Corona: manchmal ist erst nach zwölf Stunden Feierabend! Copyright by Adobe Stock/ Elnur
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 Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer täglich nur acht Stunden arbeiten. Sie dürfen ausnahmsweise bis zu zehn Stunden am Tag tätig sein, wenn sie innerhalb eines halben Jahres im Schnitt nicht mehr als acht Stunden am Tag arbeiten. Zwischen zwei Arbeitsschichten muss es eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden geben.
Mit dem Sozialschutz-Paket zur Corona-Krise vom März 2020 hat der Gesetzgeber einen vierten Absatz in § 14 Arbeitszeitgesetz eingeführt, der das Bundesarbeitsministerium ermächtigt, in Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsminister durch Rechtsverordnung das Arbeitszeitgesetz für bestimmte Beschäftigungsgruppen außer Kraft zu setzen.
Wir hatten darüber berichtet in unserem Artikel „Arbeitszeitgesetz kann zeitweise für Beschäftigte in systemrelevanten Berufen ausgesetzt werden“


Der Bundesarbeitsminister setzt befristet bis zum 30.Juni 2020 für etliche Beschäftigte wesentliche Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes außer Kraft

Der Bundesarbeitsminister hat jetzt erstmals von dieser Ermächtigung mit der Covid19- Arbeitszeitverordnung vom 7. April 2020 Gebrauch gemacht. Für einen befristeten Zeitraum bis zum 30.Juni 2020 werden Ausnahmen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zugelassen.
Die Verordnung greift allerdings nicht in Tarifverträge und Arbeitsverträge ein. Die hier geregelten Arbeitszeiten gelten weiterhin. Kein Arbeitgeber kann aufgrund dieser Verordnung anordnen, dass Beschäftigte nunmehr zwölf Stunden regelmäßig arbeiten müssen. Arbeitnehmer*innen schulden auch nach Inkrafttreten der Corona-Arbeitszeitverordnung die Arbeitszeit, die mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder kraft Tarifvertrags für ihre Arbeitsverhältnisse gelten.


Die Verordnung greift weder in den Arbeitsvertrag noch in einen Tarifvertrag ein

Durch § 14 Abs. 4 ArbZG ist der Bundesarbeitsminister nur ermächtigt, Ausnahmen zulassen, die über die im Gesetz und in den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie in Tarifverträgen vorgesehenen Ausnahmen hinausgehen. Die Vorschrift beinhaltet keine generelle Ermächtigung, Tarifverträge für kraftlos zu erklären bzw. sich darüber hinwegzusetzen. Gleiches gilt vor die Vereinbarungen in Arbeitsverträgen.
Die Verordnung ermöglicht also nur den Arbeitsvertragsparteien und den Tarifpartnern, im gegenwärtigen Ausnahmefall bis zum 30. Juni 2020 längere Arbeitszeiten und kürzere Ruhezeiten zu vereinbaren. Die Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz gelten nur für eng und klar bestimmte Tätigkeiten, die wegen der Ausbreitung des Coronavirus notwendig sind und nur für die Zeit der Pandemie.


Die Corona-Arbeitszeitverordnung erlaubt Arbeitstage von bis zu zwölf Stunden

Konkret werden durch die Corona-Arbeitszeitverordnung folgende Ausnahmen zugelassen:

  • Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Wie im Arbeitszeitgesetz üblich, muss innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich auf acht Stunden werktäglich (48 Stunden wöchentlich) erfolgen.
  • Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von vier Wochen auszugleichen. Der Ausgleich ist nach Möglichkeit durch freie Tage zu gewähren, ansonsten durch Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens 13 Stunden.
  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Der Ersatzruhetag für Sonntagsbeschäftigung kann innerhalb von acht Wochen gewährt werden, er muss spätestens bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31. Juli 2020 gewährt worden sein.
  • Wird von den Abweichungen Gebrauch gemacht, darf die Arbeitszeit 60 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Nur in dringenden Ausnahmefällen darf die Wochenarbeitszeit auch über 60 Stunden hinaus verlängert werden, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.


Die Ausnahmen gelten nur für Tätigkeiten, die systemrelevant sind

Nicht für alle Arbeitnehmer*innen gilt die Verordnung, sondern nur für die Tätigkeiten, die das Ministerium für systemrelevant hält. Dies sind Tätigkeiten

  •  beim Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Liefern an Unternehmer, Be- und Entladen und Einräumen von

1) Waren des täglichen Bedarfs,

2)Arzneimitteln, Medizinprodukten und weiteren apothekenüblichen Waren sowie Hilfsmitteln,

3)Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der COVID-19-Epidemie eingesetzt werden,

4)Stoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien, die zur Herstellung und zum Transport der in den Buchstaben 1) bis 3) genannten Waren, Mittel und Produkte erforderlich sind,

  •  bei der medizinischen Behandlung sowie bei der Pflege, Betreuung und Versorgung von Personen einschließlich Assistenz- und Hilfstätigkeiten,
  • bei Not- und Rettungsdiensten, der Feuerwehr sowie beim Zivilschutz,
  • zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden,
  • in den Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und Abwasser-entsorgungsbetrieben,
  • in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren,
  • zur Sicherstellung von Geld- und Werttransporten sowie bei der Bewachung von Betriebsanlagen,
  • zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,
  •  in Apotheken und Sanitätshäusern im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten und bei erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie bei Abhol- und Lieferdiensten von Apotheken und Sanitätshäusern.

Hier geht es zur Corona-Arbeitszeitverordnung vom 8. April 2020

Rechtliche Grundlagen

§ 14 Arbeitszeitgesetz
Außergewöhnliche Fälle

(1) Von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, §§ 7, 9 bis 11 darf abgewichen werden bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, besonders wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen.
(2) Von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, §§ 7, 11 Abs. 1 bis 3 und § 12 darf ferner abgewichen werden,
1. wenn eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern vorübergehend mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeiten gefährden oder einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würden,
2. bei Forschung und Lehre, bei unaufschiebbaren Vor- und Abschlussarbeiten sowie bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen oder zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen,
wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können.
(3) Wird von den Befugnissen nach Absatz 1 oder 2 Gebrauch gemacht, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.
(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates in außergewöhnlichen Notfällen mit bundesweiten Auswirkungen, insbesondere in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes, für Tätigkeiten der Arbeitnehmer für einen befristeten Zeitraum Ausnahmen zulassen, die über die in diesem Gesetz und in den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie in Tarifverträgen vorgesehenen Ausnahmen hinausgehen. Diese Tätigkeiten müssen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sein. In der Rechtsverordnung sind die notwendigen Bedingungen zum Schutz der in Satz 1 genannten Arbeitnehmer zu bestimmen.