Gesetzlicher Abfindungsanspruch durchgesetzt
Gesetzlicher Abfindungsanspruch durchgesetzt

Der Kläger, der bei seinem ehemaligen Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiter beschäftigt war, erhält nun eine Abfindung von mehr als 15.000 €.

Arbeitgeber bot Abfindung an

Der Arbeitgeber hatte den Mitarbeiter, ein ver.di-Mitglied mit Schreiben vom 24.09.2013 zum 31.12.2013 gekündigt und ihm für den Fall, dass er keine Kündigungsschutzklage erheben sollte, eine Abfindung in Höhe von 15.292,50 € zugesagt. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt.

Noch vor Ablauf der Klagefrist erhielt der Kläger ein Schreiben, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass sein Arbeitsverhältnis erst am 31.08.2014, also acht Monate später enden würde. Er werde ab dem 01.01.2014 bezahlt von der Arbeit freigestellt.

Der Kläger erhob daraufhin keine Kündigungsschutzklage. Als jedoch die Abfindung nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht gezahlt wurde, klagte er diese ein.

§ 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) - Abfindung

Die Möglichkeit eines Klageverzichts gegen Abfindung hat der Gesetzgeber im Jahr 2003 geschaffen. Mit dieser Vorschrift sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die meisten Kündigungsschutzklagen sowieso mit einer Abfindungszahlung beendet werden.

Die gesetzliche Möglichkeit in § 1a Kündigungsschutzgesetz („1a-Abfindung“) sollte die Anzahl der Verfahren reduzieren und die Abwicklung von Kündigungen beschleunigen.

Die Vorschrift hat nicht den erhofften Effekt gebracht. Warum sollte ein Arbeitgeber auch eine Abfindung anbieten, wenn er der Meinung ist, die Kündigung sei gerechtfertigt. Und warum sollte ein Arbeitnehmer eine Kündigung akzeptieren, wenn der Arbeitgeber doch anscheinend selbst nicht von deren Wirksamkeit überzeugt ist?

In diesem Fall hatte der Arbeitgeber die Möglichkeit einer solchen „1a-Abfiundung“ gewählt. Streit bestand nun darüber, ob die verlängerte Kündigungsfrist die Abfindungszahlung abgelöst hatte oder ob dem Kläger beides zusteht.

Verlängerte Kündigungsfrist „on top“?

Der beklagte Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, er habe mit dem Kläger dahingehend verhandelt, dass die verlängerte Kündigungsfrist für diesen sinnvoller sei als eine Abfindung und man sich deshalb zu einer Umwandlung entschlossen habe.

Dies ergebe sich auch aus der Formulierung des zweiten Schreibens, das die „1a-Abfindung“ nicht mehr aufrecht erhalte. Damit sei klar, dass diese mit der verlängerten Kündigungsfrist automatisch „vom Tisch“ sei. Der Kläger habe nicht ernsthaft annehmen können, dass er sowohl eine Abfindung, als auch eine verlängerte Kündigungsfrist mit Freistellung bekommen sollte.

Wenn das so zu verstehen gewesen wäre, hätte es eines entsprechenden Hinweises bedurft, dass die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses die Abfindung nicht ersetze.

Der DGB Rechtsschutz argumentierte dagegen, es fände sich kein Hinweis darauf, dass die Abfindung durch die verlängerte Kündigungsfrist ersetzt werden sollte. Wenn der Arbeitgeber das gewollt hätte, hätte er dies in dem Schreiben deutlich machen müssen. Da er dies unterlassen habe und die Voraussetzungen der „1a-Kündigung“ vorlägen, müsse die Abfindung gezahlt werden.

Landesarbeitsgericht: Entscheidend ist die objektive Bedeutung der Erklärung

Diese Argumentation überzeugte sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht: Entscheidend sei nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern „die objektive Erklärungsbedeutung des Gesamtverhaltens“.

Objektiv sei das Schreiben eindeutig so zu verstehen, dass es bei der „1a-Kündigung“ bleiben solle und nur die Frist verlängert werden sollte. Es habe daher keines weiteren unmissverständlichen Hinweises bedurft, dass die Abfindung aufrechterhalten werde.

Wenn der Arbeitgeber das gewollt hätte, hätte er seinerseits in dem Schreiben deutlich machen müssen, dass er entweder die Abfindung oder die verlängerte Frist als Gegenleistung für den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage anbieten wollte.

Hohe Abfindungszahlung nicht unüblich

Die Befragung des Prokuristen des Arbeitgebers hatte zudem ergeben, dass dieser nur subjektiv davon ausgegangen war, dass dem Kläger keine Abfindung mehr zusteht, ohne dass er dies im Gespräch dem Arbeitnehmer gegenüber erwähnt hatte.

Das Gericht schloss sich auch der Einschätzung des DGB Rechtsschutz an, wonach es keineswegs unüblich ist, dass gerade ältere Arbeitnehmer eine hohe Abfindungszahlung erhalten, besonders wenn es dem Arbeitgeber darauf ankommt, einen nur schwer kündbaren Arbeitnehmer loszuwerden.

Da der Arbeitgeber unter hohem Kostendruck gestanden habe und es ihm gerade darauf ankam, Personalkosten zu senken, sei es nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit, dass man eine verlängerte Kündigungsfrist zusätzlich zur Abfindung anbietet.

Im Ergebnis verurteilte das Landesarbeitsgericht den Beklagten dazu, die versprochene Abfindung in Höhe von 15.292,50 € zuzüglich Zinsen für zwei Jahre zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Anmerkung

Einen Anspruch auf Abfindung gibt es nur selten. Neben der Abfindung aus einem Sozialplan gibt es nur den Fall, in dem - wie hier - eine Abfindung für den Fall zusagt wird, dass der Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung klagt.

Wenn aber der Arbeitgeber ein solches Angebot nicht unterbreitet, gibt es auch keinen Anspruch auf eine Abfindungszahlung. Es gibt nicht allein deshalb einen Anspruch auf eine Abfindung, weil man gekündigt wurde. Sofern es nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag festgelegt ist, schuldet der Arbeitgeber nur den monatlichen Lohn und keine weitere Zahlung am Ende des Arbeitsverhältnisses.

Wer trotzdem eine Abfindung erstreiten will, muss gegen die Kündigung selbst vorgehen. Die Kündigung ist dann entweder wirksam und das Arbeitsverhältnis endet (ohne Abfindung!) oder die Kündigung ist unwirksam und das Arbeitsverhältnis fortbesteht (unter Nachzahlung des Lohnes).

Die Abfindung stellt einen Kompromiss dar, der die Risiken der Parteien begrenzt. Je nachdem, wie wahrscheinlich das Gewinnen jeweils ist, ist die Abfindung höher oder geringer. Aber: auf eine Abfindung muss man sich einigen. Wenn einer der Parteien nicht vergleichsbereit ist, entscheidet das Gericht über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung.

Das Urteil Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 04.03.2016, Az.:3 Sa 189/15 hier im Volltext


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Rechtliche Grundlagen

§ 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) - Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung

§ 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) - Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung

(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.