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Arbeitgeber bestimmen grundsätzlich, wo und wann ein Arbeitnehmer welche Arbeiten ausführen muss, so steht es im Gesetz. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist allerdings durch den Arbeitsvertrag begrenzt. Der Arbeitnehmer hat sich nämlich durch den Arbeitsvertrag für bestimmte Arbeiten verpflichtet, etwa als Maurer, Elektriker oder Rechtsanwalt. Möchte der Arbeitgeber jetzt, dass der Arbeitnehmer Arbeiten ausübt, zu denen er nach seinem Arbeitsvertrag nicht verpflichtet ist, kann er das nur mit einer Änderungskündigung erreichen.

Andere Tätigkeiten kann der Arbeitgeber im Rahmen der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag einseitig zuweisen

Selten sind Arbeitsverträge aber so konkret, dass sie sich wirklich nur auf einen speziellen Arbeitsplatz beziehen. Häufig verpflichten sich Arbeitnehmer*innen auch andere geeignete Tätigkeiten zu übernehmen, wenn der Arbeitgeber das anweist. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber einseitig den Beschäftigten anweisen, diese Arbeiten zu übernehmen. Vorausgesetzt, sie können nach den Regeln des Arbeitsvertrages dem Arbeitnehmer auch zugemutet werden.

Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich für länger als einem Monat zuweisen, handelt es sich um eine Versetzung. Auch wenn der Arbeitgeber eine Arbeit zuweist, die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist, handelt es sich um eine Versetzung. Davon gibt es allerdings auch Ausnahmen. Wenn ein*e Arbeitnehmer*in nach dem Arbeitsvertrag zu einer Arbeit verpflichtet ist, die nicht immer an einem bestimmten Arbeitsplatz erfolgt, handelt es sich nicht unbedingt um eine Versetzung, wenn der Arbeitgeber ihm eine Tätigkeit zuweist.

Gibt es einen Betriebsrat, muss er einer Versetzung zustimmen

Das zu beurteilen, ist im Einzelfall nicht immer ganz einfach. Im Zweifel sollten sich Beschäftigte von jemandem beraten lassen, der sich im Arbeitsrecht gut auskennt. Und da ist es mehr als sinnvoll, wenn man Mitglied einer Gewerkschaft ist. Und es ist gut, wenn es einen Betriebsrat gibt. Gibt es nämlich keinen, ist es nicht sonderlich erheblich, ob die Zuweisung einer anderen Tätigkeit eine Versetzung ist. Der Arbeitgeber kann einseitig zuweisen.

Gibt es aber einen Betriebsrat, ist eine Versetzung nur wirksam, wenn der er dieser zustimmt. Leider ist der Betriebsrat aber nicht so ganz frei in seiner Entscheidung. Zunächst einmal muss er sich entscheiden. Will er seine Zustimmung nämlich verweigern, muss er das dem Arbeitgeber binnen einer Woche mitteilen und die Gründe dafür angeben. Äußert er sich innerhalb der Woche nicht, gilt seine Zustimmung als erteilt.

Der Betriebsrat darf sich nur weigern, wenn es einen gesetzlichen Grund gibt

Der Betriebsrat kann aber auch nicht irgendwelche Gründe angeben. Das Gesetz zählt nämlich sechs Fälle auf, in denen der Betriebsrat einer Versetzung nicht zustimmen muss. Der Arbeitgeber kann im Zweifel beim Arbeitsgericht beantragen, dass die Zustimmung des Betriebsrates ersetzt wird, wenn nicht einer der gesetzlich vorgesehenen Fälle vorliegt.
Siehe hierzu ausführlich unser Schwerpunktthema „Beteiligungsrechte des Betriebsrates“
Das Gericht prüft dann gleichsam, ob der Betriebsrat das Recht hatte, seine Zustimmung zu verweigern. Hatte er das nicht, ersetzt das Gericht die Zustimmung durch Beschluss und der Arbeitgeber kann versetzen.

Die Beteiligung des Betriebsrates ist im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Und in diesem Gesetz geht es um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und nicht um die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hat aber entschieden, dass eine Versetzung auch individualrechtlich unwirksam ist, wenn eine ordnungsgemäße Zustimmung des Betriebsrates fehlt. Das hat zur Folge, dass der betroffene Beschäftigte sich weigern darf, die ihm zugewiesene neue Tätigkeit zu verrichten.

Im Arbeitsvertrag gibt es eine sehr weitgehende Versetzungsklausel

Unser Büro in Wolfsburg war mit einem Fall betraut, in dem ein Arbeitnehmer bereits mehrere Abmahnungen bekommen hatte, die das Gericht allesamt für nicht wirksam hielt, weil sie nicht konkret bezeichnet hatten, was der Arbeitgeber dem Beschäftigten überhaupt vorwarf.
Herr Bauer (Name von der Redaktion geändert) ist beschäftigt bei einem großen norddeutschen Automobilhersteller als Mechaniker in dessen Hauptwerk. In seinem Arbeitsvertrag findet sich folgende Regelung:
“Soweit aus betrieblichen Gründen eine Umsetzung oder Versetzung erforderlich wird, sind Sie verpflichtet, eine andere Ihnen zugewiesene, Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übernehmen. Entsprechend Ziffer 4.1 der „Vereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung" vom 28. September 1995 behalten wir uns vor, Ihnen innerhalb unseres Unternehmens auch in einem anderen Werk der V- AG eine andere entsprechende Tätigkeit zu übertragen."

Herr Bauer soll fehlerhaft gearbeitet haben und deshalb versetzt werden

Hinsichtlich einiger Arbeiten kam Herr Bauer in Konflikt mit Vorgesetzten. Ihm wurde vorgeworfen, er habe innerhalb von 10 Tagen einen Umfang von knapp 40 % fehlerhaft und nicht vollständig abgearbeitet. Es habe sich vorwiegend um Arbeiten mit einem geringen Zeitaufwand pro Position gehandelt. Arbeiten mit einem hohen Zeitaufwand pro Position seien fehlerhaft ausgeführt worden und hätten nachgearbeitet werden müssen. 60 % der Arbeiten hätten von anderen Kollegen ausgeführt werden müssen.

Eine Konsequenz war, dass der Arbeitgeber Herrn Bauer eine andere Arbeit als Güteprüfer rund 20 km vom Hauptwerk entfernt auf dem Testgelände des Unternehmens zuwies. Diese Versetzung wollte Herr Bauer nicht akzeptieren. Er weigerte sich, diese Arbeiten zu verrichten. Der Arbeitgeber hat ihm deshalb eine Abmahnung erteilt.

Das Arbeitsgericht gab Herrn Bauer Recht

Mithilfe der IG Metall und der DGB Rechtsschutz GmbH ist Herr Bauer vor das Arbeitsgericht gezogen. Er wollte erreichen, dass das Arbeitsgericht die Zuweisung der Tätigkeit eines Güteprüfers auf dem Testgelände als nicht wirksam erklärt und dass der Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte entfernen muss. 

In beiden Fällen hat er Recht bekommen. Das Arbeitsgericht Braunschweig ist von einer Versetzung ausgegangen. Diese sei zwar grundsätzlich rechtens, weil die Tätigkeit eines Güteprüfers auf dem Testgelände grundsätzlich durch den Arbeitsvertrag gedeckt sei. Jedoch habe der Betriebsrat dieser Versetzung nicht ordnungsgemäß zugestimmt.
Der Arbeitgeber habe auch im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem es individualrechtlich um die Wirksamkeit einer Versetzung ginge, im Einzelnen darzulegen, dass die Beteiligung des Betriebsrats gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz ordnungsgemäß erfolgt sei.

Es reicht nicht, dass der Betriebsrat irgendwie Bescheid weiß

Im Gerichtsverfahren hatte der Arbeitgeber lediglich vorgetragen, der Betriebsrat habe den Prozess der Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes begleitet und im Ergebnis der Maßnahme zugestimmt. Das hielt das Gericht bei Weitem nicht für ausreichend.
Der Arbeitgeber habe insbesondere nicht im Einzelnen dargelegt, mit welchem Inhalt er den Betriebsrat über die personelle Maßnahme unterrichtet habe. Er habe den Betriebsrat so zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt werde, zu prüfen, ob einer der im Gesetz genannten Gründe dafür vorliege, die Zustimmung zu verweigern. Der Arbeitgeber habe nicht einmal vorgetragen, wann eine formale Unterrichtung des Betriebsrates erfolgt sei.

Weil der Arbeitgeber nicht darlegen konnte, dass er den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt hat, ist die Versetzung also unwirksam. Deshalb war auch die Abmahnung unrechtmäßig, die der Arbeitgeber Herrn Bauer erteilt hatte, weil dieser sich weigerte, als Güteprüfer auf dem Testgelände zu arbeiten. Dazu war er vielmehr berechtigt.

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig

Vergleiche auch:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2010 - 2 AZR 491/09

Unser Artikel „Ohne Zustimmung des Betriebsrates keine Versetzung – ein kurzer Prozess“