Ärgerlich, wenn der Betriebsrat an einer Schulung teilnimmt und der Arbeitgeber dafür wegen eines Formfehlers nicht zahlen muss.
Ärgerlich, wenn der Betriebsrat an einer Schulung teilnimmt und der Arbeitgeber dafür wegen eines Formfehlers nicht zahlen muss.

Bereits mehrfach hatte der Betriebsrat eines sauerländischen Herstellers von elektrischen Hochleistungswiderständen beschlossen, zwei seiner Mitglieder zu einer Betriebsräteschulung zum Thema „Personalmanagement“ zu entsenden. Immer kam etwas dazwischen. Meistens war das geplante Seminar ausgebucht.
 
Während der Betriebsratssitzung im August 2014 unternahm ein Betriebsratsmitglied einen erneuten Anlauf: Obwohl dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung der Einladung stand, beantragte der Betriebsrat zu Beginn der Sitzung die Ergänzung der Tagesordnung. Erneut sollte der Beschluss zur Entsendung von zwei Mitgliedern zum Seminar Personalmanagement gefasst werden.
 

Beschlussfassung nach Ergänzung der Tagesordnung

Einstimmig wurde die kurzfristige Ergänzung der Tagesordnung zu Beginn der Betriebsratssitzung beschlossen.
 
Der Fehler jedoch war: Diese einstimmige Beschlussfassung wurde nicht ins Protokoll der Betriebsratssitzung aufgenommen. Dort stand dann nur der Beschluss zur Entsendung von zwei Mitgliedern zum Personalmanagement-Seminar. Dieser Beschluss wurde mit einer Gegenstimme gefasst.
 

Arbeitgeber verweigert Zahlung

Der Arbeitgeber hielt die Entsendung von gleich zwei Betriebsratsmitgliedern nicht für erforderlich und verweigerte in einem Fall die Begleichung der Seminarrechnung. Gleichzeitig erhielt einer der beiden Betriebsräte, die Mitglied der IG Metall sind, kein Gehalt für die Teilnahmewoche.
 
Im Rahmen des von dem Betriebsratsmitglied eingeleiteten Klageverfahrens auf Gehaltszahlung bestritt der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Teilnahme, stellte aber nebenbei auch die ordnungsgemäße Beschlussfassung zur Entsendung zur Schulung in Frage. Und damit traf er ins Schwarze!
 

Unvollständige Tagesordnung in der Einladung zur Betriebsratssitzung

Die Einladung zur fraglichen Sitzung enthielt nämlich in der Tagesordnung keinen Hinweis auf den geplanten Entsendebeschluss, wie es § 29 Absatz 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz erfordert. Diese Mitteilung in der Tagesordnung ist unverzichtbare gesetzliche Voraussetzung, damit jedem Betriebsratsmitglied eine sachgerechte Sitzungsvorbereitung ermöglicht wird und unbedachte Entscheidungen vermieden werden.
 
Fehlt diese zwingende Voraussetzung, ist also die Einladung unvollständig, bleibt dem Betriebsrat noch ein Hintertürchen: Einstimmig mit den Stimmen aller anwesenden Betriebsratsmitglieder kann die Tagesordnung noch während der laufenden Sitzung ergänzt werden, wie die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht jetzt erlaubt.
 

Formfehler bei der Ergänzung der Tagesordnung

Dies war vorliegend geschehen. Aber: Der Beschluss zur Ergänzung der Tagesordnung tauchte im Protokoll der Betriebsratssitzung nicht auf. Dies wäre aber nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm erforderlich gewesen, da ja der Entsendebeschluss selbst nicht einstimmig gefasst worden war.
 
Die Behauptung der Prozessvertretung vom DGB Rechtsschutz Büro Hagen, der den IG Metaller vor dem LAG Hamm vertrat, es habe eine einstimmige Beschlussfassung zur Ergänzung der Tagesordnung gegeben, genügte dem LAG trotz entsprechendem Beweisangebotes nicht. Denn es konnte nicht dargelegt werden, warum dieser Beschluss entgegen § 34 Absatz 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) keine Erwähnung im Sitzungsprotokoll gefunden hat.
 
Deshalb wies das LAG Hamm die Berufung des Betriebsratsmitgliedes zurück.
 
Die vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg.


 
 
Weiterführende Links:


Die Ergänzung der Tagesordnung einer Betriebsratssitzung ist durch einstimmigen Beschluss möglich. Lesen Sie hierzu unseren Artikel "Lass uns das doch auch beschließen".

Was für einen korrekten Betriebsratsbeschluss zu beachten ist, lesen Sie hier.

Welche Fehler vermieden werden müssen, erfahren Sie hier.

Informationen zum Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht haben wir hier zusammengestellt.

 

Das Urteil des LAG Hamm finden Sie hier.

Das sagen wir dazu:

Immer dann, wenn Betriebsratsbeschlüsse den Arbeitgeber Geld kosten, ist dieser geneigt, ein Haar in der Suppe zu finden. Oft gelingt es dem Arbeitgeber bei Beschlüssen zur Entsendung von Betriebsratsmitgliedern zu Schulungsmaßnahmen nicht, die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme in Frage zu stellen. Ein leider dann zu oft wirksames Hilfsargument ist es, die Einhaltung der erforderlichen Formalitäten in Frage zu stellen.
 
Für solche Fälle ist es unverzichtbar, dass die Einladung zur Betriebsratssitzung den Anforderungen des § 29 BetrVG entspricht. Fehlt ein Tagesordnungspunkt, über den ein Beschluss gefasst werden soll, ist bei Einstimmigkeit (aber nur dann!) eine Ergänzung der Tagesordnung möglich.
 
Aber Achtung: Diese Ergänzung muss formal korrekt beschlossen und ausdrücklich im Protokoll erwähnt werden.

Rechtliche Grundlagen

§§ 29 und 34 Betriebsverfassungsgesetz

§ 29 Einberufung der Sitzungen

(1) Vor Ablauf einer Woche nach dem Wahltag hat der Wahlvorstand die Mitglieder des Betriebsrats zu der nach § 26 Abs. 1 vorgeschriebenen Wahl einzuberufen. Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet die Sitzung, bis der Betriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt hat.

(2) Die weiteren Sitzungen beruft der Vorsitzende des Betriebsrats ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Der Vorsitzende hat die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Dies gilt auch für die Schwerbehindertenvertretung sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertreter, soweit sie ein Recht auf Teilnahme an der Betriebsratssitzung haben. Kann ein Mitglied des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Sitzung nicht teilnehmen, so soll es dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen. Der Vorsitzende hat für ein verhindertes Betriebsratsmitglied oder für einen verhinderten Jugend- und Auszubildendenvertreter das Ersatzmitglied zu laden.

(3) Der Vorsitzende hat eine Sitzung einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt ist, auf die Tagesordnung zu setzen, wenn dies ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragt.

(4) Der Arbeitgeber nimmt an den Sitzungen, die auf sein Verlangen anberaumt sind, und an den Sitzungen, zu denen er ausdrücklich eingeladen ist, teil. Er kann einen Vertreter der Vereinigung der Arbeitgeber, der er angehört, hinzuziehen.

§ 34 Sitzungsniederschrift

(1) Über jede Verhandlung des Betriebsrats ist eine Niederschrift aufzunehmen, die mindestens den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmenmehrheit, mit der sie gefasst sind, enthält. Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied zu unterzeichnen. Der Niederschrift ist eine Anwesenheitsliste beizufügen, in die sich jeder Teilnehmer eigenhändig einzutragen hat.

(2) Hat der Arbeitgeber oder ein Beauftragter einer Gewerkschaft an der Sitzung teilgenommen, so ist ihm der entsprechende Teil der Niederschrift abschriftlich auszuhändigen. Einwendungen gegen die Niederschrift sind unverzüglich schriftlich zu erheben; sie sind der Niederschrift beizufügen.

(3) Die Mitglieder des Betriebsrats haben das Recht, die Unterlagen des Betriebsrats und seiner Ausschüsse jederzeit einzusehen.