Ist eine Schulung inhaltlich und zeitlich unterteilt, muss der Betriebsrat nur die Erforderlichkeit der Teile begründen, die sein Mitglied belegen sol
Ist eine Schulung inhaltlich und zeitlich unterteilt, muss der Betriebsrat nur die Erforderlichkeit der Teile begründen, die sein Mitglied belegen sol

Der Kläger ist Betriebsratsmitglied. Er verlangt vom Arbeitgeber sein Entgelt für die Arbeitstage, an denen er an einer Schulung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) teilgenommen hat.

Im Betrieb gilt seit 2012 eine Betriebsvereinbarung zum BEM. Zur Umsetzung wurde ein Integrationsteam gebildet. Dieses besteht aus einem Vertreter des Arbeitgebers, dem Kläger als Vertreter des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung (SBV).

Arbeitgeber verweigert Entgelt für Seminartage

Der Kläger hat schon mehrere eintägige Schulungen besucht, etwa 2008 und 2009 zum Thema »Berufskrankheiten« und zur Zusammenarbeit von SBV und Betriebsrat mit Versorgungsamt und Arbeitsagentur. 2011 und 2012 besuchte er mehrtägige Seminare zu den Themen »Umgang mit psychisch auffälligen und kranken Kollegen« und »Burnout erkennen und verhindern«.

Im Dezember 2012 beschloss der Betriebsrat den Kläger zu einem Seminar »Professionelles BEM« anzumelden. Die Veranstaltung war als »Ausbildung zum Eingliederungsberater/zur Eingliederungsberaterin« konzipiert und sollte aus vier Modulen von je drei Arbeitstagen und einer zweitägigen Schlussveranstaltung bestehen. Ausweislich des Anmeldeformulars war nur die Buchung des gesamten Seminars möglich.

Die Teilnahmegebühr hingegen war für jedes Modul einzeln ausgewiesen. Der Kläger hatte nur an den ersten zwei Modulen teilgenommen. Darin ging es um Rechtsgrundlagen des BEM und die Kommunikation mit den betroffenen Kollegen, denen mit dem BEM geholfen werden soll. Der Arbeitgeber hielt die Teilnahme nicht für erforderlich. Er verweigerte das Entgelt für die Zeit der Teilnahme.

Schulungsanspruch bei Erforderlichkeit

Mitglieder des Betriebsrates sind für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen von der Arbeit ohne Minderung des Entgeltes freizustellen. Voraussetzung ist, dass die in der Weiterbildung zu vermittelnden Kenntnisse für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Zudem ist ein Beschluss zur Entsendung des Betriebsratsmitgliedes für die Teilnahme erforderlich.

Notwendig sind Schulungen, wenn diese für die konkrete Situation im Betrieb erforderlich sind, damit die anstehenden Aufgaben erledigt werden können. Bei neugewählten Betriebsratsmitgliedern ist nach der Rechtsprechung die Schulungsbedürftigkeit für Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts und des allgemeinen Arbeitsrechts immer gegeben.

Die Rechtsprechung unterscheidet also zwischen der Vermittlung von Grundkenntnissen und weitergehenden Kenntnissen. Bei einer Schulung zu Spezialthemen bedarf es eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses. Bei der Auswahl der Veranstaltung hat der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum. Dabei muss er die Ausgewogenheit der aufzuwendenden Zeit und der finanzielle Seite beachten. Er muss aber auch nicht den billigsten unter den Anbietern wählen.

Streit um teilweisen Besuch von Schulungen

Im hier entschiedenen Fall hat der Veranstalter die Schulung nur als Gesamtpaket angeboten. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine als Ganzes angebotene Schulung nicht teilbar. Eine Teilung kommt nur in Betracht, wenn die unterschiedlichen Module klar voneinander abgegrenzt sind.

Ein zeitweiser Besuch muss insoweit möglich und sinnvoll sein. Ist das der Fall, kann sich der Betriebsrat darauf berufen, dass und warum die einzelnen Teile des Seminars für seine Arbeit erforderlich sind, und dass diese Teile zeitlich abgrenzbar und gesondert buchbar sind.
Ist eine derartige Aufteilung nicht möglich, so findet eine Gesamtwürdigung statt.

Schon 2008 hat das BAG entschieden, dass ein Seminar als erforderlich für die Betriebsratsarbeit gilt, wenn mehr als 50 Prozent der behandelten Inhalte erforderlich sind (BAG, 7.05.2008 – 7 AZR 90/07). Auch das kann dem Betriebsrat nützen: Äußert der Arbeitgeber Zweifel daran, dass ein Teil der Schulungsinhalte wirklich erforderlich ist, kann der Betriebsrat darauf abstellen, dass die Schulung nur im Gesamtpaket buchbar ist und der erforderliche Teil über 50 Prozent ausmacht.

Eine einheitliche Schulung ist nicht teilbar

Wird die Schulung aber tatsächlich nur als Ganzes angeboten, ist eine zeitweise Teilnahme praktisch unmöglich. Sie kann dann nur als Ganzes gebucht werden. Der Betriebsrat muss über die Teilnahme an der gesamten Schulung, so wie sie angeboten wird, und nicht über einen Teil entscheiden.

Da das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm noch keine Aussage dazu getroffen hatte, ob das Seminar inhaltlich teilbar war, hat das BAG den Fall dorthin zurückverwiesen. Für den Schulungsbedarf des Klägers zum BEM gibt es an sich gute Argumente.

Denn der Kläger benötigte die in den besuchten Modulen vermittelten Kenntnisse, um seine Aufgaben als Mitglied des Integrationsteams sach- und fachgerecht wahrnehmen zu können. Seine Vorkenntnisse aus den früher besuchten Seminaren stehen dem nicht entgegen. Denn die Betriebsvereinbarung BEM bringt ihm neue Aufgaben. Die Vermittlung von Kommunikationsfähigkeiten ist wichtig, um Ängste und Vorbehalte der Beschäftigten bei der Durchführung des BEM abzubauen.

Betriebsvereinbarung zum Thema »Schulungen«

Der Betriebsrat hat einen Beurteilungsspielraum für die Teilnahme an Schulungen. Über die Erforderlichkeit, die Kosten und die Dauer gibt es immer wieder Streit mit dem Arbeitgeber.Dem Betriebsrat ist daher zu empfehlen, dass er mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zum Thema Schulungen des Betriebsrats schließt. Darin kann vereinbart werden, dass der Arbeitgeber die Erforderlichkeit regelmäßig anfallender Schulungen von vornherein anerkennt, zum Beispiel zu den Themen Arbeitsrecht, Sozialrecht, Betriebsverfassungsrecht, Tarifrecht, aktuelle Rechtsprechung, Personalplanung, Arbeitssicherheit, Entgeltfragen. Stehen erhebliche Veränderungen im Betrieb an, so ist eine Schulung immer erforderlich. Dies etwa bei einer Betriebsänderung, einer Änderung des Tarifgefüges, einer bevorstehenden Insolvenz.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 10/2017 vom 05.04.2017.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.09.2016 – 7 AZR 699/14  hier im Volltext

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Rechtliche Grundlagen

§ 37 Betriebsverfassungsgesetz - Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis

Betriebsverfassungsgesetz
§ 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(...)
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(...)
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.