Arbeitgeber müssen keine Stelle im Ausland anbieten, bevor sie kündigen.
Arbeitgeber müssen keine Stelle im Ausland anbieten, bevor sie kündigen.

Der Arbeitgeber betreibt eine Bank mit Hauptsitz in der Türkei. Der Arbeitnehmer ist seit 1991 Leiter einer Zweigstelle in Deutschland. Er ist türkischer Staatsangehöriger. Alle Filialen in Deutschland werden geschlossen.

Betriebs- und verhaltensbedingte Kündigung


Ab dem 9. Mai 2011 wird dem Arbeitnehmer die Leitung der Abteilung Auslandsgeschäfte in Istanbul zugewiesen. Ab diesem Tag ist er krank. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit ist strittig. Mit Schreiben sprach der Arbeitgeber eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus, sowohl betriebs- als auch verhaltensbedingt.

Der Arbeitnehmer meint, dass die Kündigung wegen Überschreitens des Direktionsrechts unwirksam ist. Die Bank habe maximal eine Änderungskündigung mit dem Angebot der Leitung der Abteilung Auslandgeschäfte in Istanbul aussprechen dürfen.

Der Arbeitgeber geht von Arbeitsverweigerung aus. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass es eine Versetzungsklausel geben soll. Der Arbeitsvertrag ist aber für beide Parteien nicht auffindbar. Der Arbeitgeber behauptet, mit allen Arbeitnehmern derartige Versetzungsklauseln vereinbart zu haben.

Kündigung wegen Betriebsschließung gerechtfertigt


Im Gegensatz zur Vorinstanz sah das BAG die ordentliche Kündigung als wirksam und sozial gerechtfertigt an. Zweifellos ist die Stilllegung eines Betriebes der klassische Fall eines dringenden betrieblichen Erfordernisses für die betriebsbedingte Kündigung.

Zudem handelt es sich beim Kündigungsschutzgesetz um ein deutsches Gesetz. Allerdings erstreckt sich der Anspruch auf Weiterbeschäftigung nicht auf einen freie Arbeitsplätze des Unternehmens im Ausland (BAG 29.08.2013, 2 AZR 809/12).

Keine Selbstbindung durch Versetzungsklausel


Auch in diesem Fall kam es nicht zu einer Selbstbindung des Arbeitgebers, durch die er verpflichtet gewesen wäre, eine Stelle im Ausland anzubieten: Die angeordnete Versetzung auf die Stelle des Leiters der Abteilung Auslandsgeschäfte nach Istanbul war unwirksam.

Die Klausel im Arbeitsvertrag war auf den Ort ausgerichtet und nicht auf die Arbeitsaufgabe. Das Direktionsrecht war daher durch die erfolgte Zuweisung überschritten.

Durch das Vertragsangebot der Leitung der Abteilung Auslandsgeschäfte und die erteilten Abmahnungen erfolgte kein Verzicht des Arbeitgebers, eine Beendigungskündigung wegen Stilllegung des Betriebs auszusprechen.

Ausblick: Schluss an der Landesgrenze?


Grundsätzlich ist bei Vorhandensein eines freien geeigneten Ersatzarbeitsplatzes eine betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen. Dies, weil die Umsetzung im Betrieb, wenn auch nur durch Änderungskündigung, ein weit milderes Mittel ist im Vergleich zu einer Beendigungskündigung.

Zumindest derzeit ist an den Grenzen zu Deutschland Schluss. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung in Zukunft zu einem anderen Ergebnis kommt. Dies insbesondere, wenn man sich die Entfernungen anschaut. Einem Beschäftigten aus Köln muss ggfls. einen freien Arbeitsplatz in Hamburg, nicht aber in Luxemburg angeboten werden. Dies obwohl die Entfernung wesentlich kürzer ist.

Praxistipp: Direkt nach offenen Stellen fragen


Der Betriebsrat kann verlangen, dass ihm offene Stellen im Betrieb mitgeteilt werden. Erst dann kann er beurteilen, ob es sich dabei um Stellen handelt, welche dem zu Kündigenden hätten angeboten werden müssen. Nur so ist es dem Betriebsrat möglich, einer Kündigung zu widersprechen, denn dabei ist der konkrete freie Arbeitsplatz zu benennen.

Ein spekulierender Widerspruch in dem Sinn, dass irgendeine Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden sein muss, reicht nicht aus. Der Arbeitnehmer hat die Chance seine Weiterbeschäftigung auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen( LAG Köln 28.08.2015, 4 SaGa 14/15), wenn der Betriebsrat Widerspruch eingelegt hat.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 8/2016 vom 20.04.2016.


Urteil des Bundesarbeitsgerichts


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Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Schließung einer Betriebsabteilung

Rechtliche Grundlagen

§ 102 Betriebsverfassungsgesetz

Mitbestimmung bei Kündigungen

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,

2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,

3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,

4. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder

5. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1. die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder

2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder

3. der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.