Mit Urteil vom 19. Februar 2015 kamen die Richter*innen der 6. Kammer Arbeitsgericht (ArbG) Mannheim (Kammern Heidelberg) zu dem Ergebnis, dass sowohl die außerordentliche, als auch die ordentliche Kündigung eines Bahn-Mitarbeiters, der bei Facebook ein Auschwitz-Foto mit einem Kommentar zu Flüchtlingen veröffentlicht hatte, unwirksam ist. Das zwischen der DB Regio und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis besteht somit fort.

"Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme" 

Im dem zu Gunsten des Klägers entschiedenen Kündigungsschutzverfahren hatte ein Bahn-Mitarbeiter ein Foto auf seiner Facebook - Seite veröffentlicht, welches das Eingangstor des Konzentrationslagers in Auschwitz mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" zeigt. Darunter ist in polnischer Sprache zu lesen: "Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme". 

Dieser polnische Text war auf Anfrage eines Lesers vom Kläger übersetzt worden. Weiter befindet sich auf der Seite auch ein Foto des Klägers in Uniform vor einem Zug seiner Arbeitgeberin. Sein Steckbrief enthält überdies die ausdrückliche Angabe, dass er bei der DB Regio AG/ S-Bahn Rhein-Neckar und DB Bahn beschäftigt ist. 

Nachdem die DB Regio von diesem Eintrag erfahren hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Trotz Entschuldigung und Rechtfertigung des Klägers hält Beklagte diesen für untragbar

Der Kläger hatte sich für die "unüberlegte dumme Tat" vor Zugang der Kündigung bei der Beklagten entschuldigt. Er begründete seine ausländerfeindliche Vorgehensweise damit, dass er als gebürtiger Pole einen anderen Bezug zum Thema Auschwitz habe. 

Das Foto stamme aus einer polnischen Satirezeitschrift. Den Text habe er amüsant gefunden. Die Beklagte hält das Verhalten des Fahrzeugführers vor dem Hintergrund, dass auch Flüchtlinge in ihren Zügen fahren, für untragbar.

Satire-Gedanke bei Veröffentlichung nicht unmittelbar erkennbar

Das Arbeitsgericht sah angesichts des Verhaltens des Klägers eine Pflichtverletzung als gegeben. Bereits die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung des Eingangstors von Auschwitz oder des Satzes "Arbeit macht frei", so die zur Entscheidung berufenen Richter*innen, sei in Deutschland tabuüberschreitend und mute in Verbindung mit Flüchtlingen menschenverachtend an.

Dass es sich dabei um Satire handele, worauf sich der Kläger beruft, sei objektiv nicht erkennbar. Der auf Facebook eingestellte Text und das Foto seien deshalb auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und außerdem geeignet, sich zu Lasten des Arbeitgebers ruf- und geschäftsschädigend auszuwirken. 

Unter Verweis auf unbedarftes Verhalten des Klägers erklärt das ArbG Mannheim die Kündigungen für unwirksam

Im Rahmen einer abschließend vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Parteien, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die dem Kläger ausgesprochene außerordentlich, hilfsweise ordentliche Kündigung, unwirksam ist.

Begründet wurde dies insbesondere angesichts des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses über 14 Jahre hinweg, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich der Kläger unmittelbar danach bei der Beklagten entschuldigt und er das Foto auf seinem Facebook-Account sofort gelöscht habe. 

Das Gericht machte deutlich, dass es davon ausgehe, dass der Kläger sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht habe, was er mit der Veröffentlichung auf seiner Facebook-Seite auslösen würde und forderte den Kläger in der Urteilsbegründung ausdrücklich dazu auf, in Zukunft sensibler in sozialen Netzwerken zu agieren.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Für die Beklagte ist das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gegeben.

Anmerkung:

Zutreffend urteilte das Arbeitsgericht, dass die Veröffentlichungen des Klägers auf seiner Facebook-Seite „tabuüberschreitend“ und äußerst „menschenverachtend“ waren. Der Kläger hat den Satz ("Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme") nicht nur amüsant gefunden, sondern ihn überdies auch noch aus dem Polnischen übersetzt und hierdurch den Nutzerkreis erweitert.

Vor diesem Hintergrund erscheint es erstaunlich, dass eine Entschuldigung und das Löschen des Eintrags auf der Facebook-Seite ausreichende Gründe darstellen, die dem Kläger ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung für unwirksam zu erachten. 

Sollte die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung einlegen, so bleibt abzuwarten, in welcher Weise das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Sache entscheidet. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

Zur Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Mannheim (Kammern Heidelberg), Urteil vom 19.02.2016- Az.: 6 Ca 190/15:

 

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