Wenn’s um Haus geht, müssen meist Kredite her.Copyright by Adobe Stock/Jirus
Wenn’s um Haus geht, müssen meist Kredite her.Copyright by Adobe Stock/Jirus

Der Kläger kam aus dem Saarland. Ob es sich bei ihm um einen Häuslebauer handelte, gibt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht her. Er klagte jedoch gegen einen Kreditvertrag seiner Bank vor dem Landgericht Saarbrücken und hat im Ergebnis für die Verbraucher einen großen Wurf gelandet.

Was war geschehen?

Doch, was war geschehen?
Der Kläger kritisierte die Widerrufsfrist in seinem Kreditvertrag. Normalerweise besteht die Möglichkeit, einen Kreditvertrag innerhalb von zwei Wochen zu widerrufen. Das sieht das Gesetz vor. Allerdings war der Kläger der Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung in seinem Vertrag unklar formuliert war. Seiner Meinung nach war das für eine ordnungsgemäße Belehrung nicht ausreichend.

So sah es anschließend wohl auch das Landgericht Saarbrücken, denn es legte genau diese Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Konkret sollte der EuGH entscheiden, ob die Widerrufsbelehrung so formuliert war, dass sie überhaupt den Beginn einer Frist für den Widerruf festgelegt hatte.

EuGH sagt „nein“ zu Widerrufsbelehrung

Nein, entschied der EuGH nun. Die Entscheidung betrifft aber nur Formulierungen in Kreditverträgen wie sie in der Zeit von 2010 bis 2016 verwandt wurden.

Es geht dabei um die Wendung in den Darlehensverträgen, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs.2 BGB erhalten hat“. Das mag der ein- oder andere verstehen, die Mehrzahl der Verbraucher jedoch sicher nicht.

Der BGH hatte die Formulierung in den Verträgen 2016 noch für wirksam gehalten

Dennoch entschied der Bundesgerichtshof noch 2016, diese Widerrufsbelehrung sei wirksam.

Das sah der EuGH nun jedoch anders. Diese Formulierung verstoße gegen EU-Recht, so das oberste europäische Gericht. Zu den notwendigen Informationen einer Widerrufsbelehrung gehörten nämlich auch die konkreten Modalitäten, unter welchen der Widerruf erfolgen könne.

Der streitige Kreditvertrag enthalte aber eine sogenannte „Kaskadenverweisung“; d.h. er verweise auf eine Vorschrift, die selbst wiederum auf weitere Vorschriften verweise. Die Formulierungen müssten aber klar und prägnant sein. Das sei hier nicht der Fall.

Darlehensverträge können auch weit nach Ablauf der Zwei-Wochenfrist widerrufen werden

Der EuGH meint nun, dass Darlehensverträge, die diesen Wortlaut enthielten, auch weit nach der eigentlich zulässigen Frist von zwei Wochen widerrufen werden könnten. Die Vorschrift im Vertrag sei nämlich nicht gesetzeskonform. Die Widerrufsfrist habe damit überhaupt noch nicht zu laufen begonnen.

Europäischer Gerichthof und Bundesgerichtshof widersprechen sich

EuGH und BGH widersprechen sich damit. Das Urteil des EuGH liegt dem Landgericht Saarbrücken im dortigen Verfahren wieder vor. Das Landgericht muss über den Rechtsstreit des Klägers gegen seine Bank entscheiden.

Es wird sich dabei auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auseinandersetzen müssen. An der Meinung des EuGH wird es dabei nicht so leicht vorbei kommen. Allerdings rechnen Juristen*innen damit, dass das Verfahren letztlich doch beim Bundesgerichtshof landen wird. Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis dann auch eine höchstrichterliche Entscheidung aus Deutschland vorliegt.

Konsequenzen lassen sich aber jetzt schon ziehen

Konsequenzen lassen sich aber jetzt schon ziehen.

Betroffen sind dabei nicht nur Baukredite, sondern z.B. auch Autokredite. Überall, wo ein Darlehensvertrag eine dementsprechende Formulierung enthält, empfiehlt es sich, zu überlegen.

Der Kunde muss dann den alten Vertrag mit einer ungültigen Widerrufsbelehrung allerdings nicht kündigen, sondern einfach widerrufen - und parallel dazu einen neuen mit günstigeren Konditionen aushandeln.

Eine Chance also für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, von hohen Darlehenszinsen runter zu kommen.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26. März 2020 – C 66/19
Vorlagebeschluss Landgericht Saarbrücken vom 17.Januar 2019
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15

Das sagen wir dazu:

Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof zum selben Thema entschieden. Er hält nach zwei Entscheidungen von Ende März die deutsche Musterklausel zum Widerruf von Kreditverträgen für zulässig (XI ZR 198/19 und XI ZR 581/18). In diesen Beschlüssen bezieht sich der BGH ausdrücklich auf das Urteil des EuGH. Seiner Auffassung nach ist der EuGH für Entscheidungen im Bereich der Immobilienkreditverträge nicht zuständig.Der Widerruf von Kreditverträgen mit der Musterklausel ist damit aber noch nicht endgültig entschieden. Es steht keineswegs fest, dass sich der BGH mit seiner Rechtsauffassung uneingeschränkt durchsetzt.