Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitsplatz auch in anderen Fällen freihalten muss, wenn er in Haft muss. Copyright by bibiphoto/fotolia.
Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitsplatz auch in anderen Fällen freihalten muss, wenn er in Haft muss. Copyright by bibiphoto/fotolia.

Neumann hat Mist gebaut, so richtig Mist. Als junger Vater mit einem festen Job als Bäcker hätte er es besser wissen müssen. Er hat sich von den Jungs überreden lassen bei einem Bruch mitzumachen. Sie wurden erwischt und das Gericht wertete seinen Tatbeitrag als versuchten Raubüberfall. Das brachte ihm ein Urteil mit einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten ein.

 

Kündigung wegen Haftstrafe 

Als er vor Haftantritt seinen Arbeitgeber informierte, kündigte dieser das Arbeitsverhältnis. Neumann erhob Kündigungsschutzklage. Als Kündigungsgrund hatte der Arbeitgeber vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers genannt.

Das passt bei Neumann nicht. Der missglückte Raub hatte nichts mit dem Arbeitgeber zu tun. Außerdem hatte er ihn nicht während seiner Arbeitszeit begangen, es bestand also gar kein Bezug zum Arbeitsverhältnis.

Wenn kein Bezug besteht, kann der Arbeitgeber auch nicht wegen vertragswidrigem Verhalten kündigen. Anders ist es natürlich, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers begangen hat oder wenn das Delikt seine Eignung entfallen lässt, etwa bei einem Erzieher, der mit Drogen handelt. Eine Kündigung ist auch möglich, wenn durch die Straftat das Vertrauen erschüttert ist, zum Beispiel wenn eine Kassiererin in Geldbetrügereien verwickelt ist.

Dass Neumanns Tat nicht mit einer verhaltensbedingten Kündigung geahndet werden kann, hat Neumanns Arbeitgeber schon richtig gesehen. Er kündigte das Arbeitsverhältnis deshalb erst, als Neumann die Haft antreten musste, weil Neumann dauerhaft nicht in der Lage ist zur Arbeit zu kommen.

 

Untersuchungshaft als Kündigungsgrund

Neumann ist nicht in Untersuchungshaft gekommen, weil keine Verdunklungs- oder Fluchtgefahr bestand. Voraussetzung für eine haftbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen.

Außerdem muss sich das auch negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirken, etwa durch Betriebsablaufstörungen, so hat es beispielsweise das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 18. Oktober 2011 (15 Sa 33/11) entschieden.

Eine verhältnismäßig erhebliche Zeit wird bei der Untersuchungshaft wohl nicht erreicht, weil diese ja in der Regel nur einen kürzeren Zeitraum umfasst und nicht auf Dauer angelegt ist.

 

Fristlose Kündigung bei Haft?

Das Arbeitsverhältnis ist als Austauschverhältnis ausgestaltet: Nur wer arbeitet, erhält auch Lohn.  Etwas anderes gilt nur, wenn Sonderregelungen existieren wie bei Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Wer also wegen Inhaftierung nicht arbeiten kann, erhält auch keinen Lohn. Der Arbeitgeber gerät nicht in Annahmeverzug.

Daher ist nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg Württemberg auch nicht nötig, eine fristlose Kündigung auszusprechen, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Fall die Ursache der Arbeitsverhinderung selbst gesetzt hat.

 

Die kritische 2-Jahres-Grenze

Neumanns Arbeitgeber hat fristgemäß gekündigt, weil Neumann mit seiner Haft von zwei Jahren und acht Monaten mehr als zwei Jahre für die Arbeit nicht zur Verfügung steht.

Die Rechtsprechung bestätigt bei einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren in der Regel, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist lösen darf, zuletzt LAG Hessen im Urteil vom 21. November 2017 (8 Sa 146/17). Neumann liegt also über dieser Grenze.

Neumann beruft sich auf seine günstige Sozialprognose: Er könnte doch damit rechnen, dass er nur zwei Drittel der Zeit verbüßen muss. Dann stünde er der Arbeit wieder zur Verfügung.

 

Ungewisse vorzeitige Entlassung

Ob er tatsächlich vorzeitig entlassen wird, ist aber ungewiss. Der Arbeitgeber und auch Neumann wissen zum Kündigungszeitpunkt nicht, ob er vorher rauskommt oder vielleicht sogar in den offenen Vollzug wechseln kann.

Das LAG Hessen stellte darauf ab, dass es bei Antritt der Freiheitsstrafe ungewiss war, ob Neumann seine Strafe vollständig verbüßen müsse oder zum Beispiel in den offenen Vollzug wechseln könne. 

Da Entwicklungen, die erst nach der Kündigung eintreten, nicht erheblich sind, war dieses Argument nicht erfolgreich.

 

Haft ist nicht mit Elternzeit vergleichbar

Der junge Vater Neumann versuchte es dann noch mit der Begründung, dass er ja auch in Elternzeit hätte gehen können. Dann müsste der Arbeitgeber den Arbeitsplatz doch auch drei Jahre freihalten.

Das LAG Hessen lässt diesen Vergleich nicht gelten: Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit diene dem Schutz der Familie und es sei eine gesetzliche Pflicht, die dem Arbeitgeber vom Gesetzgeber auferlegt ist. Neumann kann sich also nicht darauf berufen, dass es andere Konstellationen gibt, bei denen der Arbeitgeber den Arbeitsplatz frei halten muss.

Daher kommt das LAG zu dem Schluss, der Arbeitgeber müsse nicht mit Überbrückungsmaßnahmen den Arbeitsplatz freihalten, sondern könne ihn dauerhaft neu besetzen.

 

Interessenabwägung führt zu keinem anderem Ergebnis

Die Kündigung ist immer das letzte Mittel, zu dem der Arbeitgeber greifen darf. Aus diesem ultima-ratio-Prinzip ergibt sich, dass eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers durchgeführt werden muss.

Zugunsten des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, wenn die Fehlzeit auf einen Betriebsunfall zurückzuführen ist, auf gesundheitsschädliche Arbeit und immer eine lange Betriebszugehörigkeit, fortgeschrittenes Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen, guter bisheriger Verlauf des Arbeitsverhältnisses.

Zulasten des Arbeitnehmers ist zu werten, wenn ihn ein Selbstverschulden trifft. Neumann kann die immerhin langjährige Betriebszugehörigkeit und seine Unterhaltsplicht anführen. Das reicht aber nicht aus, weil er die lange Haft selbst verschuldet hat. Daher geht auch diese Interessenabwägung zu Lasten von Neumann aus. Er ist sein Arbeitsverhältnis los.

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Das sagen wir dazu:

Nicht jede außerdienstliche Verfehlung rechtfertigt eine Kündigung. Sie muss Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder zu gravierenden Abwesenheitszeiten führen. Selbst bei Inhaftierung haben Arbeitnehmer Chancen, durch eine Kündigungsschutzklage ihren Arbeitsplatz zu behalten. Zumindest dann, wenn die Haft unter zwei Jahren liegt oder der Arbeitgeber schon zu einem Zeitpunkt kündigt, wenn die Dauer noch nicht feststeht.