Wo ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen ist, genießen dieser und sein Stellvertreter besonderen Kündigungsschutz.
Wo ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen ist, genießen dieser und sein Stellvertreter besonderen Kündigungsschutz.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat der Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers stattgegeben, weil dieser als stellvertretender Datenschutzbeauftragter besonders gegen Kündigungen geschützt ist.

Kündigungsschutz für den Stellvertreter?

Der Kläger war bei der Beklagten, einer Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit etwa 400 Mitarbeitern, als Referent Risikomanagement beschäftigt. Weil die reguläre Datenschutzbeauftragte länger krankheitsbedingt ausfiel, berief die Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom August 2014 bis Januar 2015 zu deren Stellvertreter.

Er füllte diese Aufgabe dann bis zur Rückkehr der Datenschutzbeauftragten im März 2015 aus. Im August desselben Jahres entschied sich die Beklagte, die Aufgaben des Klägers als Referent anders zu verteilen und kündigte ihm deshalb am 1. Oktober 2015 zum Monatsende.

Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigung mit der Begründung, er genieße aufgrund seiner Funktion als Datenschutzbeauftragter besonderen Kündigungsschutz. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg hatte er damit Erfolg. Denn die Kündigung des Datenschutzbeauftragten sei innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig.

Wie weit reicht der Kündigungsschutz?

Dem widersprach die Beklagte in der Berufung: Ein besonderer Kündigungsschutz bestehe nicht, weil der Kläger nicht abberufen worden sei, sondern die Aufgabe durch Ablauf der Befristung zu Ende Januar 2015 automatisch beendet sei.

Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz solle den Arbeitnehmer nur davor bewahren, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Konflikts gekündigt werde, dessen Ursache in der Ausübung der Funktion als Datenschutzbeauftragter liege. Dies sei bei einer Vertretung aber gerade nicht der Fall.

Weiterhin sei die Beklagte nicht verpflichtet, einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten zu bestellen, weil es sich um einen nichtöffentlichen Kleinbetrieb handele. Wenn überhaupt, so erstrecke sich der Kündigungsschutz nur auf den Beauftragten selbst und nicht auf dessen Stellvertreter.

Landesarbeitsgericht gibt Kläger Recht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg folgte dieser Argumentation jedoch nicht, der Kläger genieße den besonderen Kündigungsschutz. Damit sei die Kündigung unwirksam.

Als Stelle, die personenbezogene Daten automatisiert verarbeite, habe die Beklagte nicht nur einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, sondern im Falle von dessen längerfristiger Verhinderung auch einen Stellvertreter. Denn in diesem Fall fehle es an der gesetzlich vorgesehenen Kontrollinstanz.

Es fehle dann die entsprechende Stelle, die darüber wacht, dass die datenschutzrechtlichen Regelungen eingehalten werden und die Umsetzung in der Praxis kontrolliert. Es widerspreche daher dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wenn bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten kein stellvertretender Datenschutzbeauftragter bestellt werden müsse.

H2: Auch stellvertretender Datenschutzbeauftragter genießt Kündigungsschutz

Das Gericht schloss sich der Auffassung an, dass der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers bestellt worden ist, vom Sonderkündigungsschutz erfasst ist.

Dies ergebe sich schon daraus, dass der Arbeitgeber zur Bestellung verpflichtet sei, genauso wie beim Datenschutzbeauftragten selbst. Es bestehe insofern auch kein abgestufter Schutzmechanismus.

Vielmehr sei der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, ebenso wie der Datenschutzbeauftragte selbst, zwingend unabhängig im Rahmen der Überwachungstätigkeit. Daher müsse auch demjenigen, der vorübergehend die Funktion des Datenschutzbeauftragten ausübt, ein nachwirkender Sonderkündigungsschutz zukommen.

Datenschutzbeauftragter muss unabhängig agieren können

Der Sonderkündigungsschutz solle den Datenschutzbeauftragten davor schützen, während seiner Amtszeit Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein. Das Gesetz gehe davon aus, dass nach einem Jahr eine eventuell bestehende Verärgerung des Arbeitgebers über den Datenschutzbeauftragten abgeklungen sein werde.

Die mit dem Arbeitsverhältnis zwangsläufig verbundene Abhängigkeit des Beauftragten von der verantwortlichen Stelle solle sich möglichst nicht auf seine Tätigkeit auswirken. Denn der Arbeitnehmer, der gleichzeitig als Datenschutzbeauftragter bestellt ist, befinde sich in einem Spannungsfeld zwischen der Einhaltung und Verbesserung des Datenschutzes und den Interessen des Arbeitgebers. Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz gewährleiste in diesem Zusammenhang eine unbelastete Aufgabenwahrnehmung.

Die Stellung sei insofern mit der eines Betriebsratsmitgliedes vergleichbar, auch hier bestehe nachwirkender Kündigungsschutz. Bei Ersatzmitgliedern entfalte dieser jedoch nur Wirkung, wenn diese tatsächlich tätig geworden sind, etwa durch Teilnahme an einer Sitzung. Es spreche also einiges dafür, auch ein vergleichbares Schutzniveau anzunehmen.

Da noch kein Jahr nach der Tätigkeit des Klägers als Datenschutzbeauftragter vergangen war, durfte die Beklagte den Kläger nicht kündigen. Die Klage hatte daher vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Urteil des Landesarbeitsgericht Hamburg vom 21.07.2016, 8 Sa 32/16, hier im Volltext

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Das sagen wir dazu:

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat nach eigener Aussage als erstes über den Sonderkündigungsschutz eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten entschieden. Die Entscheidung betont die wichtige Stellung des Datenschutzes im Betrieb, indem es diejenigen schützt, die für die Durchsetzung im Betrieb zuständig sind.

Das Gericht benennt das Problem deutlich: Wer für die Einhaltung von Regeln zuständig ist, macht sich im Unternehmen oft keine Freunde. Denn wer stets auf Vorschriften pocht, gilt im Tagesgeschäft bestenfalls als Bedenkenträger, schlimmstenfalls als störender Querulant.

Umso wichtiger ist, dass das Gesetz den Beauftragten eine unabhängige Stellung einräumt. Wer über die Einhaltung von Vorschriften wacht, soll nicht von vorgesetzten Pragmatikern kaltgestellt werden können. Der nachwirkende Schutz von einem Jahr soll zudem ein Nachtreten verhindern.

Das deutsche Recht sieht entsprechende Schutzmechanismen nicht nur bei Datenschutzbeauftragten, sondern auch bei anderen gesetzlich vorgeschriebenen Funktionsträgern wie dem Gewässerschutzbeauftragten, dem Immissionsschutzbeauftragten, dem Störfallbeauftragten oder dem Abfallbeauftragten vor.

Der Gesetzgeber stellt die Beauftragten auf eine Stufe mit Mitgliedern des Betriebsrates. Dass letztere bei vielen Arbeitgebern nicht sehr beliebt sind, ist allgemein bekannt. Mit der Gleichstellung macht der Gesetzgeber allerdings deutlich, dass er Unternehmen eine ähnliche Einstellung zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterstellt. 

Rechtliche Grundlagen

§ 4f Abs. 3 BDSG

Der Beauftragte für den Datenschutz ist dem Leiter der öffentlichen oder nicht-öffentlichen Stelle unmittelbar zu unterstellen. Er ist in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes weisungsfrei. Er darf wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht benachteiligt werden. Die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz kann in entsprechender Anwendung von § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches, bei nicht-öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde, widerrufen werden. Ist nach Absatz 1 ein Beauftragter für den Datenschutz zu bestellen, so ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist. Zur Erhaltung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Fachkunde hat die verantwortliche Stelle dem Beauftragten für den Datenschutz die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zu ermöglichen und deren Kosten zu übernehmen.