Auch schlechter bezahlte Arbeitsplätze muss der Arbeitgeber anbieten, bevor er kündigen darf.
Auch schlechter bezahlte Arbeitsplätze muss der Arbeitgeber anbieten, bevor er kündigen darf.

Der langjährig beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer eines metallverarbeitenden Betriebs war von einer Massenentlassung betroffen. Nach einem nachhaltigen Auftragsrückgang kündigte das Unternehmen einer Vielzahl der Beschäftigten.
 

Angebot ist trotz schlechterer Vergütung zwingend

 
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und rügte, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Zur Begründung trug er vor, dass es im Unternehmen die Stelle eines Pförtners gäbe. Diese könnte er übernehmen, auch wenn die Vergütung schlechter sei. Sofern diese mit anderen Arbeitnehmern besetzt sei, seien diese sozial weniger schutzwürdig.
 
Der Arbeitgeber hielt dagegen, dass der Kläger kein ernsthaftes Interesse an dieser Stelle haben könne. Er habe sie dem Arbeitnehmer auch nicht anbieten müssen, da ein solches Angebot beleidigenden Charakter gehabt hätte.
 
Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Zwar war die Stelle des Pförtners fünf Entgeltgruppen niedriger bewertet als die aktuelle Stelle des Klägers. Ein Angebot dieser Stelle sei daher wohl nicht sehr attraktiv, beleidigend sei sie aber keineswegs. Daher müsse sie auch angeboten werden.
 

Kündigung ist immer das letzte Mittel

 
Für Kündigungen gilt stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei einer betriebsbedingten Kündigung bedeutet das, die Kündigung darf nicht durch andere Maßnahmen abwendbar sein. Damit sind Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art gemeint.
 
Solange eine für beide Parteien zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz möglich ist, ist die Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber muss auch eine Beschäftigung zu geänderten Bedingungen anbieten. Im Vergleich zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dies ein milderes Mittel. Der Arbeitgeber muss dann eine Änderungskündigung aussprechen.
 
Nach den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Angebot einer anderen Stelle nur dann entbehrlich, wenn der Arbeitgeber vernünftigerweise nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebotes rechnen kann (»beleidigendes Angebot«). Als Beispiel benennt das BAG das Angebot einer Pförtnerstelle an den bisherigen Personalleiter.
 

Praxistipp: Alle Stellen in Betracht ziehen

 
Bei betriebsbedingten Kündigungen ist es demnach wichtig, alle in Betracht kommenden Stellen in einem Unternehmen in Augenschein zu nehmen. Hierbei kann der Betriebsrat helfen. Häufig dürfte eine Versetzung auf eine vollkommen andere Tätigkeit freilich an der fehlenden Qualifikation scheitern.
 
Nur wenn der Wechsel auf die andere Position keine und nur eine kurze Anlernphase erfordert, kommt er überhaupt in Betracht. Wenn der Einsatz auf der Stelle aus Arbeitgebersicht objektiv nicht sinnvoll ist, muss der Arbeitgeber die Stelle nicht anbieten. Die Entscheidung ist aber grundsätzlich geeignet, Zweifel an der Sozialauswahl des Arbeitgebers bei betriebsbedingten Kündigungen zu sähen.
 
Ob der Wechsel auf die andere Stelle überhaupt gewollt ist, ist nachrangig. Wichtig ist es in der Prozesssituation, Argumente zu haben, um überhaupt in Vergleichsverhandlungen über eine Abfindungszahlung hineinzukommen. Wenn der Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausspricht, muss er die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 102 BetrVG und § 99 BetrVG beachten.
 
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 17/2016 vom 13.07.2016.

 

Links:

 

Urteil des Arbeitsgerichts Bonn

 

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Rechtliche Grundlagen

§ 1 KSchG

Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.