Arbeitgeber müssen auch mal nach anderen Jobs im Betrieb suchen. Copyright by Adobe Stock/ auryndrikson
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Gert Becker, DGB Rechtsschutzsekretär aus Göppingen hatte die erste Instanz beim Arbeitsgericht Stuttgart, Außenkammern Aalen, bereits für den Kläger gewonnen. Nun gelang es ihm auch im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, die Rechte seines Mandanten durchzusetzen.

Hier geht es zu dem erstinstanzlichen Urteil

Der Kläger war sehr lange arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem er von seiner Krankenkasse kein Geld mehr erhielt, bot er seinem Arbeitgeber an, wieder bei ihm zu arbeiten. Er habe zwar weiterhin psychische Probleme, das hindere ihn aber allenfalls daran, in beengten Kabinen zu arbeiten. Ansonsten könne er viele Tätigkeiten verrichten, die er auch im Einzelnen aufzählte.

Der Arbeitgeber ging auf das Arbeitsangebot nicht ein.

Der Arbeitgeber ging auf dieses Arbeitsangebot nicht ein. Der Kläger erhob daraufhin Klage. Die Richter des angerufenen erstinstanzlichen Gerichts gaben ihm Recht.

Die Beklagte wurde verurteilt, den Kläger nach billigem Ermessen weiter zu beschäftigen; das heißt, der Arbeitgeber musste die wesentlichen Umstände des Falles noch einmal selbst abwägen und anschließend bei seiner Entscheidung die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen.

Der Kläger könne damit verlangen, dass der Beklagte sein Direktionsrecht erneut ausübe, so das erstinstanzliche Gericht. Im Rahmen billigen Ermessens müsse er dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweisen. Auch außerhalb des Schwerbehindertenrechts bestehe eine Pflicht zur leidensgerechten Beschäftigung.

Der Kläger habe alternative Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt

Der Kläger habe mit einem Einsatz in der Sägerei, an der Hobelmaschine, beim Stapler- oder Kranfahren oder fürs Aufräumen bzw. Sortieren alternative Möglichkeiten für seine Beschäftigung aufgezeigt. Darauf habe der Beklagte nur erwidert, diese Arbeitsplätze seien bereits besetzt. Das spreche jedoch nicht dagegen, dass diese anderen Mitarbeiter nicht im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers intern umgesetzt werden könnten.

Diese Begründung hielt auch im Berufungsverfahren. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die juristischen Ausführungen der Richter in Aalen.

Der Arbeitgeber hat die Pflicht, Rücksicht zu nehmen

Ergänzend begründet das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung damit, ein Arbeitgeber habe auch die Pflicht, Rücksicht zu nehmen, wenn ein Arbeitnehmer unter anderem aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Tätigkeit nicht mehr verrichten könne. Er müsse dann erneut von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und die Tätigkeit seines Arbeitnehmers neu bestimmen. Dies gelte im Rahmen der Vereinbarungen des Arbeitsvertrages.

Der Arbeitnehmer brauche dazu nur zu verlangen, dass er auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umgesetzt werde und müsse dabei mitteilen, wie er sich seine weitere Beschäftigung vorstelle. Diesem Verlangen müsse der Arbeitgeber regelmäßig entsprechen, wenn es ihm möglich und zumutbar sei.

Stehen keine betrieblichen Gründe entgegen, ist es zumutbar, dem Beschäftigten eine andere Tätigkeit zuzuweisen

Stünden keine betrieblichen Gründe entgegen, sei es zumutbar, dem Beschäftigten eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Zu den betrieblichen Gründen zählten auch wirtschaftliche Gründe. Die Pflicht, gegenüber anderen Beschäftigten Rücksicht zu nehmen, sei ein weiterer Grund, der der Umsetzung des leistungsgeminderten Arbeitnehmers entgegenstehen könne.

Letzteres sei anzunehmen, wenn der gewünschte Arbeitsplatz besetzt sei und diesem Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts keine andere Tätigkeit zugewiesen werden könne. Der Arbeitgeber müsse einen anderen Arbeitnehmer auch dann nicht umsetzen, wenn dies nicht billigem Ermessen entspreche. Schließlich greife diese Pflicht zur Umsetzung nur dann, wenn der andere Arbeitnehmer bereit sei, den Arbeitsplatz zu wechseln. Der Arbeitgeber brauche sich nicht der Gefahr aussetzen, deshalb in ein gerichtliches Verfahren gezogen zu werden.

Der Kläger hatte zahlreiche Möglichkeiten vorgeschlagen, wie er weiter beschäftigt werden könnte

Der Kläger habe hier zahlreiche Möglichkeiten vorgeschlagen, wie er weiter beschäftigt werden könnte. Diese Tätigkeiten seien ihm auch allesamt zumutbar. Schließlich bestünden auch keine gesundheitlichen Bedenken, denn der Arbeitnehmer brauche seine Arbeitsfähigkeit nicht nachzuweisen. Es reiche aus, wenn er seine Arbeitskraft wieder anbiete. Einen Nachweis müsse er nur erbringen, wenn besondere Umstände vorlägen. Allein die Tatsache, dass er länger krank gewesen sei, reiche dafür noch nicht aus.

Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, das es dem Arbeitgeber möglich sei, den Arbeitnehmer im Rahmen des Direktionsrechts umzusetzen. Der Kläger sei als Arbeiter eingestellt worden. Er habe auch Tätigkeiten vorgeschlagen, die seinem Arbeitsvertrag entsprächen.

Der Umsetzung stehen auch betriebliche Gründe nicht entgegen

Der Umsetzung stünden auch betriebliche Gründe nicht entgegen. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, andere Arbeitnehmer nur mit einer Änderungskündigung umsetzen zu können. Es seien darüber hinaus keine Gründe erkennbar, wonach der Arbeitsplatzwechsel anderer Arbeitnehmer nicht mehr billigem Ermessen entsprechen würde.

Bezogen auf den Kläger habe die Beklagte jedenfalls die Pflicht, nach billigem Ermessen zu prüfen, auf welchem der von ihm vorgeschlagenen Arbeitsplätze ein Einsatz möglich wäre. Insoweit müsse sie den Kläger auch weiter beschäftigen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 02. Januar 2020 – 3 Sa 47/19