Die Büroklammer als Rechtsproblem? Copyright by New Africa/fotolia
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Um diese Fragen zu beantworten, sollen drei Fallbeispiele dienen:
 

  • Der Betriebsrat braucht Sachmittel wie etwa Büroklammern oder ein PC.
  • Der Betriebsrat möchte sich von einem Sachverständigen zur Frage der betrieblichen Lohngestaltung beraten lassen.
  • Der Betriebsrat möchte im Zuge einer geplanten Verlegung wesentlicher Betriebsteile beraten lassen.

Büroklammern und PC

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber unter anderem für die laufenden Geschäfte des Betriebsrats „ … Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung stellen“ muss.
 
Es besteht also für den Betriebsrat keine Notwendigkeit, sich diese Mittel selbst zu beschaffen. Vielmehr kann und sollte er sich bei Bedarf an den Arbeitgeber wenden, damit dieser die benötigten Dinge bereitstellt.
Tut er dies nicht, kann der Betriebsrat im Wege eines Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht beantragen, dass es den Arbeitgeber verpflichtet, die zukünftig entstehenden Kosten zu übernehmen. Verliert der Arbeitgeber in diesem Beschlussverfahren, kann er die Mittel entweder selbst beschaffen oder den Betriebsrat bevollmächtigen, dies zu tun. In beiden Fällen kommt ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und dem Verkäufer der Büroklammern zustande. 
 

Darf der Betriebsrat selbst „einkaufen“?

Grundsätzlich hat der Betriebsrat nur einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt. Der Betriebsrat darf also grundsätzlich nicht selbst „einkaufen“. Lediglich in Ausnahmefällen ist dies erlaubt. Etwa wenn sich der Arbeitgeber trotz eines Beschlusses des Arbeitsgerichts weigert, tätig zu werden, oder, wenn er die Anschaffung solange verzögert, dass eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit nicht möglich ist. Aber in diesen Fällen gibt es ein Problem. Denn der Betriebsrat ist grundsätzlich weder rechts- noch vermögensfähig. Damit wäre er überhaupt nicht in der Lage, Verträge abzuschließen, wenn es keine Ausnahme gäbe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Betriebsrat aber Verträge, also beispielsweise Kaufverträge schließen, wenn

  • der Betriebsrat zuvor einen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst hat,
  • der Kauf erforderlich für die Betriebsratstätigkeit ist

und

  • die Kaufsache einen marktüblichen Preis hat.

 
Sind diese Bedingungen erfüllt, darf der Betriebsrat selbst „einkaufen“, wenn der Arbeitgeber nicht bereit ist, die gewünschten Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt in aller Regel die/der Vorsitzende als gesetzlicher Vertreter des Gremiums.
Dementsprechend ist nicht der Arbeitgeber oder die/der Vorsitzende, sondern allein der Betriebsrat Vertragspartner des Verkäufers. Also ist der Betriebsrat auch derjenige, der den Kaufpreis bezahlen muss. Aber der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihn von der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises freistellt. Zur Not mit Hilfe des Arbeitsgerichts in einem Beschlussverfahren.
 
Kauft ein Mitglied des Betriebsrats ein, ohne als Stellvertreter des Betriebsrats zu handeln, wird es (Kauf-)Vertragspartei. Auch das Mitglied kann vom Arbeitgeber Freistellung von der Verpflichtung verlangen, den Kaufpreis zu bezahlen. Hat das Mitglied bereits bezahlt, muss ihm der Arbeitgeber den „ausgelegten“ Betrag erstatten. Diese Ansprüche kann der Betriebsrat als Gremium in einem Beschlussverfahren geltend machen.
 

Keine Erforderlichkeit - was dann?

Die/der Vorsitzende darf - wie gezeigt - im Namen des Betriebsrats nur Kaufverträge schließen, wenn es für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, ist das Handeln der/des Vorsitzenden nicht von deren/dessen gesetzlicher Vollmacht gedeckt. Das bedeutet, dass die/der Vorsitzende dann ohne wirksame Vollmacht gehandelt hat. Ein Kaufvertrag kommt in diesem Fall nicht zustande. Dementsprechend hat der Verkäufer auch keinen vertraglichen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises.
Für solche Fälle sieht das Bürgerliche Gesetzbuch aber vor, dass der Verkäufer einen gesetzlichen Anspruch auf den Kaufpreis gegen die/den Vertreter*in ohne wirksame Vollmacht hat. Die/der Vorsitzende muss das Gekaufte also aus der eigenen Tasche bezahlen.
Etwas anderes gilt nur, wenn der Verkäufer weiß oder wissen muss, dass die/der Vorsitzende des Betriebsrats keine wirksame Vollmacht hat. Darauf, ob dem Mitglied des Betriebsrats grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz anzulasten ist, kommt es nach dem Bundesgerichtshof nicht an.
 

Kein marktüblicher Preis - was dann?

Kauft der Vorsitzende überteuert ein, gilt für die Differenz zum marktüblichen Preis dasselbe wie bei der fehlenden Erforderlichkeit. Auch hier handelt der Vorsitzende hinsichtlich des Differenzbetrages als Vertreter ohne wirksame Vollmacht. Er muss also in diesem Fall ebenso für den überschießenden Betrag aufkommen.
 

Kein (ordnungsgemäßer) Beschluss des Betriebsrats

Für den Bundesgerichtshof ist auch ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats Bedingung dafür, dass die/der Vorsitzende Verträge im Namen des Betriebsrats abschließen darf. Fehlt ein solcher Beschluss, überschreitet die/der Vorsitzende ebenfalls ihre/seine Vollmacht. Die Folgen davon sind dieselben wie in den beiden Fällen zuvor.
 

Konsequenzen für dir Praxis

Bei Büroklammern ist das Haftungsrisiko überschaubar. Anders sieht es aus, wenn es etwa um Laptops oder Fernsprecheinrichtungen geht. Deshalb ist der Betriebsrat gut beraten, den im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Weg zu gehen. Danach muss der Arbeitgeber die erforderlichen Sachmittel beschaffen. Streitigkeiten etwa über die Erforderlichkeit einer Anschaffung entscheidet dann das Arbeitsgericht, ohne dass der Vorsitzende des Betriebsrats ein Kostenrisiko trägt. 
 

Haftungsausschluss

Die Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach der die/der Vorsitzende haftet, können die Parteien vertraglich ausschließen. Deshalb ist es hilfreich in eventuellen Kaufverträgen eine Klausel aufzunehmen, die etwa lauten könnte:
 
„Eine Haftung des Käufers für den Anspruch auf den Kaufpreis nach § 179 BGB ist ausgeschlossen.“
 
Voraussetzung für einen wirksamen Haftungsausschluss ist natürlich, dass sich der Verkäufer darauf einlässt. Davon dürfte in der Regel nicht auszugehen sein.
 

Sachverständiger zur Frage der betrieblichen Lohngestaltung

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat „ … bei der Durchführung seiner Aufgaben … Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.“
 
Zusätzliche Voraussetzung ist aber, dass der Betriebsrat vorher eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber trifft, die das Thema der Unterstützung durch den Sachverständigen, seine Person und sein Honorar beinhaltet. Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung, kann der Betriebsrat im Wege eines Beschlussverfahrens beantragen, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung des Arbeitgebers ersetzt.
 
Beauftragt der Betriebsrat die/den Sachverständige*n ohne Vereinbarung mit dem Arbeitgeber und ohne Ersetzung durch das Arbeitsgericht, bleibt die/der handelnde Vorsitzende auf den Kosten sitzen. Aber auch hier besteht die Möglichkeit eine Haftung vertraglich auszuschließen, wenn die/der Sachverständige (je) dazu bereit sein sollte.
Im Hinblick auf die Höhe der Honorare ist deshalb dringend geboten, keine
Sachverständigen in eigener Regie zu bestellen, sondern die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu suchen und ggfls. das Arbeitsgericht einzuschalten.
 

Beratung im Zuge einer geplanten Verlegung wesentlicher Betriebsteile

In Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmer*innen kann der Betriebsrat einen Berater hinzuziehen, wenn eine Betriebsänderung geplant ist.
 
Anders als bei Sachverständigen im Zusammenhang mit allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats ist bei solchen Beratern eine vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht erforderlich. Das bedeutet, dass der Betriebsrat die/den Berater*in selbst engagieren kann. Aber wie beim Kaufvertrag darf der Betriebsrat den Berater nur in dem Rahmen bestellen, den der Bundesgerichtshof gesetzt hat. Liegt kein (ordnungsgemäßer) Beschluss des Betriebsrats vor, ist der Berater nicht erforderlich oder sein Honorar nicht marktüblich, haftet die/der Vorsitzende ganz oder teilweise, weil sie/er ganz oder teilweise ohne Vollmacht gehandelt hat.
Auch hier bleibt nur die (eher theoretische) Möglichkeit, die Haftung vertraglich auszuschließen.  
Deshalb ist dem Betriebsrat ebenfalls dringend zu raten, vor der Bestellung einer/s Berater*in sehr genau zu prüfen, ob sie/er erforderlich und die Honorarforderungen marktüblich sind. Außerdem ist darauf zu achten, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß beschließt, den Berater zu beauftragen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil: BGH  25.10.2012  III 266/11
 
Für Interessierte:  

Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats

Rechtliche Grundlagen

§§ 40, 80 und 111 BetrVG, § 179 BGB

§ 40 BertVG
Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats
(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.
(2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.

§ 80 BetrVG
Allgemeine Aufgaben
. . .
(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.


§ 111 BetrVG
Betriebsänderungen
1In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. 2Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. 3Als Betriebsänderung im Sinne des Satzes 1 gelten
1. Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2. Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4. grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

§ 179 BGB
Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht
(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.
(2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.
(3) 1Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. 2Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.