Die Kontaktsperre erschwert auch die Arbeit des Betriebsrates. Aber auch während der Pandemie ist gute Betriebsratsarbeit wichtig. Copyright by Adobe Stok/Peter Hermes Furian
Die Kontaktsperre erschwert auch die Arbeit des Betriebsrates. Aber auch während der Pandemie ist gute Betriebsratsarbeit wichtig. Copyright by Adobe Stok/Peter Hermes Furian

Gute Betriebsratsarbeit lebt von persönlichen Kontakten. Seine Mitglieder kennen die Gegebenheiten an den Arbeitsplätzen und die Sorgen und Nöte der Kolleg*innen vor Ort nicht zuletzt durch persönliche Gespräche. Auf Betriebsratssitzungen tauschen sich die Mitglieder aus, fassen Beschlüsse und entscheiden gemeinsam über Initiativen des Gremiums.
 
In einer Zeit, in der eigentlich gemeinsames solidarisches Handeln besonders gefordert ist, zwingt ihn ein neuer Krankheitserreger, Versammlungen zu vermeiden. Was kann man also tun?

Sitzungen mit Mitgliedern und Ersatzmitgliedern abzuhalten, die gerade greifbar sind?

Davor ist in der Regel abzuraten. § 29 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt, wie zu einer Betriebsratssitzung einzuladen ist. Auch die Zusammensetzung des Gremiums ist nicht beliebig. Ersatzmitglieder rücken nur nach, wenn ein ordentliches Mitglied ausscheidet oder zeitweilig verhindert ist. Auch dafür gibt es Regeln, die der Betriebsrat unbedingt beachten muss.
 
Ein Mitglied ist zeitweilig verhindert, wenn es vorübergehend nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Also bei Krankheit oder Urlaub, auch eine staatlich angeordnete Quarantäne gehört dazu. Ein Mitglied im Homeoffice ist dagegen nicht verhindert im Sinne dieser Bestimmungen.
 
Das Gesetz regelt auch, unter welchen Bedingungen ein Betriebsrat beschlussfähig ist. Neben einer korrekten Einladung gehört auch dazu, dass mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt (§ 33 Absatz 2 BetrVG).

Betriebsratssitzung in einer Videokonferenz?

Technisch wäre das überhaupt kein großes Problem, wenn alle Mitglieder des Betriebsrates über einen Internetzugang verfügen. Für Europäische Betriebsräte, die auf Seeschiffen arbeiten und die an Sitzungen des Europäischen Betriebsrates teilnehmen möchten, ist das inzwischen sogar gesetzlich geregelt (§ 41a EBRG).

In seiner Sitzung am 22. April 2020 hat der Bundestag eine Ergänzung zum Betriebsverfassungsgesetz beschlossen. Betriebsräte haben die Möglichkeit, Beschlüsse vorerst auch via Video- und Telefonkonferenz zu fassen. Diese Regelung galt zunächst bis zum bis zum 31. Dezember 2020 und wurde später verlängert. Aktuell besteht die Möglichkeit bis zum 31. Juni 2021. Sie ist seinerzeit rückwirkend in Kraft getreten und galt ab dem 1. März 2020, damit die bereits in Videokonferenzen gefassten Beschlüsse rechtswirksam blieben. 
 
Aber eine Videokonferenz ist kein wirklicher Ersatz für eine Betriebsratssitzung, an der die Mitglieder tatsächlich zusammenkommen. Viele Aspekte menschlicher Kommunikation wie Körpersprache, Mimik und Gestik aus persönlicher Nähe sind für die Meinungsbildung unerlässlich und lassen sich auf einer virtuellen Konferenz nur unzureichend abbilden. Bei Video- oder Telefonkonferenzen fällt es dagegen schwer, bestimmte Signale richtig zu deuten und einen natürlichen Gesprächsverlauf zu erzielen.
 
Für die Beschlussfassung des Gremiums ist oft auch wichtig, dass sich Betriebsratsmitglieder vor und während der Sitzung in Gesprächen untereinander verständigen, was auch zur Meinungsbildung entscheidend beiträgt. Auch Nachbar- und Flüstergespräche, die ebenfalls der inhaltlichen Abstimmung zwischen Mitgliedern des Betriebsrates dienen, sind während einer Videokonferenz nicht möglich. Wichtige Elemente des persönlichen Austausches einzelner Mitglieder fehlen also in einer Videokonferenz weitestgehend.
 

Eine Video-Konferenz kann nicht garantieren, dass die Betriebsratssitzung nicht öffentlich ist

Darüber hinaus gibt es praktische Probleme, die eine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung in einer Videokonferenz zumindest erschweren. Ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrates hat jederzeit die Möglichkeit zu veranlassen, dass Beauftragte der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft eingeladen werden.
 
Diese haben in der Regel keinen Zugang zu betrieblichen Einrichtungen für eine Videokonferenz. Gleiches gilt für Beschäftigte, Sachverständige oder Auskunftspersonen, die der Betriebsrat zu einer Sitzung einladen will. Eine Videokonferenz über das offene Internet könnten Hacker leicht angreifen.
 
Es gibt aber auch aus juristischer Sicht ein Problem: Das BetrVG schreibt vor, dass Betriebsratssitzungen nicht öffentlich sind (§ 30 BetrVG). An den Sitzungen dürfen grundsätzlich nur Betriebsrats-Mitglieder teilnehmen, bei Verhinderung die entsprechenden Ersatzmitglieder. Ausnahmen gibt es nur, insoweit das Gesetz anderen Personen eine Teilnahme ausdrücklich einräumt.
 
Bei einer Videokonferenz kann nicht ausgeschlossen werden, dass Unbefugte den Inhalt der Sitzung zumindest teilweise mitbekommen. Es könnten sich in den einzelnen Räumen Personen außerhalb des Aufnahmebereiches aufhalten, die in der Sitzung nichts zu suchen haben.
 
Auch gibt es technische Einrichtungen, die es Unbefugten ermöglichen, Videokonferenzen zu „lauschen“. Nichtöffentlichkeit setzt also die Anwesenheit aller Betriebsrats-Mitglieder an einem Ort voraus. Niemand kann garantieren, dass die Sitzung über Online-Kommunikation wirklich nicht-öffentlich ist.

Arbeitgeber muss geeignete Räume zur Verfügung stellen

Es gibt in der derzeitigen Situation in der Regel auch keinen zwingenden Grund, Betriebsratssitzungen durch Videokonferenzen abzuhalten. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichten den Arbeitgeber dazu, ihm im erforderlichen Umfang Räume zur Verfügung zu stellen. Diese müssen funktionsgerecht mit dem erforderlichen Mobiliar ausgestattet sein, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat. Der Betriebsrat muss in der Lage sein, in diesen Räumen eine Betriebsratssitzung entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen.
 
Während der Maßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat der Arbeitgeber also dafür zu sorgen, dass der Betriebsrat seine Sitzungen in einer Umgebung durchführen kann, die den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes entspricht.
 
Es kann in Ausnahmefällen während der Kontaktsperre Situationen geben, in denen das Gremium sich in einer Video- oder Telefonkonferenz abstimmen muss. Es dürfte sich aber nur um ganz seltene Fälle handeln. Betriebsratsvorsitzende sollten sich auf jeden Fall durch ihre Gewerkschaft beraten lassen, wenn sie beabsichtigen, zu einer Sitzung im Wege der Telefonkonferenz einzuladen.
 

Kann man einen Betriebsratsbeschluss im schriftlichen Umlaufverfahren treffen?

Diese Frage ist mit einem eindeutigen NEIN zu beantworten. Denn sämtliche Entscheidungen des Betriebsrates können nur durch Beschluss getroffen werden, wenn zuvor eine mündliche Beratung im Gremium stattgefunden hat. Ein Beschluss selbst kann ausschließlich auf einer Betriebsratssitzung gefasst werden, zu der ordnungsgemäß unter Nennung der Tagesordnung geladen wurde.
 
Hieraus ergibt sich, dass auch sogenannte „Umlaufverfahren“ nicht zulässig sind, die es auch schon gegeben haben soll. Denn bei dem sogenannten Umlaufverfahren versendet der Betriebsratsvorsitzende eine Beschlussvorlage an die einzelnen Betriebsratsmitglieder. Diese haben dann die Möglichkeit über den Beschluss mit "Ja", "Nein" oder einer Enthaltung abzustimmen.
 
Bei dieser Vorgehensweise sind die Betriebsratsmitglieder entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht körperlich anwesend. Eine vorherige Beratung über den zu fassenden Beschluss und die direkte Einflussnahme auf die Willensbildung der Betriebsratskollegen ist nicht möglich. Beschlüsse können auf diesem Weg daher weder schriftlich noch telegrafisch oder fernmündlich gefasst werden
 

Darf der Betriebsrat während der Corona-Pandemie zur Betriebsversammlung einladen?

Anlässlich der Bestimmungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, insbesondere der Kontaktsperre, dürfte von Betriebsversammlungen unabhängig von der Größe des Betriebes derzeit nur abzuraten sein. Zudem sind Versammlungen nach den derzeitigen Bestimmungen ohnehin untersagt. Das gilt auch für Betriebsversammlungen. Aber auch nach Aufhebung der Kontaktsperre sollte der Betriebsrat gründlich überlegen, ob eine Betriebsversammlung überhaupt sinnvoll und notwendig ist.
 
Grundsätzlich lädt der Betriebsrat zu Betriebsversammlungen ein und bestimmt damit den Zeitpunkt. Allerdings ist er hinsichtlich des Termins nicht völlig frei, sondern muss betriebliche Belange berücksichtigen.
 

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom März 2019 gesagt, dass das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gelte. Als allgemeine Schranke der Rechtsausübung begrenze es sowohl Rechtsinstitute und Rechtsnormen als auch subjektive Rechte. Letztlich gehe es um die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auch im Rahmen der Betriebsverfassung.

Wegen der Besonderheiten des durch die Wahrnehmung strukturell gegensätzlicher Interessen gekennzeichneten Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat käme eine solche unzulässige Rechtsausübung jedoch nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.

Es gibt Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur, die annehmen, dass ein solcher Verstoß vorliegt, wenn der Betriebsrat trotz erhöhter Ansteckungsgefahr der Belegschaft zu einer Betriebsversammlung einlade. Aus diesem Grund werde der Arbeitgeber Betriebsversammlungen derzeit untersagen dürfen, unabhängig davon, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche Betriebsversammlung handele.

H2: Letztlich entscheidet aber der Betriebsrat

Dem Betriebsrat kommt die Aufgabe zu, den Arbeitgeber bei der Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften zu überwachen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu fördern. Er hat er sogar ein echtes Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz. 

Deshalb kommt trofft ihn eine verschärfte Pflicht, bei Betriebsversammlungen dafür zu sorgen, dass alle Hygienemaßnahmen und Abstandsvorschriften eingehalten werden. 

Kein Kollege einem unnötigen Gesundheitsrisiko ausgesetzt werden! 

Es ist allerdings fraglich, ob der Arbeitgeber eine Versammlung per se verbieten kann. Je nach Pandemielage gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Vorgaben. Insoweit kommt es auf den Einzelfall an. Es wird deshalb dringend empfohlen, vor Einladung zur Betriebsversammlung mit der Gewerkschaft Kontakt auf zu nehmen und das genaue Vorgehen zu erörtern.

Kann der Arbeitgeber Reisen zu Schulungsveranstaltungen untersagen?

Nein, Reisen zu Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG sind keine Dienstreisen. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Betriebsrat beschließt, ein Mitglied zu einer Schulungsveranstaltung zu entsenden.
 
Derzeit dürften aufgrund der Kontaktsperre ohnehin keine Schulungen stattfinden. Auch nach Aufhebung der Kontaktsperre gilt aber: Der Betriebsrat sollte wirklich gründlich überlegen, ob die Teilnahme angesichts der Corona-Epidemie überhaupt sinnvoll ist.
 

Darf der Arbeitgeber den Betriebsrat anweisen, seine Arbeit im Homeoffice zu verrichten?

Der Betriebsrat entscheidet grundsätzlich selbst, wo und wann er seine Arbeit verrichtet. Der Arbeitgeber hat bei dieser Frage kein Weisungsrecht.
 
Allerdings sollte der Betriebsrat aus eigenem Interesse überlegen, ob tatsächliche Zusammenkünfte überhaupt sinnvoll sind. Untersagen kann der Arbeitgeber eine Betriebsratssitzung in Hinblick auf Corona aber nicht.

Lesen Sie auch:

Schwerpunktthema: Coronavirus FAQs

Schwerpunktthema: Coronavirus-Was beschäftigte wissen müssen

Rechtliche Grundlagen

§§ 30,43 BetrVG

§ 30 Betriebsratssitzungen

Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitgeber ist vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich.

§ 43 Regelmäßige Betriebs- und Abteilungsversammlungen

(1) Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Liegen die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 vor, so hat der Betriebsrat in jedem Kalenderjahr zwei der in Satz 1 genannten Betriebsversammlungen als Abteilungsversammlungen durchzuführen. Die Abteilungsversammlungen sollen möglichst gleichzeitig stattfinden. Der Betriebsrat kann in jedem Kalenderhalbjahr eine weitere Betriebsversammlung oder, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 vorliegen, einmal weitere Abteilungsversammlungen durchführen, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint.