Ohne BEM keine krankheitsbedingte Kündigung. Copyright by iderina/Adobe Stock
Ohne BEM keine krankheitsbedingte Kündigung. Copyright by iderina/Adobe Stock

Seit mehreren Jahren war der Kläger, ein Staplerfahrer, vielfach und mehrere Wochen lang arbeitsunfähig krank. Zuletzt dauerte die Arbeitsunfähigkeit über ein halbes Jahr an. Der Arbeitgeber sprach daher eine krankheitsbedingte Kündigung aus.
 
Der Kläger, der im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern von der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten wurde, gewann den anschließenden Kündigungsschutzprozess.
 

Arbeitgeber meint, lange Fehlzeiten belegen gesundheitlichen Schaden

Der Arbeitgeber vertrat im Verfahren die Auffassung, dass die langen Fehlzeiten des Klägers dessen gesundheitliche Schädigungen belegten. Der Kläger sei auffällig lange und häufig krank. Der Arbeitgeber habe zwar Gespräche mit ihm führen wollen. Aufgrund der ständigen Fehlzeiten des Klägers konnten diese jedoch nicht stattfinden.
 
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) fand nicht statt. Der Kläger erhielt stattdessen die fristgemäße Kündigung, weil er im Betrieb häufig fehlte. Das Gericht hielt diese Kündigung jedoch nicht für wirksam. Es verwies darauf, die Kündigung sei unverhältnismäßig gewesen.
 

Arbeitgeber unterließ betriebliches Eingliederungsmanagement

Begründet wird dies damit, der Arbeitgeber habe kein BEM durchgeführt, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben sei. Er habe auch nicht ausreichend belegt, dass es im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel mehr gegeben habe als die Kündigung. Möglicherweise hätte man mit einem solchen milderen Mittel jedoch weiteren Fehlzeiten entgegenwirken können.
 
Im Streit stand eine krankheitsbedingte Kündigung. Diese sei unverhältnismäßig und deshalb rechtlich auch nicht wirksam, wenn sie entweder nicht dazu geeignet sei, die Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen oder aber nicht erforderlich, um die Störung zu beheben.
 

Die Krankheit muss der Kündigungsgrund sein

Die Krankheit müsse der Grund für die Kündigung gewesen sein. Der Arbeitgeber dürfe aus diesem Grund aber nicht kündigen, wenn es andere, angemessene und mildere Mittel gebe, um weitere Fehlzeiten zu vermeiden oder zu verringern.
 
Der Arbeitgeber könne beispielsweise den Arbeitsplatz umgestalten. In Betracht käme auch eine eventuelle Weiterbeschäftigung auf einem anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz. Darüber hinaus könne es möglicherweise auch sein, dass der Kläger weniger fehle, wenn er spezielle Behandlungen erhalte.
 
In jedem Falle sei der Arbeitgeber dazu verpflichtet, hierzu im Prozess vorzutragen. Er müsse schließlich die Verhältnismäßigkeit der Kündigung darlegen und beweisen. Dabei müsse er detailliert darlegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden.
 

Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber zum betrieblichen Eingliederungsmanagement

Entsprechendes habe der Beklagte im Verfahren nicht getan. Das Gesetz verpflichte ihn, bei länger andauernden Erkrankungen ein BEM vorzunehmen. Es sei dabei gleichgültig, ob beim Kläger eine Behinderung vorliege.
 
Die Beklagte habe kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. Der Arbeitgeber müsse ein solches jedoch selbst einleiten. Diese Initiative habe die Beklagte nicht ergriffen. Sie habe lediglich darauf verwiesen, dass verschiedene Gespräche vorgesehen waren, wegen der Fehlzeiten des Klägers jedoch nicht stattfanden.
 

Einladung zum angebotenen Gesprächs und dessen vorgesehener Inhalt waren nicht nachgewiesen

Der Arbeitgeber habe im Verfahren aber zu keinem Zeitpunkt dargelegt, wann er den Kläger zu einem Gespräch eingeladen hatte und zu welchem Datum dies stattfinden sollte. Des Weiteren sei unklar geblieben, ob die Beklagte den Kläger auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements hingewiesen habe. Gleiches gelte für die Art und den Umfang der dabei erhobenen Daten.
 
Insbesondere sei zu keinem Zeitpunkt deutlich geworden, dass die Beklagte überhaupt den ernsthaften Versuch eines betrieblichen Eingliederung unternommen habe.
 
Da dem Gericht hierzu sämtliche Angaben fehlten, ging es davon aus, dass durch den Arbeitgeber ein BEM nicht ausreichend nachgewiesen sei. Dies führe dazu, dass die Kündigung des Klägers unverhältnismäßig sei. Der Arbeitgeber habe nämlich nicht deutlich machen können, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement objektiv nutzlos gewesen sei.
 

Ist der Erfolg objektiv ausgeschlossen, kann ein BEM unterbleiben

Zwar sei eine Kündigung nicht nur nach einem betrieblichen Eingliederungsmanagement wirksam. Die Verpflichtung hierzu sei allerdings durchaus zu beachten. Das gelte vor allem bei der Prüfung der Frage, ob eine Kündigung verhältnismäßig sei. Mithilfe des BEM könnten möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden.
 
Möglich sei allerdings, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In dieser Situation dürfe dem Arbeitgeber jedoch kein Nachteil entstehen, wenn er das betriebliche Eingliederungsmanagement unterlasse. In diesem Falle müsse er dann jedoch beweisen, dass ein BEM objektiv nutzlos gewesen wäre. Diesen Beweis habe der Arbeitgeber vorliegend jedoch nicht geführt.
 
Dazu hätte er nämlich umfassend und ausführlich vortragen müssen, warum es nicht möglich war, den Kläger auf seinem Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Oder er hätte dem Gericht darlegen müssen, warum der Arbeitsplatz nicht hätte so umgestaltet werden können, dass der Kläger dort wieder arbeiten kann. Er hätte außerdem belegen müssen, dass gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitation nicht zu geringeren Fehlzeiten hätten führen können.
 
Der Arbeitgeber müsse damit insgesamt verdeutlichen, warum ein BEM in keinem Fall neuen Krankheitszeiten hätte vorbeugen und das Arbeitsverhältnis erhalten können. Hierzu waren dem Gericht die Ausführungen des Arbeitgebers zu wenig. Deshalb sah es die krankheitsbedingte Kündigung als unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam an. Der Arbeitgeber wurde verpflichtet, den Kläger weiter zu beschäftigen.
 
 Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Hinweise:
Keine Kündigung auch bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit
BEM ist nicht nur einmal im Jahr
Ohne BEM ist eine Kündigung unwirksam

Rechtliche Grundlagen

Betriebliches Eingliederungsmanagement

ozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX)
§ 167 Prävention

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.