmt und in der Folge in Quarantäne muss. Auch könne dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass Beschäftigte gar keinen Lohn bekommen, weil sie wegen fehlender Krankheitssymptome keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und letztlich auch wegen der vermeidbaren Reise in ein Risikogebiet keine Entschädigungsleistungen erhalten.

 

Der Ausschluss der Entschädigungsleistung setze jedoch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Reise und der Infektion voraus. Dieser ist unter Berücksichtigung der Schwankungsbreite der vom Robert-Koch-Institut angegebenen Inkubationszeiträume (Zeiträume zwischen der Infektion und dem Auftreten erster Symptome) zu bestimmen. Da der Kläger im betreffenden Verfahren erst acht Tage nach seiner Urlaubsrückkehr ein positives Testergebnis erhielt und bei der Rückreise negativ getestet wurde, lehnte das Arbeitsgericht einen solchen Zusammenhang ab. Insofern sei die vermeidbare Reise des Klägers zwar ein möglicher, jedoch nicht zwingender Umstand für die Infektion, so das Gericht. Dem Kläger war deshalb der ausgefallene Lohn zu bezahlen.

 

Dem Einwand des Arbeitgebers, dass der Entschädigungsanspruch kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis sei und der Kläger sich an das Verwaltungsgericht hätte wenden müssen, erteilte das Arbeitsgericht eine Absage. Der Entschädigungsanspruch betreffe einen Anspruch zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen. Arbeitgeber*innen seien insofern vorleistungspflichtig und müssten die Entschädigung an ihre Beschäftigten auszahlen, können sich diese jedoch nachträglich auf Antrag von der zuständigen Behörde erstatten lassen.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Herne.