Negative Äußerungen im Kündigungsschutzprozess können das Arbeitsverhältnis gefährden, auch wenn die Kündigung unwirksam ist.
Negative Äußerungen im Kündigungsschutzprozess können das Arbeitsverhältnis gefährden, auch wenn die Kündigung unwirksam ist.

Ausgangspunkt war die Klage eines Arbeitnehmers auf leistungsabhängige Vergütungsansprüche. Der Kläger, gutbezahlter und hochqualifizierter Akademiker in einer Führungstätigkeit, hatte seinem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang bereits Mobbing vorgeworfen.

Arbeitnehmer redet sich „um Kopf und Kragen“

Nach der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht hatte der Klägers selbst, ohne Rücksprache mit seinem eigenen Anwalt, beim Rechtsanwalt des Arbeitgebers angerufen. Dabei hatte er dem Anwalt vorgeworfen, er verbreite in dem Prozess Lügen und Verleumdungen über ihn und er habe seinen Mandanten, den Arbeitgeber, nicht im Griff.

Durch die Prozessführung aufgrund dieser Lügen mache der Anwalt sich strafbar und riskiere seine Anwaltszulassung. Die Behauptungen des Arbeitgebers seien außerdem so absurd, dass er sich auch als Anwalt lächerlich mache.

Kritik allein rechtfertigt keine Kündigung

Dieses Telefonat hat der Arbeitgeber dann zum Anlass genommen, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.

Für eine Kündigung reichten diese Äußerungen in der konkreten Situation nicht aus, weder fristlos noch fristgemäß. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Köln haben die Kündigung als sozial ungerechtfertigt zurück gewiesen. Dies auch mit der Begründung, dass der Rechtsanwalt des Arbeitgebers von sich aus nicht berechtigt war, sich auf ein Gespräch mit dem Kläger selbst einzulassen.

Seinen Arbeitsplatz hat der Kläger aber trotzdem verloren, denn das Landesarbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst.

Auch das Gericht kann ein Arbeitsverhältnis auflösen

Diese Möglichkeit sieht das Kündigungsschutzgesetz vor, wenn eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, eine „den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit“ aber nicht zu erwarten ist. Das Gericht kann dann - trotz Unwirksamkeit der Kündigung - das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers auflösen und hat eine angemessene Abfindung festzusetzen.

In aller Regel ziehen Arbeitgeber für einen solchen Auflösungsantrag mündliche oder schriftliche Äußerungen der/des Beschäftigten heran. Sobald solche Wortmeldungen deutliche Kritik am Arbeitgeber, an Vorgesetzten oder an Kollegen enthalten wird behauptet, dadurch sei eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten.

Hier besteht durchaus ein Konflikt mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit, denn dadurch kann eine bloße Meinungsäußerung, die grundrechtlich geschützt ist, dazu führen, dass ein Arbeitsverhältnis beendet wird.

Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch gegenüber dem Arbeitgeber

Deshalb hatte der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichtes Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen. In der kurzen Begründung haben die Verfassungsrichter*innen aber die Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ausdrücklich hervorgehoben. Danach sind auch wertende und damit kritische Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber in einem Gerichtsverfahren von der Meinungsfreiheit geschützt. Im Rahmen eines Prozesses dürfen auch starke, eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzt werden, um die eigene Position zu unterstreichen. Dies ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gerade auch dann zu berücksichtigen, wenn es um Mobbing-Vorwürfe geht, weil ein/e Arbeitnehmer*in sich dabei zwangsläufig negativ gegenüber Arbeitgeber, Vorgesetzten oder auch Kolleg*innen äußern muss. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hatte dies aber nach Auffassung der Verfassungsrichter*innen ausreichend berücksichtigt: Die Äußerungen seien nur als Indizien für ein ohnehin bereits zerrüttetes Arbeitsverhältnis gewertet worden und das Landesarbeitsgericht habe weitere Anhaltspunkte dafür herangezogen.

Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2016, Aktenzeichen 1 BvR 988/15 gibt es hier im Volltext

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Das sagen wir dazu:

Auch wenn die Gerichte die Bedeutung der Meinungsfreiheit rhetorisch immer wieder hervorheben und betonen, bleibt das Grundrecht in der Entscheidungspraxis gelegentlich auf der Strecke. 

Der gerichtliche Auflösungsantrag ist deshalb eine scharfe Sanktion des Arbeitgebers bzw. der Arbeitsgerichte für allzu kritische Äußerungen oder Aufmüpfigkeit gegenüber dem Arbeitgeber.

Dass unsachliche, beleidigende oder verletzende Kritik im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (von allen Seiten) grundsätzlich Tabu sein sollte, versteht sich von selbst. Trotzdem bleibt auch sachliche Kritik Teil des Grundrechts der Meinungsfreiheit.

Während eines laufenden Gerichtsverfahrens gegen seinen Arbeitgeber sollte man aber mit entsprechenden Äußerungen besonders vorsichtig sein. 

In der Regel empfiehlt es sich, die Kommunikation im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren der jeweiligen Prozessvertretung zu überlassen. Bei eigenen mündlichen oder schriftlichen Stellungnahmen schießen Betroffene aus persönlichem Ärger oder aus Wut gelegentlich über das Ziel hinaus. Auch wenn eine solche Äußerung vielleicht anders gemeint war oder auch provoziert worden ist, lässt sie sich später nicht mehr zurücknehmen.

Rechtliche Grundlagen

§ 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

§ 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts; Abfindung des Arbeitnehmers

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.