Rechtsschutzsekretär Martin Kühtz vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, der die Angestellte rechtlich vertritt, traute bei der Urteilsverkündung durch das Arbeitsgericht Iserlohn seinen Ohren nicht: Zwar war die fristlose Arbeitgeberkündigung unwirksam. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, soweit auch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung angegriffen worden war.

Kündigungsgrund: Nichtteilnahme an einem Dienstgespräch

Der Kündigungsgrund: Das von ihm vertretene ver.di-Mitglied hatte die Teilnahme an einem Dienstgespräch abgesagt. Die Vorgesetzte wollte mit der Beschäftigten ein Gespräch über die Koordinierung ihrer zukünftigen Dienstzeiten führen. Da jedoch wegen zeitlicher Verhinderung kein Betriebsratsmitglied teilnehmen konnte, sagte die Jugendhilfe-Mitarbeiterin den Termin unter Hinweis auf diesen Umstand per Mail ab. 


Darin sahen die Iserlohner Arbeitsrichter eine derart schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, dass sie eine fristgerechte Kündigung für rechtens hielten.

Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht

Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die Teilnahme an einem Dienstgespräch zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitnehmers gehört, so dass er dazu verpflichtet sei. Diese Pflicht habe die 60-jährige trotz vorheriger einschlägiger Abmahnung verletzt, so dass grundsätzlich sogar eine fristlose Kündigung berechtigt gewesen wäre. Diese sei jedoch im konkreten Fall unverhältnismäßig gewesen, weil innerhalb der Kündigungsfrist eine Wiederholungsgefahr nicht bestanden habe. 


Trotz der Einwendungen der Beschäftigten sei jedoch eine fristgerechte Beendigung nicht zu beanstanden.

Anspruch auf Teilnahme eines Betriebsrates ?

Das ver.di-Mitglied hatte sich darauf berufen, dass aus Zeitgründen kein Betriebsrat an dem Gespräch teilnehmen konnte. „Es bestand kein rechtlicher Anspruch auf Anwesenheit eines Betriebsratsmitgliedes“, hielt das Gericht entgegen.


Auch der Hinweis der Angestellten, sie habe doch vor der Terminabsage vom Betriebsrat die ausdrückliche Zusicherung erhalten, diese dürfe keine nachteiligen Folgen für sie haben, ließ das Gericht nicht gelten. Aufgrund der vorangegangenen Abmahnung hätte - so die Arbeitsrichter - die Mitarbeiterin zuverlässigen Rechtsrat einholen müssen. 


Rechtsschutzsekretär Kühtz hält die Bewertung des abgesagten Dienstgespräches als Kündigungsgrund für völlig überzogen. „Die Klägerin hat hier im Vertrauen auf eine Auskunft ihres Betriebsrates einen einzelnen Termin im Vorfeld abgesagt. Das Gespräch hätte zudem problemlos an einem anderen Termin nachgeholt werden können. Trotzdem wird sie auf eine Stufe mit jemandem gestellt, der bewusst unentschuldigt und ohne sich überhaupt zu melden nicht zur Arbeit erscheint. Das kann nicht sein.“ Außerdem, so Kühtz weiter, hat das Arbeitsgericht vollkommen unberücksichtigt gelassen, dass das Dienstgespräch außerhalb der Arbeitszeit der Beschäftigten angesetzt war.


Aus diesen Gründen hat er dem ver.di-Mitglied empfohlen, Berufung einzulegen. Das Urteil ist also nicht rechtskräftig.

Anmerkung der Redaktion zur Teilnahmepflicht an einem Dienstgespräch und zur Anwesenheit eines Betriebsrates:

In einem Arbeitsverhältnis haben beide Vertragsparteien außer den Hauptleistungspflichten auch Nebenpflichten: Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört zum Beispiel dazu, oder die Verschwiegenheitspflicht der Beschäftigten. Sicherlich zählt auch die Teilnahmepflicht an einem vom Arbeitgeber festgesetzten Dienstgespräch dazu. Allerdings nur dann, wenn das Gespräch während der Arbeitszeit stattfindet. Teilnahmepflichten außerhalb der individuellen Arbeitszeit des Beschäftigten werden nur in Ausnahmefällen zu begründen sein.


Ob ein Beschäftigter einen Anspruch hat, ein Betriebsratsmitglied zu einem Gespräch mit Vorgesetzten mitbringen zu dürfen, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Im Betriebsverfassungsgesetz sind einige Fälle ausdrücklich geregelt: Zum Beispiel bei Erörterungen beabsichtigter Änderungen der Tätigkeiten, § 81 Absatz 4 BetrVG, bei Erörterungen einer Leistungsbeurteilung, § 82 Absatz 2 BetrVG oder bei Einsicht in die Personalakte, § 83 BetrVG.


Wenn ein Beschäftigter aufgrund erheblicher Vorwürfe in der Vergangenheit und tiefgreifender Störung im Arbeitsverhältnis damit rechnen muss, dass wahrscheinlich auch die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesprochen wird, darf er nach der Rechtsprechung ebenfalls einen Betriebsrat hinzuziehen.


Und wenn auch der Arbeitgeber einen Rechtsbeistand zu dem Gespräch mitbringt, wird man dem Arbeitnehmer aus Gründen der Chancengleichheit ebenfalls ein derartiges Recht zubilligen müssen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn können Sie hier nachlesen.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern äußert sich zum Anspruch auf Teilnahme eines Betriebsrates an einem Dienstgespräch.
Das Urteil können Sie hier nachlesen.


Im Praxistipp: §§ 81-83 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Rechtliche Grundlagen

§§ 81-83 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

§ 81 Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers
§ 82 Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers
§ 83 Einsicht in die Personalakten
Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist. Stand: Neugefasst durch Bek. v. 25.9.2001 I 2518; zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 4 G v. 20.4.2013 I 868

§ 81 Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren und die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen zu belehren.
(2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. Absatz 1 gilt entsprechend.
(3) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben können.
(4) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

§ 82 Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers
(1) Der Arbeitnehmer hat das Recht, in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, von den nach Maßgabe des organisatorischen Aufbaus des Betriebs hierfür zuständigen Personen gehört zu werden. Er ist berechtigt, zu Maßnahmen des Arbeitgebers, die ihn betreffen, Stellung zu nehmen sowie Vorschläge für die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsablaufs zu machen.
(2) Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass ihm die Berechnung und Zusammensetzung seines Arbeitsentgelts erläutert und dass mit ihm die Beurteilung seiner Leistungen sowie die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert werden. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Das Mitglied des Betriebsrats hat über den Inhalt dieser Verhandlungen Stillschweigen zu bewahren, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird.


§ 83 Einsicht in die Personalakten

(1) Der Arbeitnehmer hat das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Er kann hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Das Mitglied des Betriebsrats hat über den Inhalt der Personalakte Stillschweigen zu bewahren, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird.

(2) Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte sind dieser auf sein Verlangen beizufügen.