Nicht nur im Sauerland gibt es Arbeitgeber, denen Betriebsrat und Gewerkschaft ein Dorn im Auge sind
Nicht nur im Sauerland gibt es Arbeitgeber, denen Betriebsrat und Gewerkschaft ein Dorn im Auge sind


Die Menschen im Sauerland brauen hervorragendes Bier. Sie gelten als zielstrebig, hartnäckig, zurückhaltend und stur und allem Fremden gegenüber als skeptisch. Ob es diese bodenständigen Eigenschaften sind, die bei etlichen Geschäftsführern mittelständischer Betriebe eine unbegründete Besorgnis wachsen lässt, wenn ihre Beschäftigten erstmals einen Betriebsrat gründen wollen, mögen Soziologen erkunden. Allerdings unterschätzen diese Firmenbosse die Beharrlichkeit der Gewerkschaften. Und sie unterschätzen, dass auch die Beschäftigten Sauerländer sind. Also stur, hartnäckig und zielstrebig.
 

Es muss nicht immer Naujoks sein

 
Es sind nicht immer die (ausschließlich körperlich) schwergewichtigen Betriebsrätekiller à la Rechtsanwalt Naujoks, die mit der Wucht ihrer Erscheinung und mit krimineller Energie die Beschäftigten einschüchtern und so eine Betriebsratswahl zu verhindern versuchen. Meistens halten sich die auf Betriebsrats-Verhinderung spezialisierten Advokaten dezent im Hintergrund oder treten allenfalls als „seriöse“ „Rechts“-Vertreter bei Gerichtsverhandlungen auf.
 
Und es genügen oft schon ebenso einfache wie subtile Methoden, um Sand in das Getriebe einer Betriebsratswahl zu streuen.
 

Fristlose Kündigung für den „Rädelsführer“

 
Beliebt ist folgende Vorgehensweise:
Die Geschäftsführung pickt sich den vermeintlichen Rädelsführer heraus, spricht diesem mit fadenscheiniger und rechtlich nicht haltbarer Begründung eine fristlose Kündigung aus und erteilt sofortiges Hausverbot.
 
Dass sich im erwarteten anschließenden Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Kündigung herausstellt, nimmt der Arbeitgeber in Kauf. Entweder, der Betroffene ist wegen der langen Prozessdauer bereits so mürbe, dass er ein Abfindungsangebot akzeptiert, oder der Chef hat wenigstens für die zirka fünfmonatige Dauer des Gerichtsverfahrens und somit für die entscheidende Phase der eingeleiteten Betriebsratswahl den ungeliebten Gewerkschafter aus dem Betrieb eliminiert und ihn so von seinen Kolleg*innen isoliert.
 

Mit Geld lässt sich Vieles machen

 
Geld spielt dabei meistens keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Viele Gekündigte sind für Abfindungsangebote empfänglich, zumal sich meistens nach der (unberechtigten) fristlosen Kündigung die Arbeitsagenturen blenden lassen und mehr oder weniger ungeprüft Sperrzeiten verhängen.
 
Sollte, wie in letzter Zeit erfreulicherweise, vermehrt die Presse eingeschaltet und das ungeheuerliche Arbeitgeberverhalten publik werden, hilft auch dies oft wenig: Die negativen Presseberichte prallen meistens ohne große Wirkung an den Firmenchefs ab. Bewährtes Muster: Zwei Wochen abducken, und schon geht man wieder zur Tagesordnung über. Die „Großen“, angefangen von der hohen Politik bis zu Konzernbetrieben à la VW machen es ja vor und sitzen ihre Krisen auch aus.
 

Beispiel AB -EK Entlackungs GmbH in Werdohl

 
Jüngstes Beispiel ist die auf die Entlackung fehlgeschichteter Werkstücke spezialisierte Firma AB -EK Entlackungs GmbH in Werdohl. Als die zirka 40 Beschäftigten erstmals einen Betriebsrat gründen wollten, pickte sich die Geschäftsleitung den Initiator, einen 38-jährigen Schichtleiter heraus. Sie übergab dem IG Metaller trotz ebenso verzweifelter wie erfolgloser Suche nach triftigen Kündigungsgründen die fristlose Kündigung und erteilte Hausverbot.
 
Natürlich betonte man lauthals gegenüber der interessierten Öffentlichkeit, man habe nichts gegen Gewerkschaften und unterstütze die geplante Betriebsratswahl sogar. Doch derartige Lippenbekenntnisse sind nicht neu und gehören zum Ritual. Messen lassen müssen sich diese Herrschaften an ihrem Handeln, und das lässt sich trefflich als Union Busting bewerten.
 

Erfolgreiche Klage mit Hilfe des DGB Rechtsschutzes

 
Der Schichtleiter klagte gegen die Kündigung und gewann erwartungsgemäß vor dem Arbeitsgericht Iserlohn. Denn die vom Arbeitgeber ins Feld geführten Kündigungsgründe hatten allenfalls Unterhaltungswert, aber keine rechtliche Substanz. Während des Prozesses fanden die Betriebsratswahlen mit Unterstützung der IG Metall Verwaltungsstelle wie geplant statt. Der Schichtleiter wurde mit einem überzeugenden Ergebnis in den Betriebsrat gewählt.
 
Der Arbeitgeber legte gegen das Urteil Berufung ein und unterbreitete dem ungeliebten Gewerkschafter, offenbar nun selbst nicht mehr von den Kündigungsgründen überzeugt, ein beachtliches Abfindungsangebot. Der Metaller sah seine berufliche Zukunft in einem anderen Betrieb und akzeptierte.
 

Beispiel Gebr. Lohmann GmbH in Werdohl

 
Nur 400 Meter Luftlinie entfernt von der Firma AB  - EK Entlackungs GmbH hat die Gebr. Lohmann GmbH mit zirka 100 Beschäftigten ihren Firmensitz. 64 Jahre lang kam man dort ohne Betriebsrat aus. Aber seit vor kurzem die Beschäftigten erstmals eine Interessenvertretung gewählt haben, kennt beim Arbeitsgericht Iserlohn jeder diese Firma.
 
Schon bei der Betriebsratswahl wurden Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Hamm als Geburtshelfer benötigt. Mit Unterstützung der berüchtigten Arbeitgeber- Rechtsanwaltskanzlei Schreiner meinte die Geschäftsleitung, besonders pfiffig zu sein.
 

Sand ins Getriebe bei der Betriebsratswahl

 
Um die Betriebsratswahl zu blockieren, setzte sich die Geschäftsführung an die Spitze der Bewegung, um die Beschäftigten auszubremsen. Vergeblich! Der Versuch, mit Hilfe einiger arbeitgebertreuer Angestellter schnell einen eigenen Betriebsrat zu gründen und damit die IG Metall-Initiative ins Leere laufen zu lassen, wurde gestoppt. Der Arbeitgeber wurde mit gerichtlicher Hilfe in die Schranken gewiesen.
 
In letzter Instanz sorgte das Landesarbeitsgericht Hamm dafür, dass nur aufgrund der ersten Wahlinitiative, die von Mitgliedern der IG Metall ausging, eine Wahl durchgeführt wurde. Es gab eine überwältigende Mehrheit für die IG Metall  - Kandidaten.
 

Blockadepolitik des Arbeitgebers

 
Aber der Arbeitgeber blockierte weiter, wo es nur ging: Schulungsveranstaltungen der Betriebsräte wurden meistens erst nach Einleitung arbeitsgerichtlicher Beschlusserfahren bezahlt. Ein Betriebsratsbüro und die notwendigen Einrichtungsgegenstände stellte Geschäftsführer Rohdenburg ebenfalls erst nach Durchführung eines Gerichtsverfahrens und Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung.
 
Um der Geschäftsführung die betriebliche Mitbestimmung nahe zu bringen, insbesondere bei Einstellungen oder Anordnung von Mehrarbeit, sind etliche Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Iserlohn erforderlich. Da der Geschäftsführer auch keine Notwendigkeit zur Einrichtung eines Pausenraumes für die Schichtarbeiter sah und Verhandlungen mit dem Betriebsrat verweigerte, musste der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.
 
Besserung ist nicht in Sicht. Aber mit Unterstützung der IG Metall und des DGB Rechtsschutzes wird der Betriebsrat beharrlich weiter seine Ziele verfolgen, auch wenn hin und wieder das Arbeitsgericht helfend eingreifen muss.
 

Beispiel LMW Leichtmetallguss GmbH in Neuenrade

 
Unterstützung der IG Metall und des DGB Rechtsschutzes sowie deutliche Worte des Arbeitsgerichts Iserlohn wurden auch bei der Erstwahl eines Betriebsrates in der Firma LMW Leichtmetallguss in Neuenrade im Sauerland benötigt. Einige Beschäftigte hatten auch hier mit Hilfe der IG Metall zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen.
 
Die Geschäftsführung handelte auch hier nach dem Muster der AB -EK Entlackungs GmbH: Es dauerte nur wenige Tage bis der Chef dem vermeidlichen Rädelsführer die fristlose Kündigung aussprach. Diese verbunden, das versteht sich fast von selbst, mit einem sofortigen Hausverbot. Vorwurf hier: angeblich aggressives und bedrohliches Verhalten gegenüber einem Vorgesetzten.
 

Chef geht nach bewährtem Muster vor

 
Sollte dahinter etwa derselbe Drehbuchautor wie bei der Firma AB -EK stecken?
 
Ebenfalls mit Hilfe des Hagener Büros der DGB Rechtsschutz GmbH klagte der Gekündigte, ein Gießer, gegen die Entlassung vor dem Arbeitsgericht Iserlohn. Im Gütetermin brüstete sich der Arbeitgeber noch vollmundig, man habe einen triftigen Kündigungsgrund, der Metaller werde niemals mehr den Betrieb betreten.
Denkste!
Die Klage des Wahlinitiators hatte Erfolg. Als Einlader zu einer Wahlversammlung hatte er schließlich nach § 15 Absatz 3a Betriebsverfassungsgesetz besonderen Kündigungsschutz und konnte nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden.
 

Kündigungsgründe nur vorgeschoben

 
Und wichtige Kündigungsgründe waren nicht im Ansatz erkennbar. Der Grund, den der Arbeitgeber mühsam gesucht hatte, entpuppte sich vor dem Arbeitsgericht als armselig. Bedröppelt musste der Arbeitgeber dies zur Kenntnis nehmen. Er zog die Konsequenzen und nahm die angeblich so wasserdichte Kündigung zurück. Auch das Arbeitsgericht hatte, ähnlich wie zuvor der Gekündigte und seine Vertreter vom gewerkschaftlichen Rechtsschutz gefragt, wo denn in dem vorgeworfenen Verhalten überhaupt ein Grund für
die fristlose Kündigung sei.
 
Mittlerweile ist auch bei der Firma LMW  - Leichtmetallguss ein Betriebsrat gewählt. Der zuvor Geschasste ist Betriebsratsmitglied.
 

Das Sauerland ist überall

 
Sie glauben, solche Fälle wie die geschilderten gebe es nur oder nur so gehäuft im Sauerland? Irrtum! Das Sauerland ist überall!
 
Auch in anderen Gegenden brauen die Menschen gutes Bier.
 
Und auch in anderen Gegenden sind Gewerkschafter stur, hartnäckig und zielstrebig.
Und auch in anderen Gegenden trotzen sie den vergeblichen Versuchen von Arbeitgebern, die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern.


Links:


Wie das Landesarbeitsgericht Hamm bei der Firma Lohmann die Betriebsratswahl ermöglichte, lesen Sie hier:


Die Story der Kündigung des Wahlbewerbers bei der Firma AB - EK haben wir hier:


Kündigung wegen Einleitung einer Betriebsratswahl

Fristlos gekündigter Schichtleiter in Betriebsrat gewählt


Mehr zum Thema finden Sie hier:

Schwerpunktthema Union Busting