Der Arbeitgeber konnte im Prozess nicht beweisen, dass der gekündigte Mechatroniker unterdurchschnittliche Arbeit leistete und viele Fehler machte.
Der Arbeitgeber konnte im Prozess nicht beweisen, dass der gekündigte Mechatroniker unterdurchschnittliche Arbeit leistete und viele Fehler machte.


Mit seinem Urteil macht das Arbeitsgericht Bielefeld deutlich, dass auch viele Abmahnungen eine verhaltensbedingte Kündigung nicht ohne weiteres rechtfertigen können.

Mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH konnte sich ein Arbeitnehmer gegen den Vorwurf wehren, nur unterdurchschnittliche Arbeitsleistung zu erbringen.

Der Kläger, Mitglied der IG Metall, ist seit 1998 bei der Beklagten als KfZ-Servicetechniker beschäftigt. Die Beklagte ist eine Gesellschaft, die ein Autohaus mit angeschlossener Werkstatt betreibt.

Abmahnung über Abmahnung

Insgesamt sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger, beginnend im Jahr 2014, sechs Abmahnungen aus. Hintergrund der Abmahnungen waren von der Beklagten behauptete Fehler bei der Arbeitsausführung.

  1. Abmahnung: im April 2014 soll der Kläger an dem Fahrzeug eines Kunden Steuerketten und Kettenspanner ausgetauscht haben, obwohl dies nicht nötig gewesen sei. Der Kläger habe hierbei eigenmächtig gehandelt und unnötige Kosten verursacht.

  2. Abmahnung: im Oktober 2014 soll der Kläger im Rahmen einer Reparatur einen Schlauch für eine Motorenentlüftung nicht wieder aufgestellt haben, nachdem zuvor eine Demontage durch den Kläger erfolgt sei.

  3. Abmahnung: Ebenfalls im Oktober 2014 soll der Kläger für die Nachrüstung einer Anhängerkupplung zu lange gebraucht haben. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe 710 statt vorgesehener 570 „Zeiteinheiten“ gebraucht, also ganze 20% mehr als geplant. Zudem habe die Kofferraumbeleuchtung bei dem zu reparierenden Auto nicht funktioniert, da der Kläger eine notwendige Steckverbindung nicht wiederhergestellt habe.

  4. Abmahnung: Abermals im Oktober 2014 soll der Kläger an einem Auto jeweils einen Defekt an der Steuerkette und einem Kettenspanner erkannt und behoben haben. Allerdings habe es der Kläger dann versäumt, den Motor richtig einzustellen. Hierdurch sei die Gefahr eines schweren Motorschadens entstanden.

  5. Abmahnung: Im August 2014 soll der Kläger einen Kraftstoffrücklaufschlauch nicht richtig befestigt haben, worauf sich der Schlauch vom Anschlussrohr gelöst haben soll. Der Mangel trat im November 2014 zu Tage.

  6. Abmahnung: Im November 2015 soll der Kläger beim Aufstecken eines Kühlwasserschlauchs auf einen Abgasrückführungshalter die Montage einer Sicherungsschelle vergessen haben. Der Mangel sei dann im Januar 2016 eingetreten, der Schlauch habe sich wegen des Fehlers des Klägers während der Fahrt gelöst, so die Beklagte.   

Beklagte kündigt und schiebt Kündigungsgrund nach

Die Beklagte entschloss sich sodann dazu, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Die fristgemäße Kündigung zum 31.07.2016 ging dem Kläger im Januar 2016 zu.

Die Kündigung stütze die Beklagte auf das von ihr abgemahnte Leistungsverhalten des Klägers.

Im April 2016 trug die Beklagte ergänzend vor, ihr sei zwei Monate zuvor, also im Februar 2016, ein weiterer Rechtfertigungsgrund für die verhaltensbedingte Kündigung bekannt geworden: Im November 2015 war es Aufgabe des Klägers, in das Auto eines Kunden eine Standheizung einzubauen. Allerdings funktionierte diese nicht richtig. Nach Ansicht der Beklagten habe der Kläger sodann fälschlicherweise das Vorliegen einer fehlerhaften Multikontrolleinheit angenommen. Vielmehr sei die Heizung tatsächlich falsch vom Kläger eingebaut worden.

Kläger wehrt sich mit Hilfe des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes

Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Hierbei wurde er vom Bielefelder Büro der DGB Rechtsschutz GmbH vor dem Arbeitsgericht vertreten.

Der Kläger bestritt die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe. Einzig den Vorwurf aus der 4. Abmahnung - die falsche Einstellung eines Motors -  räumte der Kläger ein. Hier gab der Kläger zu, geringfügig falsche Einstellungen vorgenommen zu haben. Diese hätten allerdings keine Gefahr eines schweren Motorschadens bedeutet.

Viele Abmahnungen  - wenig Wirkung.

Das Arbeitsgericht Bielefeld gab der Kündigungsschutzklage statt.

Die ordentliche Kündigung ist unwirksam. Die Beklagte verlor in vollem Umfang.

Zunächst stellt das Arbeitsgericht fest, dass der von der Beklagten erhobene Vorwurf eine verhaltensbedingte Kündigung darstellt, nicht etwa eine personenbedingte.

Hintergrund: Kündigung wegen Schlechtleistung

Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund liegt immer dann vor, wenn Anknüpfpunkt für eine Kündigung ein Verhalten des Arbeitnehmers ist. Maßgeblich ist das Verhalten, wenn es das Resultat eines vom Willen des Arbeitnehmers gesteuerten Handelns ist.

Demgegenüber sind personenbedingte Kündigungsgründe solche, die der Arbeitnehmer nicht steuern kann. Typischer Fall: Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitnehmer leistet keine Arbeit, weil er nicht kann. Nicht etwa, weil er nicht will.

So kann etwa Trunkenheit am Arbeitsplatz personenbedingte Gründe haben. Dann nämlich, wenn der Arbeitnehmer alkoholkrank ist. Er kann dann sein Trinkverhalten nicht mehr steuern.

Der hier vom Arbeitsgericht zu entscheidende Fall stellt einen besonderen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar: Die Schlechtleistung.

Der Vorwurf der Beklagten geht dahin, dass der Kläger schlechte Arbeit leistet, obgleich er es besser kann. Der Arbeitnehmer muss stets „leisten was er soll, und dies so gut er kann“.

Arbeitsgericht sieht keinen Kündigungsgrund

Zunächst führt das Arbeitsgericht im Urteil aus, dass keine Schlechtleistung zu erkennen ist.

So gelingt es der Beklagten nach Auffassung des Gerichts nicht, Art und Schwere der fehlerhaften Arbeitsleistung darzulegen.

Zur Rechtfertigung der Kündigung hätte die Beklagte deutlich machen müssen, inwieweit der Kläger längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigten Arbeitnehmer erheblich überschreitet.

Aber auch der Vergleich mit durchschnittlichen betrieblichen Fehlerquoten kann für sich noch keinen Nachweis darüber erbringen, ob und wie stark Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis beeinträchtigt sind.

Dass der Kläger seine Leistungsmöglichkeiten vorwerfbar nicht abruft, konnte die Beklagte nicht darlegen. Hinweis hierfür bietet regelmäßig eine längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote nach den Gesamtumständen im Betrieb.

Der Vortrag der Beklagten blieb hierzu aber nach Auffassung des Arbeitsgerichts viel zu pauschal.

So versäumte es die Beklagte, einen gültigen Standard als Bemessungsgrundlage aufzuzeigen.

Zu beachten ist auch: logischerweise muss bei einem betriebsinternen Vergleich stets ein Arbeitnehmer der Leistungsschwächste sein.

Entweder Abmahnung oder Kündigung

Aber auch die mit den Abmahnungen behaupteten fehlerhaften Leistungen des Klägers taugen nicht zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung. Denn mit der Aussprache der Abmahnung hat die Beklagte die Kündigungsgründe allesamt „verbraucht“.

Hierzu muss man wissen: Wer als Arbeitgeber abmahnt, erklärt damit auch, dass mit der Abmahnung das bezeichnete Fehlverhalten vollumfänglich abgehandelt ist und das Arbeitsverhältnis weitergeführt werden soll. Mit einer Abmahnung verzichtet ein Arbeitgeber also zugleich auf eine verhaltensbedingte Kündigung wegen des mit der Abmahnung behandelten Verhaltens.

Im vorliegenden Fall stützte die Beklagte die Kündigung zunächst lediglich auf die sechs Abmahnungen. Das weitere, als Kündigungsgrund in Betracht kommende Fehlverhalten (Einbau der Standheizung), trug die Beklagte zunächst nicht vor.

Ein solches, zwingend zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung notwendiges erneutes Fehlverhalten wurde erst nach Zugang der Kündigung beim Kläger von der Beklagten in den Prozess eingeführt.

Zu spät, wie das Arbeitsgericht findet. Denn maßgeblich sind zunächst die Gegebenheiten im Moment des Zugangs der Kündigung beim Arbeitnehmer.

Ergänzend zu bestehenden Kündigungsgründen kann der Arbeitgeber durchaus weitere Kündigungsgründe nachschieben. Allerdings war der fehlerhafte Einbau der Standheizung kein „weiterer“ Kündigungsgrund, sondern überhaupt der erste, und als solcher von der Beklagten viel zu spät vorgetragen.

Nachschieben eines Kündigungsgrundes in diesem Fall nicht möglich

Denn wie erwähnt sind die Abmahnungen als solche als Kündigungsgründe untauglich. Ein „Nachschieben“ ist aber nur dann möglich, wenn überhaupt schon ein schlüssiger Kündigungsgrund vorliegt. Vorliegend war dies gerade nicht der Fall.

Das Arbeitsgericht berücksichtigte mithin den von der Beklagten nachgeschobenen Kündigungsgrund nicht.

Viel Lärm um Nichts  - sechs Abmahnungen, aber keine sozial gerechtfertigte Kündigung. Einmal mehr wird deutlich, dass Abmahnungen nicht zwangsläufig mit dem Verlust des Arbeitsplatzes einhergehen.

In der ersten Instanz vor den Arbeitsgerichten zahlt jede Partei ihre Auslagen selbst, dies schließt auch die Gebühr für den eigenen Rechtsanwalt mit ein. „Außer Spesen nichts gewesen...“ mag sich die Beklagte daher nach der Verkündung des Urteils gedacht haben.

Nicht so der Kläger  - er musste keinerlei Kostenrisiko befürchten. Als Mitglied der IG Metall hatte er Anspruch auf Beratung und Prozessvertretung durch die Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH. Denn die Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft beinhaltet auch die Möglichkeit, sich in arbeits- sozial- sowie beamtenrechtlichen Rechtsstreitigkeiten vom gewerkschaftlichen Rechtsschutz vertreten zu lassen. Und dies ohne auch nur einen Euro extra zahlen zu müssen.  


Link:


Das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 07.09.2016 kann hier nachgelesen werden