Der Deutsche BetriebsräteTag fand vom 3. – 5. November 2020 im Bonner Bundestag unter Corona-Bedingungen statt. Online konnten sich viele Interessierte beteiligen.
Der Deutsche BetriebsräteTag fand vom 3. – 5. November 2020 im Bonner Bundestag unter Corona-Bedingungen statt. Online konnten sich viele Interessierte beteiligen.

Vom 3. bis 5. November 2020 wurde live aus dem Bonner Bundestag der Deutsche BetriebsräteTag per Stream über das Internet übertragen.

In normalen Jahren hat die Veranstaltung über 800 Teilnehmer*innen. Corona verhinderte das in diesem Jahr. Das „Parlament der Betriebsräte“ ist trotz der Widrigkeiten wieder einmal sehr gelungen. Sogar ein virtuelles Café, in dem sich Referent*innen und Teilnehmer*innen virtuell treffen konnten, hatten die Veranstalter organisiert.

Der Deutsche BetriebsräteTag ist zentraler Treffpunkt für Information, Wissenstransfer und Networking für Betriebsratsmitglieder aller Branchen aus ganz Deutschland.
Hier tauschen sich Menschen aus der Praxis gleichberechtigt mit Experten aus der Wissenschaft aus. In hochkarätig besetzten Fachforen gab es auch dieses Jahr wieder brandaktuelle Beiträge zu Themen der Mitbestimmung und Arbeitswelt.
Videos aus den Foren können Sie in der Mediathek des Betriebsrätetages streamen


Den Deutsche Betriebsräte-Preis bekommen Gremien, die besonders erfolgreich arbeiten

Wie in jedem Jahr war auch 2020 wieder die Verleihung des renommierten Deutschen Betriebsräte-Preises das Highlight der Veranstaltung.
Bis April 2020 konnten sich Betriebsräte für den Preis bewerben. Die AiB zeichnet jährlich hervorragende Beispiele erfolgreicher Betriebsratsarbeit aus. Aus einer Vielzahl von Bewerbern hatte die Jury zehn Projekte nominiert. In diesem Jahr gab es zudem einen Sonderpreis für Projekte, denen die Corona-Krise ihren Stempel aufgedrückt hat. Insoweit konnten sich Betriebsräte bis zum 21. August bewerben.  Mitmachen konnten all jene Gremien, die in der Pandemie schnell gute Lösungen initiiert hatten, um die Folgen der Pandemie für die Beschäftigten abzufedern.
Wir hatten darüber berichtet:
„Deutscher Betriebsräte-Preis: Projekte wegen der Corona-Krise können sich bis zum 21. August bewerben“

„Deutscher Betriebsräte-Preis 2020: In der Pandemie sicher und gesund arbeiten“


Die Geschäftsführung einer Keksfabrik denkt noch in Kategorien der 50er Jahre

Am 5. November 2020 gab es einen Livestream von der Preisverleihung, dem viele Laudatoren, Festredner und nominierte Gremien per Video zugeschaltet waren.
Gold geht in diesem Jahr an den Betriebsrat der Bahlsen GmbH & Co. KG, Werk Varel. Die Kolleg*innen hatten sich mit dem Ziel „gleicher Lohn für gleiche Leistung“ gegen die ungerechte Bezahlung von Frauen engagiert. Das langjährige und mit viel Ausdauer vorangetriebene Projekt gilt als „Leuchtturm“ in der Süßwarenindustrie.

Seit 2010 waren beim Keksproduzenten viele Arbeitsplätze bedroht, wobei insbesondere sogenannten Packhandarbeitsplätze betroffen waren. Hier wurde per Hand die Qualität der Kekse geprüft und in Schachteln eingepackt. Es überrascht wenig, dass auf diesen Arbeitsplätzen vor allem Frauen beschäftigt waren.

Diese Aufgaben sollten Maschinen übernehmen und das Management des Gebäckherstellers ging davon aus, dass damit vor allem Männer gebraucht würden. Die bislang an diesen Arbeitsplätzen beschäftigten Frauen wären nach ihrer Auffassung gar nicht dazu in der Lage, Maschinen zu bedienen und diese auch noch zu warten. Und wenn dann auch noch Störungen auftreten, sei doch wohl eher männlicher Sachverstand gefragt.


Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, in der Nahrungsmittelindustrie immer noch nicht selbstverständlich

Der Betriebsrat ging entschieden gegen solche antiquierten und diskriminierenden Auffassungen der Geschäftsführung vor. Zugleich kämpfte er dagegen, dass im Unternehmen Frauen für die gleiche Arbeit regelmäßig zwei Entgeltstufen niedriger als ihre männlichen Kollegen eingruppiert waren.


Nach langen Verhandlungen erreichte der Betriebsrat, dass nach und nach nicht nur die untersten Tarifgruppen im Werk Varel abgeschafft wurden, sondern eine deutliche Höhergruppierung von rund 100 Frauen erfolgte. So wurden sie nicht nur in die nächsthöhere Tarifgruppe eingruppiert, sondern direkt in die Tarifgruppe, in die ihre männlichen Kollegen, die vergleichbare Arbeit verrichteten, eingruppiert sind. Dies führte mittlerweile dazu, dass Tätigkeiten unabhängig vom Geschlecht gleich entlohnt werden.


Die Verhandlungen hatte der Betriebsrat sehr gründlich vorbereitet. Seine Mitglieder verglichen die Arbeiten und Tätigkeiten, die Frauen tatsächlich im Werk ausübten und baten die Frauen, diese zu dokumentieren. Dabei ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen geleisteten Aufgaben und der jeweiligen Eingruppierung. Das konnte das Gremium dann gut dokumentiert der Arbeitgeberseite vorhalten.


Die Beteiligung von Mitarbeiter*innen am Unternehmen kann Arbeitsplätze sichern

Den Betriebsrat der Hüttenwerke Königsbronn zeichnete die AiB mit Silber aus. Er konnte verhindern, dass das Traditionsunternehmens geschlossen wird. Tragfähige Zukunftsaussichten gibt es in den Unternehmen jetzt insbesondere durch eine Firmenbeteiligung der Belegschaft. Die Kolleg*innen in diesem Unternehmen wurden in den letzten Jahren arg gebeutelt. Aufgrund von drei Insolvenzverfahren innerhalb von wenigen Jahren hätten 160 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren. Der Betriebsrat leistete viel Öffentlichkeitsarbeit und gründete den "Verein zur Rettung von Arbeitsplätzen" (VRA), über den Spenden gesammelt wurden und mit dem bis heute ehemalige Beschäftigte juristisch und finanziell unterstützt werden. Finanziert durch einen Entgeltverzicht der Beschäftigten wurde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Teil des Business Plans gegründet. Mit dieser erhielten die Beschäftigten 33% Geschäftsanteile am Unternehmen.
Bis auf drei Ausnahmen sind alle ehemaligen Beschäftigten wieder in Arbeit. Alle ehemaligen Azubis wurden bereits 2019 lückenlos in andere Ausbildungsbetriebe vermittelt. Für das Jahr 2020 konnten volle Auftragsbücher verzeichnet werden.


Weniger psychisch belastet sind Mitarbeiter*innen, die selbst an ihren Einsatzplänen mitarbeiten

Bronze erhielt der Betriebsrat der Hermes Germany GmbH, Hamburg. Das Gremium hatte für eine nachhaltige Mitarbeiterbeteiligung bei der Einsatzplanung gesorgt. Durch diese Maßnahme wurde die Zufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen gesteigert und psychische Belastungen im Zusammenhang mit der Einsatzplanung abgebaut. Mittlerweile haben auch andere Bereiche aus dem Unternehmen Interesse gezeigt, die Regelung zu übernehmen. Dies gilt insbesondere für die großen Logistikcenter, in denen auch in Schichten gearbeitet wird.

Die Corona-Sonderpreise gingen an die Betriebsräte der B. Braun Melsungen AG und der Stadtwerke Böblingen. Beide Gremien erreichten mit vielfältigen Maßnahmen, dass ihr zum Teil system­relevante Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten bleiben konnte, ohne dass es zu Lasten des Gesundheitsschutzes der Mitarbeiter ging.

Ein Preis für „Innovative Betriebsratsarbeit“ ging an den Betriebsrat der Robert Bosch GmbH in Stuttgart wegen eines Projektes zum digitalen Lernen.
Der Betriebsrat der Hewing GmbH in Ochtrup hatte sich nachhaltig für den Erhalt von Arbeitsplätzen eingesetzt und wurde in der Kategorie „Zukunftssicherung“ ausgezeichnet.